Wie die AfD nationale Symbole kapert
17. Juni 2018Die "Alternative für Deutschland" (AfD) versucht seit ihren Anfangstagen vor fünf Jahren, sich in die Tradition der deutschen Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts einzureihen. Schon Parteigründer Bernd Lucke appellierte an den "Geist der bürgerlichen Revolution von 1848".
"Die AfD will sich damit eine ehrwürdige Geschichte geben", sagte der Historiker und renommierte Experte für Nationalismus und Liberalismus Dieter Langewiesche im DW-Interview. "Wenn man sich auf die eigene Geschichte beziehen kann, macht einen das im öffentlichen Ansehen irgendwie glaubwürdig." Das stecke als Motivation wohl hinter dem Vorgehen der AfD.
Seit Neuestem kommt als für die AfD wichtiges Ereignis die deutsch-deutsche Wiedervereinigung hinzu. Bei der sogenannten "Erklärung 2018" vom März dieses Jahres fordern AfD, Rechtsintellektuelle und ehemalige Bürgerrechtler der Revolution in der DDR von 1989, dass "die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird". Eine der Erstunterzeichnerinnen des Aufrufs, Vera Lengsfeld, wirbt auf ihrer Internetseite mit dem Zitat "Die DDR-Bürger haben es 1989 vorgemacht! Wenn der Macht die Legitimation entzogen wird, ist sie machtlos!"
Ein weiteres Beispiel für die Strategie der AfD, an die Tradition der deutschen Nationalbewegung anzuknüpfen, ist das "Wartburgfest", zu dem sich jüngst der Partei-Nachwuchs von der "Jungen Alternative" am Fuße der Wartburg in Thüringen traf. 1817 protestierten die noch jungen Studentenverbindungen gegen das Establishment, den Adel, und für die deutsche Einheit. Die deutschen Nationalfarben, Schwarz-Rot-Gold, wurden hier populär.
Auch das"neue Hambacher Fest", das die AfD im Mai auf dem gleichnamigen Schloss in Rheinland-Pfalz veranstaltete, fügt sich in den Trend ein. Auf dem Schloss wurden 1832 nationale Einheit, Freiheit und Volkssouveränität gefordert. Das Fest gilt als ein Höhepunkt bürgerlicher Opposition. Einer der beiden AfD-Chefs, Jörg Meuthen, sagte dort in altmodischem Deutsch über die Ziele seiner Partei: "Wir werden uns auf jedem demokratischen und rechtsstaatlichen Wege erwehren, bis wir obsiegt haben."
Zum ehemaligen deutschen Nationalfeiertag am 17. Juni hat die AfD nun landesweit einen "Tag der Patrioten" ausgerufen, unter anderem an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Im Dorf Mödlareuth, das als "Little Berlin" international bekannt ist, weil auch dieser Ort zu Zeiten der deutsch-deutschen Teilung 1961 bis 1989 von einer Mauer geteilt war. Der 17. Juni war bis 1990 "Tag der deutschen Einheit" zur Erinnerung an den Volksaufstand in der DDR 1953.
AfD will eigene Traditionslinie ziehen
Die AfD gehe "raffiniert" vor, so Langewiesche. "Sie knüpfen an nationale Traditionen an, die als fortschrittlich oder bewahrenswert gelten, wie das Hambacher Fest." Dunkle Phasen der Geschichte, die irgendwie "anrüchig sein könnten", versuche man dagegen zu relativieren. Vor allem von Adolf Hitler, den Nationalsozialisten und dem angeblichen "Schuldkult" will sich die AfD befreien. Positiv- gegen Negativliste laute das Prinzip. Die "Vogelschiss"-Rede des AfD-Chefs, Alexander Gauland, vom Anfang des Monats sei ein Beispiel dafür.
Doch die AfD will mit ihrer selbst geschaffenen Traditionslinie mehr. Es geht nicht nur um das kurzfristige Image der Partei, sondern um die langfristige Frage, was den Kern der Partei ausmacht. Bürgerlich-Liberal? Nationalkonservativ? Libertär? Der AfD geht es vor allem um ein neues Nationalgefühl - dafür sucht die AfD historische Ankerpunkte. Dass nämlich die Vergangenheit eine "erfolgreiche 1000-jährige deutsche Geschichte" sei, wie Gauland in seiner Rede sagte.
Patriotismus - nur ein Trojanisches Pferd für Nationalismus
Auch die Wortwahl der Partei-Granden untermauert diese Strategie. Der einflussreiche umstrittene Vordenker der Partei, Björn Höcke, will die AfD langfristig zu einer "sozial-patriotischen Partei" formen. "Höcke sagt zwar Patriotismus, weil er weiß, dass sich das freundlicher anhört", sagte der Rechtsextremismus-Experte Carsten Koschmieder im DW-Interview. "Er meint damit aber keinesfalls einen Verfassungspatriotismus, sondern alten Nationalismus", sagt der Politologe. "So wie die Rechtsextremen heute nicht mehr von 'Rassen', sondern 'Kulturen' sprechen - aber das gleiche meinen wie früher". So wüssten Gauland, Höcke und Co., "dass man heute besser Patriotismus sagt".
Verfassungspatriotismus beschreibt in Deutschland das Maß der Vaterlandsliebe. Es geht dabei um einen an übernationalen Werten und Grundrechten orientierten Patriotismus. Höcke gab jüngst bei einer Veranstaltung des Parteinachwuchses öffentlich zu: Verfassungspatriotismus springe zu kurz.