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TV-Preise in Deutschland

Jochen Kürten12. April 2013

Der Grimme-Preis gilt hierzulande als angesehenster Fernsehpreis. Doch andere Auszeichnungen sind weitaus populärer. Deutschlands Fernsehpreise sind auch ein Ausdruck einer Parallelwelt beim Medium Fernsehen.

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Die Schauspieler Jan Josef Liefers, Sebastian Urzendowsky und Claudia Michelsen bei einem Fototermin am Set der Dreharbeiten für den ARD-Zweiteiler "Der Turm" (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Goldene Kamera oder den Bambi dürften die meisten Deutschen kennen. Diese Preise feiern vor allem einen immer gleichen Kreis an TV-Prominenz. Dabei werden die live im abendlichen Fernsehprogramm ausgestrahlten Preis-Zeremonien zur Hauptsache, der Rote Teppich, der für die Prominenz ausgerollt wird, zum Hauptdarsteller. Wer wofür eine Goldene Kamera oder einen Bambi vor großem Publikum in die Höhe recken darf, ist nach kurzer Zeit schon nicht mehr wichtig. Jeder halbwegs beliebte Schauspieler, jeder täglich auf der Mattscheibe erscheinende Moderator wird irgendwann geehrt. Bei Bambi und Goldene Kamera feiert sich die Szene selbst.

Zwischen Qualität und Quote

Mit Qualität und künstlerischer Innovation hat das wenig zu tun. Es sind populäre Preise, die für massenwirksame Filme und Sendungen verliehen werden, ähnlich den US-Vorbildern Oscar oder Emmy, nur ein paar Nummern kleiner. Bei diesen TV-Auszeichnungen werden regelmäßig auch die Akteure der großen Privatsender in Deutschland (Pro 7/SAT 1, RTL) bedacht.

Das ist bei den vielen kleineren Preisen, die tatsächlich auf Qualität und Innovation achten, kaum der Fall. Hier dominieren seit Jahren fast ausschließlich die öffentlich-rechtlichen Sender. Diese Aufspaltung zwischen Anspruch und Unterhaltung, zwischen Information und Boulevard, die man bei den TV-Preisen in Deutschland beobachten kann, ist Ausdruck einer sich immer mehr aufspaltenden Fernsehlandschaft.

Im Segment der anspruchsvollen Auszeichnungen ragt der Grimme-Preis heraus. Er wird seit fast einem halben Jahrhundert in verschiedenen Kategorien verliehen. Seit 1964 würdigt er Produktionen und Fernsehleistungen, die "die spezifischen Möglichkeiten des Mediums Fernsehen auf hervorragende Weise nutzen und nach Inhalt und Methode Vorbild für die Fernsehpraxis sein können," wie es in den Statuten des Instituts heißt. Und tatsächlich: Wer einen Grimme-Preis gewinnt, darf stolz sein. Werden hier doch Filme und TV-Formate bedacht, die künstlerisch anspruchsvoll, innovativ oder experimentierfreudig sind.

Die Trophäen des Adolf-Grimme-Preises (Foto: Jörg Carstensen dpa)
Begehrt: der Grimme-PreisBild: picture-alliance/dpa

Höhepunkt des Fernsehjahres 2012

Über eine Auszeichnung in der so genannten Königsdisziplin "Fiktion", die Fernsehfilme umfasst, dürfen sich in diesem Jahr die Macher des zweiteiligen Films "Der Turm" (unser Bild oben) freuen. Die Literaturverfilmung war im vergangenen Jahr ein Höhepunkt des deutschen Fernsehens. Dem noch jungen Regisseur Christian Schwochow gelang eine kongeniale Umsetzung des 1000-Seiten Romans von Uwe Tellkamp, in dem die letzten sieben Jahre des DDR-Regimes vor dessen Zusammenbruch 1989 am Beispiel einer bürgerlichen Familie erzählt werden. Dramaturgisch geschickt gerafft, intensiv auf individuelle Schicksale verdichtet, mit herausragenden Schauspielern besetzt: "Der Turm" hat den Grimme-Preis verdient. Dass er zuvor bereits einen Bambi und Hauptdarstellerin Claudia Michaelsen eine Goldene Kamera bekommen hatte, ist kein Widerspruch. Unterhaltung und Anspruch müssen sich ja nicht ausschließen.

