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"Das IOC muss flexibler werden"

Astrid Prange3. August 2016

Die Zahl der Olympia-Bewerber wird immer kleiner. Das IOC muss seine Standards senken und die Länder stärker finanziell unterstützen, fordert der deutsche Sportökonom und Athlet Wolfgang Maennig im DW-Interview.

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Brasilien Olympische Ringe unter der Brücke in Sao Paulo (Foto: Reuters/P. Whitaker)
Bild: Reuters/P. Whitaker

Deutsche Welle: Muss das IOC bei der Vergabe von Olympischen Spielen künftig seine Anforderungen an die Gastgeberländer zurückschrauben?

Wolfgang Maennig: Absolut. Das wird die große Aufgabe des IOCs in der Zukunft sein. Es muss bei den Auflagen flexibler zu sein und zum Beispiel Stadien zulassen, die nicht dem bisherigen olympischen Standard entsprechen. Damit meine ich nicht die Länge der Schwimmbahnen, die wird man nicht wegdiskutieren können. Aber es geht los bei der Zahl der Zuschauer und Entschuldigung, auch bei den Sicherheitsstandards. Alles, was das IOC fordert, ist schweizerischer oder deutscher Standard, und das ist nun mal nicht so, wie der Rest der Welt bauen möchte. Die werden da runter kommen müssen. Der Preis dafür ist, dass man bei Olympia-Schwimmwettbewerben eventuell mit 8000 Zuschauern auskommen muss. Da wird es natürlich lange Gesichter geben.

Stimmt es, dass Investitionen für Olympische Spiele zu Lasten von anderen öffentlichen Ausgaben gehen?

Ja natürlich. Ein Staat kann von seinem Budget jeden Euro nur einmal ausgeben. Und das insbesondere heute, wo wir in vielen Ländern der Welt eine gesetzliche Schuldenbremse haben, so wie in Europa, oder eine faktische Schuldenbremse über die Finanzmärkte, die schlichtweg nicht mehr bereit sind, weitere Kredite zu vergeben. Da ist es völlig klar, dass sich der Staat genau überlegen muss, was er in Olympia hineinsteckt und was er dafür anderweitig einspart. Das war übrigens auch in Hamburg der Fall, (Anmerk. d.Red. In Hamburg wurde die Bewerbung um die Olympischen Spiele per Volksabstimmung im November 2015 abgelehnt), ist aber immer wieder verbrämt worden.

Wolfgang Maennig, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Hamburg (Foto: picture-alliance/dpa/C.) Charisius
IOC und Fifa müssen flexibler werden, fordert Sportökonom Wolfgang MaennigBild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

Warum beteiligt sich das IOC nicht stärker an den Kosten der Olympischen Spiele?

Das IOC finanziert über die Hälfte der Organisationsausgaben. Die Städte erfahren schon bei ihrer Bewerbung, wie hoch der Zuschuss vom IOC sein wird. Dann gibt es noch eine charmante Formulierung in den Regularien, nämlich, dass bei unvorhersehbaren Problemen flexibel reagiert wird. Das ist jetzt in Rio der Fall. Das macht nicht nur das IOC, das macht auch der Weltfußballverband FIFA. Dennoch lassen sich IOC und FIFA von dem jeweiligen Gastgeberland eine Garantie geben, dass dieses alle Defizite trägt. Veranstaltungen von IOC und FIFA müssen aus Imagegründen immer mit einem Plus enden.

Aber die Kosten für die Organisation sind wesentlich geringer, als die Investitionen in die Infrastruktur, die die Ausrichtung einer Olympiade erfordert….

In der Tat. Die riesigen Kosten, die Olympia verursacht, ergeben sich aus dem Bau von Häfen, Flughäfen, Straßen, U-Bahnen und Olympischen Dörfern. Diese Infrastrukturmaßnahmen haben eigentlich nicht so viel mit Olympia zu tun, sie wären meistens sowieso schon dringend notwendig gewesen. Aus Anlass der Olympischen Spiele kann man sie früher und schneller umsetzen, oder einfacher finanzieren. An diesen Maßnahmen will sich das IOC nicht beteiligen. Das kann ich als Sportler nachvollziehen.

Die olympischen Sportstätten Modelle Rio 2016 Parque Olimpico
Nur als Modell schön? Die hohen IOC-Standards für Sportstätten bedeuten für Rio eine enorme finanzielle BelastungBild: Divulgação/Prefeitura do Rio de Janeiro

Andererseits, wenn das Komitee sicherstellen will, dass sich auch künftig genügend Städte aus demokratischen Ländern für die Ausrichtung der Spiele bewerben, muss es flexibler werden. Es ist ja offensichtlich so, dass alle Umfragen gegen Olympia ausgehen. Das Referendum in Hamburg ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Wir kommen da im Augenblick bei der Bevölkerung nicht durch. Die Menschen sehen nicht ein, dass für Olympia so viele Ausgaben erfolgen sollen. Deshalb werden die Olympische Familie und auch die FIFA vielleicht auch sagen müssen: Wir finanzieren ein Stadion und die Infrastruktur bezahlen wir auch noch. In diese Richtung wird es wahrscheinlich gehen.

Es wäre also sinnvoll, wenn das IOC in Zukunft seine Zuzahlungen an das jeweilige lokale Organisationskomitee aufstockt?

Das ist die Idee. Bis jetzt ist es so, dass mit dem Budget des Organisationskomitees nur temporäre Baumaßnahmen finanziert werden dürfen. Dies bedeutet, dass es möglich ist, ein Olympiastadion mit einer vorübergehenden Kapazität von bis zu 80.000 Zuschauern zu bauen und es danach wieder auf 20.000 Zuschauer zu verkleinern. Die Finanzierung eines Olympiastadions, das dauerhaft 20.000 Zuschauer hat, ist aber nicht möglich. Damit wird die Perversion ein bisschen deutlich. Hier ist ein Punkt erreicht, wo man sich fragen könnte, ob es nicht sinnvoll wäre, wenn das IOC sagt: "Das Olympiastadion mit 20.000 Zuschauern, das ihr braucht, das finanzieren wir euch. Das ist unser Geschenk an die Ausrichterstadt". Das müsste meines Erachtens möglich sein.

Vielleicht ist es ja nach Rio möglich…

Ja, das wird kommen. Denn das IOC merkt, dass es nicht mehr genug Bewerbungen aus demokratischen Staaten bekommt. Jetzt wird vielleicht auch noch die Bewerbung von Rom für 2024 wegfallen. Das IOC wird sich etwas ausdenken müssen, wie es das Ausrichtungs-Konzept so verändert, dass die Mehrheit der Bevölkerung in mindestens drei bis vier Städten für Olympia ist. Als Rio die Spiele bekam, war die Bevölkerung begeistert. Es wäre gut gewesen, wenn es damals eine Volksabstimmung gegeben hätte, die Politiker hätten sie gewonnen. Aber ein Volk kann auch irren.

Das Gespräch führte Astrid Prange.

Wolfgang Maennig, 56, beteiligte sich an den Olympia-Bewerbungen für Berlin (2000), Leipzig (2012) und München (2018). 1988 war er Olympiasieger im Rudern in Seoul. Er lehrt Sportökonomie und Wirtschaft an der Uni Hamburg und wirkt als Experte am achten internationalen Sport Business Symposium am 18. August in Rio mit.