"Wir Flüchtlinge können alles"
3. August 2016Fast geht seine Stimme unter. Im Blitzlichtgewitter der Fotografen, umringt von Journalisten, Kamerateams und etwas abseits seiner Teamkollegen hockt Yiech Pur Biel. Er spricht leise, wird öfters übertönt von der gut aussehenden syrischen Schwimmerin Ysra Mardini, die insbesondere von den TV-Teams mit Abstand die meiste Aufmerksamkeit bekommt. Yiech Pur Biel bleibt da eher im Hintergrund, auch weil sein Englisch nicht so gut ist wie das seiner Kollegin. Der 21-jährige Sudanese ist Teil der Flüchtlingsmannschaft, die kurz vor dem Auftakt der Olympischen Spielen in Rio ihre erste gemeinsame Pressekonferenz gibt. Biel floh 2005 vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat und scheint es immer noch nicht richtig glauben zu können, dass er nun bei Olympia starten darf.
DW: Was bedeutet es für Sie, hier in Rio dabei zu sein?
Yiech Pur Biel: Das bedeutet mir und dem ganzen Flüchtlingsteam sehr viel. Denn dies ist das erste Mal, dass eine Mannschaft wie wir an den Start geht. Und ich hoffe, dass wir all jenen Hoffnung geben können, die die Hoffnung auf ein besseres Leben verloren haben.
Sie starten im 800-Meter-Lauf gegen namhafte Konkurrenz. Wie sehen Sie Ihre Chancen?
Das kann ich schlecht sagen. Ich werde gegen echte Champions antreten. Aber wir alle im Flüchtlingsteam wollen unser Bestes geben, um der Welt zu zeigen, wir Flüchtlinge können alles, was andere Menschen auch können. Das ist unsere Hoffnung und auch die für Millionen Flüchtlinge.
Sie sind 2005 vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat Südsudan geflohen und lebten dann zehn Jahre in Kakuma, einem der größten Flüchtlingscamps der Welt. Erst vor rund einem Jahr fingen Sie mit Leistungssport an und sind nun bei Olympia. Wie oft haben Sie Ihre Geschichte hier schon erzählt?
Ich habe sie schon vielen erzählt. Ich habe den Sudan wegen des Krieges verlassen. Es kam zu Gefechten, als ich mein Dorf verließ. Ich habe meine Eltern dort zurückgelassen, und ich weiß bis heute nicht, wo sie sind. Wir haben uns nie wieder getroffen. Und wo immer auch sie sein mögen, es wird ihnen gut gehen. Wenn Gott es will, werde ich sie wiedersehen. Dennoch bin ich heute sehr glücklich, dass ich unter dem Schutz des UN-Flüchtlingswerks bin. Ohne diese Leute wäre ich heute nicht mehr am Leben. Ich verdanke den Vereinten Nationen sehr viel.
Laufen Sie hier auch für die UN und ihre Flüchtlingshelfer?
Ja. Als ich meine Familie verließ, haben sie mich aufgenommen, mich unterstützt. Ich lebe jetzt in Kenia. Dort habe ich unter den Flüchtlingen eine neue Familie gefunden.
Manche Kritiker sagen, das Flüchtlingsteam ist eine gute PR-Kampagne für das IOC in schwierigen Zeiten. Was sagen Sie dazu?
Das Flüchtlingsteam ist eine sehr gute Idee des IOC-Präsidenten (Thomas Bach, Anm. d. Red.). Denn unser Team zeigt doch: Alle Menschen sind gleich. Dies wollen wir der Welt zeigen. Wir sind alle sehr glücklich, dass das IOC uns diese Chance hier gibt.
Wie soll Ihre Geschichte weitergehen, wenn die Spiele in Rio beendet sind?
Auch nach den Olympischen Spielen will ich mein Training fortsetzen. Aber zudem will ich auch zur Schule gehen, damit ich eines Tages eine Universität besuchen kann. Ich möchte lernen, um die Dinge eines Tages zu ändern, auch für meine Flüchtlingsfreunde. Ich möchte dadurch ein besserer Mensch werden.
Yiech Pur Biel ist 21 Jahre alt und stammt aus Nasir im Südsudan. 2005 floh er vor dem Bürgerkrieg und kam in Kenia in einem Flüchtlingscamp unter. Dort hörte er von der Tegla Loroupe Stiftung, die Sportwettbewerbe organisierte. Er nahm teil - auch wenn ihm anfangs Schuhe fehlten - und qualifizierte sich dank guter Leistungen für das internationale Flüchtlings-Team, das das IOC erstmals bei den Olympischen Spielen antreten lässt.
Das Interview führte Joscha Weber.