Gazas Abriegelung
17. Januar 2013Er ist 40 Kilometer lang, 10 Kilometer breit und das Zuhause für mehr als 1,5 Millionen Palästinenser: der Gazastreifen. Als hier 2006 der israelische Soldat Gilad Schalit entführt wurde und im Jahr darauf die Hamas die Kontrolle übernahm, verhängte die israelische Regierung als Reaktion auf diese Geschehnisse eine strenge Blockade über den Küstenstreifen. Die radikal-islamische Hamas sollte isoliert und geschwächt werden. Seither leiden die Bewohner unter einer eingeschränkten Bewegungsfreiheit, die Wirtschaft ist eingebrochen und die Arbeitslosigkeit liegt nach Angaben von UNDP, dem Entwicklungshilfeprogramm der Vereinten Nationen, bei über 45 Prozent. Gaza sei mittlerweile ein großes Freiluftgefängnis, sagt Salah Abdel Shafi im Gespräch mit der Deutschen Welle, der Botschafter der Palästinensischen Mission in Deutschland.
Jahrelange Öffnung des Gazastreifens
Doch das war nicht immer so: "Als Israel nach dem Sechstage-Krieg 1967 den Gazastreifen und das Westjordanland besetzte, betrieb die damalige israelische Regierung eine Politik der wirtschaftlichen Integration zwischen Israel, Gaza und dem Westjordanland", sagt Sari Bashi, Leiterin der israelischen Organisation Gisha gegenüber der DW. Die NGO setzt sich für Bewegungsfreiheit der Palästinenser in Gaza ein.
Die Industrie sei damals so angelegt worden, erinnert die Menschenrechtlerin weiter, dass sie den Bedürfnissen Israels und denen des Westjordanlandes gleichermaßen gerecht wurde. Viele Bewohner Gazas waren damals auf Israel als Arbeitgeber angewiesen. Bis Anfang der 1990er Jahre war das auch kein Problem: Bis dahin existierte vollständige Bewegungsfreiheit.
Sukzessive Abriegelung begann 1991
Doch 1991 begann Israel damit, diese Freiheit der Palästinenser in Gaza einzuschränken - unter dem Eindruck der ersten Intifada, dem Aufstand der Palästinenser gegen die israelische Besatzung. Hinzu kamen die vorangegangene Gründung der Hamas und der erste Golfkrieg. "Danach konnte man eine langsame Abriegelung des Gazastreifens beobachten", so Sari Bashi von Gisha. Zuerst wurden Magnetkarten eingeführt. Dann mussten die Arbeiter, die nach Israel wollten, eine Genehmigung beim israelischen Militär beantragen. Unter der Regierung Jitzhak Rabins wurde 1995 eine physische Barriere errichtet: der Gazastreifen wurde eingezäumt.
Mit Beginn der Zweiten Intifada im Jahr 2000 durfte die gesamte Bevölkerung Gazas nur noch sehr eingeschränkt nach Israel und das Westjordanland einreisen. Während dieser Zeit begann auch der Raketenbeschuss auf Israel. Denn Gaza, so der israelische Historiker Moshe Zimmermann, sei schon immer Hamas-orientiert gewesen. Studenten wurde fortan das Studium im Westjordanland verweigert - dieses Verbot gilt auch heute noch. "Die israelische Regierung sagt, sie wolle vermeiden, dass sich Palästinenser aus Gaza im Westjordanland aufhalten, damit sie keine terroristischen Strukturen in das Westjordanland importieren", sagt Sari Bashi.
Hamas ist der Feind
2005 dann gab die Regierung unter Ariel Sharon alle Siedlungen im Gazastreifen auf. Man habe damit auch die Besatzung aufgegeben, hieß es von israelischer Seite, "um maximale Sicherheit zu schaffen und die Reibung zwischen Israelis und Palästinensern auf ein Minimum zu reduzieren". Doch die Reibung reduzierte sich nicht: Seither gibt es immer wieder Diskussionen darüber, ob die israelische Regierung den Gazastreifen noch besetzt hält oder nicht. "Die EU, Großbritannien und auch die Vereinten Nationen sind der Ansicht, dass Israel - gemäß der Definition von Besatzung - noch immer eine Verantwortung gegenüber den Menschen im Gazastreifen hat - gerade weil es die Hoheit über viele wichtige Aspekte inne hält", sagt Bashi. Israel kontrolliert die Landesgrenze zu Gaza, den Luft- und den Seeweg. Mit dem Wahlsieg der Hamas 2006 wurde Gaza dann endgültig abgeriegelt. Militante Palästinenser feuerten als Antwort Raketen auf Israel.
Bis einschließlich 2010 waren die Grenzen hermetisch abgeriegelt, niemand kam rein oder raus. Seit 2010 erst können die Bewohner über Ägypten ausreisen, dürfen ihre Waren aber nur in wenige EU-Länder oder Golfstaaten exportieren. Wichtigster Absatzmarkt war für sie allerdings immer Israel und auch das Westjordanland. "Die Haltung Israels gegenüber Gaza hat sich so sehr radikalisiert, als die Hamas 2007 die Macht übernommen hat", sagt Historiker Zimmermann. Die Hamas hat sowohl den Krieg mit Israel 2008/2009 überlebt als auch die Militär-Offensive im November 2012. Die Bewohner des Gazastreifens allerdings leiden weiterhin unter der seit Jahrzehnten anhaltenden Abriegelung.