Zita. Loly. Mode
19. Januar 2024Ein kleines, unauffälliges Atelier in einer ruhigen Seitenstraße, weit abseits des hektischen Bukarester Zentrums. "Croitorie" - "Schneiderei" steht auf einem Schild über dem Eingang, mehr nicht. Niemand würde vermuten, dass an diesem schlichten Ort ganz außergewöhnliche Kleidungsstücke entstehen. Es sind die Modekreationen der Bukarester Designerin Zita Moldovan.
Die 43-Jährige gehört zu den bekanntesten Persönlichkeiten der rumänischen Roma. Sie ist Schauspielerin und Mitbegründerin der feministischen Roma-Theatergruppe Giuvlipen, sie ist TV-Moderatorin und hat viele Jahre lang Fernsehsendungen über Roma präsentiert - und sie ist Roma-Modedesignerin. Allerdings nicht irgendeine.
Auf Roma-Mode oder solche, die es zu sein vorgibt, stößt man im Internet mit wenigen Klicks - es sind überwiegend knallbunte Röcke mit Blumenmustern. Daneben gibt es auch eine Handvoll europäischer Modeschöpfer, die selbst Roma sind. Sie verkaufen T-Shirts oder Hoodies mit antirassistischen Botschaften oder Roma-Symbolen wie dem Rad auf blau-grünem Untergrund. Oder sie bieten phantasievolle Haute Couture an, die man im Alltag kaum tragen kann.
Alltagstaugliche Mode
Zita Moldovan hat mit ihrem Modelabel Loly, angelehnt an das Romani-Wort lolo (dt.: rot), ein anderes Konzept: Sie möchte vor allem alltagstaugliche Kleidungsstücke schaffen, die Akzente setzen und dennoch nicht aufdringlich wirken. Dabei orientiert sie sich an aktuellen Modetrends, häufig daran, was urbane Jugendliche im Alltag tragen, und verbindet das mit Stilelementen traditioneller Kleidung von Roma, vor allem von Frauen: kräftige Farben, Blumenmuster, Schmucksymbole. Eines ihrer meistverkauften Stücke ist eine Kapuzenjacke mit Blumenmuster auf einfarbigem Untergrund, wahlweise weiß, gelb, rot, grün, blau oder schwarz. Im vergangenen Sommer hat sie eine Denim-Kollektion entworfen, die blau-grauen Jeansstoff mit bunten Blumenmuster-Stoffen kombiniert.
Zita Moldovan sagt, sie habe es schon als Kind geliebt, im Kleiderschrank ihrer Mutter zu stöbern, sich gut anzuziehen und in Kostümen auf Familienfeiern Gedichte und Texte vorzutragen. Sie stammt aus der siebenbürgischen Kleinstadt Sächsisch-Reen (Reghin), in der seit Jahrhunderten Siebenbürger Sachsen, Ungarn, Rumänen und Roma zusammenleben. Ihr Vater war Mathematik-Lehrer an einem Gymnasium, ihre Mutter arbeitete in einem Betrieb für Kunsthandwerk.
Krasser Fall von Rassismus
Rassismus, sagt Zita Moldovan, habe sie in ihrer Kindheit und Jugend persönlich lange Zeit nicht wahrgenommen. "Ich wusste immer, dass ich Romni bin und ich habe es als normal empfunden", erzählt sie. "Wir wohnten in einem Plattenbau, hatten rumänische und ungarische Nachbarn. Alle wussten, dass wir Roma sind und nahmen es als etwas Normales hin. Vermutlich hing es auch mit dem sozialen Status meines Vaters zusammen, der Lehrer war, was nicht sehr verbreitet ist bei Roma."
Einen krassen persönlichen Fall von Rassismus erlebte Zita Moldovan kurz vor dem Abitur. Sie war eine der besten und beliebtesten Schülerinnen ihres Jahrgangs und deshalb die Vorzugskandidatin ihrer Kameradinnen und Kameraden, um die große Abitur- und Schulabschlussfeier zu moderieren. Der Schuldirektor sagte ihr jedoch ins Gesicht, es könne nicht angehen, dass eine "Zigeunerin" die Feier präsentiere. "Ich war schockiert und sagte ihm, dass ich das nicht akzeptieren werde", erzählt Zita Moldovan. "Ich habe dann eine schriftliche Umfrage gemacht. Weil ich beliebt war, wollten alle, dass ich die Feier präsentiere. Ich bin mit dem Abstimmungsergebnis zum Direktor gegangen, habe es ihm auf den Tisch gelegt und gesagt: 'So sieht es aus. Aber ich werde die Feier nicht moderieren, macht es allein!'"
Auch ihr Vater sei bestürzt gewesen, sagt Zita Moldovan. "Aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und meinte, der Abiturball sei es nicht wert, von mir moderiert zu werden, da ich für viel bessere Sachen gemacht sei."
Revolution im kurzen Rock
Die "bessere Sache" - das war für Zita Moldovan ein Studium an der Schauspielhochschule im siebenbürgischen Klausenburg (Cluj), auch wenn ihr Vater es lieber gesehen hätte, wenn sie sich für einen "stabileren Beruf" als für den einer Schauspielerin entschieden hätte.
