Wie kanzlertauglich ist der nächste CDU-Parteichef?
15. Januar 2021Wenn im Herbst die Deutschen den nächsten Bundestag wählen, wird Angela Merkel 16 Jahre im Amt hinter sich haben. Sie hat drei US-Präsidenten kommen und gehen sehen, es mit fünf britischen Premierministern und sieben italienischen Ministerpräsidenten zu tun gehabt. In den vielen Krisen dieser Zeit galt sie als Fels in der Brandung, von der europäischen Staatsschuldenkrise bis zur Corona-Pandemie. Es sind also große Fußstapfen, in die ihr Nachfolger treten wird.
Zwar geht es beim virtuellen Parteitag offiziell gar nicht um Merkels Nachfolge. Gekämpft wird da "nur" um den CDU-Vorsitz. Aber da die Union in den Umfragen seit Monaten mit Abstand stärkste Partei ist, wird die Frage der Kanzlerschaft automatisch mitgedacht: Wer CDU-Chef wird, muss grundsätzlich kanzlertauglich sein.
Katholische Männer aus NRW
Drei Kandidaten stehen für den CDU-Vorsitz zur Wahl und wollen die glücklose Annegret Kramp-Karrenbauer beerben: der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet und der Außenpolitiker Norbert Röttgen.
Was die Konkurrenten gemeinsam haben: Alle drei sind katholische Männer und Familienväter aus Nordrhein-Westfalen. Politisch vertreten sie alle einen Kurs der Mitte: Die CDU soll sich scharf sowohl zur rechten AfD als auch zur Linkspartei abgrenzen.
Auch teilen sie die Sorge um die Zukunft ihrer Partei, die sozialen Veränderungen oft hinterherhinkt. "Sind wir repräsentativ für die Gesellschaft? Antwort: nein", sprach es Laschet kürzlich vor CDU-Mitgliedern offen aus. Alle drei wollen als Konsequenz mehr junge Leute, mehr Frauen und mehr Menschen mit Migrations-Hintergrund gewinnen, als Funktionsträger und als Wähler. Über Migranten sagte Laschet: "Wenn wir die dazugewinnen, haben wir eine Chance, auf Dauer Volkspartei zu bleiben."
Alle drei Kandidaten wollen auch mehr Digitalisierung und mehr Klimaschutz, diesen aber mit einer starken Wirtschaft verbinden.
"Erkennbarkeit, Wählbarkeit, Erneuerung"
Bei allen Gemeinsamkeiten hat jeder seine besonderen Schwerpunkte: Laschet legt großes Gewicht auf soziale Gerechtigkeit und innere Sicherheit. Röttgen, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, fordert mehr Verantwortung Deutschlands in Europa und der Welt. "Wir sind die internationale Partei, die europäische Partei, die transatlantische Partei. Das müssen wir neu füllen", erklärte Röttgen vergangene Woche vor CDU-Funktionären. Merz gilt als Vertreter der Wirtschaft und steht für eine Stärkung des konservativen Profils; von ihm erwarten sich seine Unterstützer, dass er Wähler von der AfD zurückholt.
Der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun bringt die Unterschiede auf die Formel: "Merz steht eher für mehr Erkennbarkeit der Partei, Laschet für Wählbarkeit in der politischen Mitte, Röttgen für Erneuerung."
Kein ewiger Merkel-Bonus
Eine weitgehend nahtlose Fortsetzung der Politik Merkels bekäme man vermutlich von Laschet. So hat der NRW-Landeschef die Kanzlerin in ihrer umstrittenen Flüchtlingspolitik ebenso vorbehaltlos unterstützt wie in ihrer Öffnung der Partei nach links. Vielleicht deshalb hat Merkel erkennen lassen, dass sie Laschet favorisiert.
Merz, der Kramp-Karrenbauer bei deren Wahl zur Parteichefin vor gut zwei Jahren nur knapp unterlegen war, würde die CDU vermutlich am meisten verändern. Er hat die Partei aufgefordert, aus dem Schatten Merkels herauszutreten. Sie habe der CDU durch ihr gutes Corona-Management hohe Umfrageergebnisse beschert. Aber, so Merz in einer CDU-Digitalkonferenz vor wenigen Tagen: "Wir werden am 26. September nicht aus Dank für die Vergangenheit gewählt, sondern mit Erwartungen und Hoffnungen für die Zukunft."
Knappes Rennen
Doch was will und was braucht die Partei - eher Erneuerung oder Fortsetzung der Merkel-Politik ohne Merkel? Uwe Jun glaubt, die Frage lasse sich nicht pauschal beantworten, das hänge von der Perspektive ab. Jedenfalls: "Die CDU hat sich in ihrem Selbstverständnis immer als wählerwirksame Regierungspartei verstanden. Nimmt man dies zum Maßstab, stellt Laschet das geringste Risiko dar."
Laschet ist der einzige, der im Moment ein Regierungsamt innehat. Merz hatte nie eins. Und Röttgen wurde 2012 von Merkel als Umweltminister spektakulär entlassen: Er war bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl als Kandidat krachend gescheitert, wollte sich aber seinen Berliner Ministerposten warmhalten, statt Oppositionsführer in Düsseldorf zu werden.
Die Frage der Regierungserfahrung scheint aber weder Laschet zu nützen noch den anderen zu schaden. Denn Merz liegt in den Umfragen mit knapp 30 Prozent vorn; Röttgen unter CDU-Wählern gleichauf mit Laschet bei rund 25 Prozent. Bei den Deutschen insgesamt ist Röttgen sogar an Laschet vorbeigezogen.
Die Deutschen wollen einen anderen
Das Entscheidende aber ist: In der Frage der Kanzlerkandidatur erreicht keiner von ihnen Spitzenwerte. Gesundheitsminister Jens Spahn, der offiziell Laschet unterstützt, steht auf der Beliebtheitsskala sehr viel weiter oben. Der erst 40-jährige schwule Politiker würde schon allein durch seine Person etwas Neues in die CDU bringen. Eine Kanzlerkandidatur schließt Spahn aus, aber nur für den Moment.
Und noch besser sieht es für einen Politiker aus, der gar nicht zur CDU gehört, sondern Chef der bayerischen Schwesterpartei CSU ist: 55 Prozent der Deutschen insgesamt und zuletzt sogar 80 Prozent der Unionsanhänger sehen den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder als guten Unions-Kanzlerkandidaten. Der sagt zwar immer wieder "Mein Platz ist in Bayern." Ob er sich aber verweigern würde, falls die CDU ihm die Kanzlerkandidatur anträgt, ist eine offene Frage.