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Eine Sache der Einstellung

DW Kommentarbild Sarah Wiertz
Sarah Wiertz
1. August 2016

Gerade erst ins olympische Programm aufgenommen, steht Golf bereits in der Kritik. Die zahlreichen Absagen der weltbesten Spieler sorgen für Unmut. Doch das IOC muss sich nicht wundern, meint DW-Redakteurin Sarah Wiertz.

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Rory McIlroy. Foto: dpa-pa
Rory McIlroyBild: picture alliance/empics/A. Davy

Der Vorzeigeprofi ist derzeit der Buhmann: Rory McIlroy, irischer Golfspieler und derzeit Nummer vier der Weltrangliste, hat sich verplaudert. Nachdem der 27-Jährige seinen Olympia-Verzicht offiziell mit der Angst vor dem Zika-Virus begründet hatte, sagte er nun, dass Golf bei den Olympischen Spielen belanglos ("does not matter") sei und er das olympische Turnier nicht einmal im Fernsehen anschauen werde.

Das war in dreifacher Hinsicht unklug. Erstens: Der Golfsport hat es seit 112 Jahren Abstinenz gerade erst wieder ins Olympische Programm geschafft. Zweitens: McIlroy missbraucht die Angst um die Gesundheit anderer Teamkollegen offensichtlich als Vorwand - angeblich soll er stattdesssen mit seiner Freundin auf die Bahamas fliegen, wo die Zika-Gefahr mindestens genau so hoch ist. Und drittens: Als millionenschwerer Profi hat er die olympische Idee nicht verstanden.

Die ersten vier der Weltrangliste fehlen

Den letztgenannten Vorwurf auch den anderen Golfprofis anzukreiden, fällt auf den ersten Blick leicht. Schließlich haben in keiner anderen Sportart so viele Athleten abgesagt wie beim Golfen: Rund 20, darunter die ersten vier der Weltrangliste der Herren. Es scheint fast, dass ihr Terminkalender zu voll ist und die Olympischen Spiele nicht lukrativ genug für sie sind. Und es verwundert, dass so gut wie keine Golfspielerin absagt, obwohl doch der Zika-Virus für weibliche Sportler unmittelbar gefährlicher ist als für Männer. Zudem spielen die Profis offensichtlich ruhigen Gewissens in anderen Regionen, wo das Virus derzeit auch grassiert.

DW-Sportredakteurin Sarah Wiertz. Foto: DW
Sarah Wiertz, DW Sport

"Wir werden Winter haben. Bereits heute haben wir in Florida ein höheres Risiko, mit Zika infiziert zu werden, als in Rio", erklärt Mario Andrada, Sprecher des Organisationskomitees der Sommerspiele. Keine Frage: Die Angst der jungen Sportler vor einer Infektion ist real und zu respektieren. Man hätte sich seitens des IOC einen emphatischeren Umgang mit diesem Thema gewünscht. Umso verhängnisvoller ist in diesem Zusammenhang die Aussage Rory McIlroys.

Für den Golfsport selbst sind die zahlreichen Absagen für Rio fatal. Erstmals seit 1904 ist die oft als elitär verschriene Sportart wieder im olympischen Programm - um möglicherweise für die nächsten Sommerspiele in Tokio gleich wieder gestrichen zu werden. Dass die zahlreichen Absagen der Topstars schon jetzt viele Minuspunkte für die Überprüfung zur weiteren Teilnahme bringt, hat IOC-Präsident Thomas Bach bereits durchblicken lassen: "Es trägt nicht zur Attraktivität des Golf-Turniers bei."

Worum geht es?

Aber genau das ist das grundsätzliche Problem. Die Olympischen Spiele müssen nicht attraktiv sein. Es geht nicht um Sponsoren-, Fernseh- oder Antrittsgelder. Es geht nicht um Rekorde. Und es geht nicht um Namen. Es geht allein um den Spaß an einer Sportart und einer Lebensphilosophie, die auf "der Freude an der Leistung, auf dem erzieherischen Wert des guten Beispiels, der gesellschaftlichen Verantwortlichkeit sowie auf der Achtung universell gültiger fundamentaler moralischer Prinzipien" aufbaut - so steht es in der Olympischen Charta.

Wenn diejenigen Golfer, die in Rio antreten, diese Einstellung mitbringen, wunderbar. Ob dann im Stechen Dustin Johnson gegen Rory McIlroy antritt oder Tommy Fleetwood (153. der Weltrangliste) gegen Kyounghoon Lee (258.), sollte egal sein. Hauptsache, es ist ein ehrlicher Wettkampf. Das ist naiv? Nein. Es ist reine Einstellungssache. Aber eben diese Einstellung ist uns abhanden gekommen. Dem Internationalen Olympischen Komitee. Den Sportlern. Den Zuschauern. Den Medien.

Wir alle spielen mit

Das Gros der Journalisten berichtet fast nur über die Sieger, stilisiert sie zu Superstars - das macht Quote. Die meisten Zuschauer wollen passiv unterhalten werden und erwarten von ihren Athleten immer neue Rekorde. Viele Sportler nutzen die Olympischen Spiele, um endlich mediale Anerkennung zu finden und ihre eigene Marke anzukurbeln. Und das IOC hat das Sportfest zum aufgeplusterten Event verschandelt, aus dem immer mehr Geld heraus gepresst werden muss - und macht sich dadurch selbst erpressbar. Seitens der Sponsoren, die immer mehr Mitsprache haben.

Und die Geldgeber wollten einst einen Tiger Woods bei den Olympischen Spielen sehen, jetzt eben einen Rory McIlroy. Oder einen der anderen von ganz vorne: Jason Day, Dustin Johnson oder Jordan Spieth - eben einen der Superstars, die sie finanziell unterstützen. Unter anderem wegen der prominenten Namen und der finanzstarken Sponsoren ist Golf in das olympische Programm aufgenommen worden. Weil es Quote und Geld versprochen hat.

Golfer schlägt beim US Masters in Augusta ab. Foto: Getty Images
Golf: Auch in Tokio 2020 noch olympisch?Bild: Getty Images/D. Cannon

Faszinierende Sportart

Schon vor dem ersten Abschlag hat der Golfsport an olympischem Glanz verloren. Bleibt zu hoffen, dass möglichst viele der in Rio antretenden Golfprofis mit ihrem Spiel und ihrem Auftreten demonstrieren, das Golf eine faszinierende Sportart ist, um die es sich - ehrlich und transparent - zu kämpfen lohnt. Auf dem Rasen. Und beim IOC.

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Sarah Wiertz Teamleiterin Sport Online