Christian Schwochow (Foto: Jochen Kürten)
Regisseur Christian SchwochowBild: DW

Sie sei erstaunt, dass es immer noch so ein großes Interesse an der DDR-Geschichte gebe, sagte Michaelsen vor ein paar Tagen bei der Bekanntgabe der diesjährigen Grimme-Preise (die Verleihung findet am Freitag in Marl, am Sitz des Instituts, statt). Doch ob DDR-Historie, BRD-Geschichte oder der Blick auf die Zeit der Nationalsozialisten: Gute Filme über Zeitgeschichte im Spielfilmformat finden sich relativ häufig im deutschen Fernsehen. Nicht zuletzt darauf wollte auch die Grimme-Jury mit ihren diesjährigen Auszeichnungen hinweisen. Auffallend am diesjährigen Preisjahrgang seien die starken zeitgeschichtlichen Bezüge, die sogar bis in die Unterhaltung reichen, sagte dann auch Uwe Kammann, Direktor des Instituts.

Geschichtslektionen via TV

Auch in der Kategorie "Information & Kultur", in der Dokumentationen und Reportagen ausgezeichnet werden, setzte sich dieser Trend fort. Der mit einem Grimme-Preis bedachte Film "Vaterlandsverräter" erzählt vom Leben eines einst gefeierten DDR-Schriftstellers, der lange für die Stasi arbeitete, bevor er sich selbst outete und damit selbst zum Objekt der Beobachtung wurde. Die sechsteilige Doku-Serie "Lebt wohl Genossen" behandelt intensiv und hintergründig den Zerfall der Sowjetunion. Und auch der von der Jury als preiswürdig erachtete Film "Ein deutscher Boxer" erzählt, indem er die Höhen und Tiefen im Leben des ehemaligen Profiboxers Charly Graf beleuchtet, ein Stück lebendige Zeitgeschichte.

Szene aus Vaterlandsverräter | (Foto: Archiv Berlinale)
Szene aus dem Film "Vaterlandsverräter"Bild: Annekatrin Hendel

Doch nicht nur historische Themen und ernste Stoffe wurden in diesem Jahr geehrt. In der Kategorie "Unterhaltung" darf sich der Sender Pro7 über einen Preis für seine Satire-Sendung "Switch Reloaded: Wetten, dass…?" freuen. Der private Anbieter Pro7 konnte also ausgerechnet mit einem Format punkten, das die größte und beliebteste Unterhaltungssendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens aufs Korn nimmt. Dagegen blieb eine Auszeichnung für die nominierte Sendung "Dschungelcamp" aus. Allein die Nominierung hatte schon für viel Kritik an der Jury gesorgt. Deren Vorsitzender Gerd Hallenberger räumte dann auch ein, dass die Show zwar für den gesellschaftlichen Wandel stehe, dies aber doch nicht preiswürdig sei.

Comedian Max Giermann (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)
Parodiert in "Switch Reloaded" Markus Lanz: der Comedian Max GiermannBild: picture-alliance/dpa

Moderne Formate im Kommen

Auf den Wandel junger Menschen im Umgang mit Medien verwies dabei ein anderer Preis: "Add a friend", die erste eigenproduzierte Serie des deutschen Pay-TV-Senders TNT, wurde überraschend ausgezeichnet. In "Add a friend" geht es um zwei Freunde, die vor allem online kommunizieren. Neue Medien, die Einbindung der Zuschauer, Kommunikation fast ausschließlich vor dem Computer - das TV-Format wendet sich an ein junges Publikum und bildet neue Verhaltensweisen jüngerer Publikumsschichten ab.

Max Wiedemann, Tobi Baumann, Hannes Heyelmann, Ken Duken, Emilia Schuele, Friedrich Muecke und Quirin Berg (Foto: Johannes Simon/Getty Images for Turner Broadcasting Service)
Produzenten und Schauspieler von "Add a friend"Bild: Getty Images for Turner Broadcasting Service

Aber auch für diesen Grimme-Preis gilt wohl: Noch sind sich Formate wie "Add a friend" Sendungen für ein Nischenpublikum jenseits des Massengeschmacks à la Bambi und Goldene Kamera. Doch ein Grimme-Preis für solch ein mutiges Format richtet immerhin den Blickwinkel auf innovatives Fernsehen in Deutschland.