Es war kurz nach der Jahrtausendwende, im zweiten Studienjahr, als Zita Moldovan das Angebot bekam, im Regionalfernsehen Klausenburg einmal im Monat eine Sendung für Roma zu moderieren. Sie sagte zu - und blieb dem Fernsehen seither treu, auch als sie 2005 in die rumänische Hauptstadt Bukarest umzog und dort verschiedene Roma-Sendungen moderierte.
Erst in ihren Studienjahren, sagt Zita Moldovan, habe sie angefangen zu verstehen, wie sich Rassismus und Antiziganismus in Rumänien manifestierten und wie sie sich auf Roma auswirkten - etwas, von dem sie als behütetes Einzelkind wenig gespürt habe. Zugleich, erzählt sie, sei sie als Fernsehmoderatorin, als sie mehr und mehr mit der politischen Roma-Bewegung in Kontakt gekommen sei, auf viele Dinge gestoßen, die ihr fremd gewesen seien. "Ich sollte zum Beispiel als Moderatorin einen langen Rock tragen, so wie es traditionelle Romnija tun. Aber ich bin nicht so aufgewachsen und wollte nicht etwas darstellen, was ich nicht bin, also habe ich die Fernsehsendung im kurzen Rock präsentiert." Zita Moldovan lacht: "Es war eine kleine Revolution."
Eleganz und Würde
Eine Art Seelenverwandtschaft fand sie in der feministischen Roma-Theatergruppe Giuvlipen, die sie 2013 zusammen mit der Schauspielerin Mihaela Dragan gründete und in der sie seitdem spielt. Aber das Feld, in dem sie sich schöpferisch am liebsten ausdrückt, ist Modedesign. Ihre erste Kollektion mit Namen "Romani Dreams" entwarf sie 2016, seitdem folgten ein halbes Dutzend.
Sie legt Wert darauf, dass ihre Mode nicht einfach exotischer Schick ist. "Meine Kleider sind von der traditionellen Mode der Roma inspiriert und in diesem Sinne Neuinterpretationen", sagt Zita Moldovan. "Ich mache aber nicht einfach irgendeine modische Kleidung, und ich hoffe, dass die Leute, die meine Sachen kaufen, das verstehen. Meine Kleidung hat einen politischen Kontext, ich erschaffe eine Vision und ich spreche in meinem Design über Geschichte, über Prinzipien und darüber, dass man bestimmte Kleidung nicht einfach so trägt."
Ihre Kunden kämen vor allem aus dem Ausland, sagt Zita Moldovan, in Rumänien habe sie nur wenige, und sie seien teils selbst Roma, teils Aktivisten. Es mag auch daran liegen, dass ihre Mode keinem Massengeschmack entspricht und eben auch politisch ist. Zita Moldovan selbst sagt: "In Rumänien werde ich schnell in die Schublade des Aktivismus gepackt - oder aber es interessiert die Leute nicht. Es gibt insgesamt sehr wenig Echo auf das, was ich mache."
Bukarest, ein Fabrikgelände im Süden der rumänischen Hauptstadt. Hier befindet sich auch das "Working Art Space and Production", ein Zentrum für alternative Kunst und Kultur, untergebracht in einem ehemaligen Betriebsgebäude. Gerade wird eine Ausstellung von Roma-Künstlern aus ganz Europa gezeigt, darunter sind Gemälde, Filme, Installationen - und besondere Kleider von Zita Moldovan. Die Eröffnung ist schon einige Zeit her, nun steht die Designerin vor ihren eigenen Kleidern und schaut sie an. Eines ist ein Frauenkleid, dessen obere Hälfte aus schwarzem, glänzendem Taft besteht, die untere Hälfte und ein Teil der Ärmel sind Stoff in warmem Rot mit Blumen und Mustern. Es ist ein Kleid, das Eleganz und große Würde ausstrahlt.
"Ich staffiere keine Leute aus"
Nachdem Zita Moldovan sich ihre Werke angesehen hat, sagt sie: "Es gibt hier in Rumänien immer wieder Leute, die sich an mich wenden und mich fragen, ob ich ihnen für ein Festival oder irgendein Event nicht einen schönen traditionellen Rock anfertigen kann, so wie ihn Romnija tragen. Aber sowas mache ich nicht. Ich staffiere keine Leute aus, und ich mag es nicht, wenn Leute sich kostümieren, ohne irgendetwas über uns zu wissen. Ohne zu wissen, dass wir früher Sklaven waren und ohne von dem Hass zu wissen, den diejenigen Romnija auf sich ziehen, die sich traditionell kleiden."
Nach einer Weile fügt sie hinzu: "Es wäre gut, wenn wir Roma auch im Bereich der Mode mehr Anerkennung erfahren würden. Viele große Modehäuser haben Symbole unserer Kultur wie zum Beispiel das Rad übernommen, und zwar ohne uns zu erwähnen. Ganz davon abgesehen, dass sie nie Stellung genommen haben gegen die Diskriminierung von Roma und gegen Rassismus. Das muss sich ändern."