Wie Bangladesch unter Rohingya Ängste schürt
22. August 2019Sie tragen Klemmbretter und Schirme, um sich vor der sengenden Sonne zu schützen: die drei Helfer, die sich ihren Weg duch die schmale Gasse bahnen, die von Hütten aus Planen und Wellblech gesäumt wird. Kinder huschen vorbei, als sich die Helfer in die Unterkünfte aufmachen. Sie gehören zu einem von zehn Teams, die eine schwierige Aufgabe haben: Sie sollen den 3091 Bewohnern des weitläufigen Camps 29 die Nachricht überbringen, dass sie "ausgewählt" sind. Ihre Namen stehen auf einer Liste der Flüchtlinge, die nach Myanmar zurückgeschickt werden sollen.
Camp 29 ist einer von mehreren Zufluchtsorten nahe der Küstenstadt Cox's Bazar in Bangladesch. Zusammengenommen ist das hier die größte Flüchtlingssiedlung gegenwärtig auf der Welt.
3500 Asylbewerber wurden insgesamt bestimmt, die in das Land zurückkehren sollen, aus dem sie vor zwei Jahren geflohen sind. Geflohen infolge der Militäraktionen und infolge dessen, was die Vereinten Nationen (UN) als beispielhaft für "ethnische Säuberungen" bezeichnet haben.
Das Lager ist besser als die Heimat?
Die bengalischen Behörden haben Flugblätter verteilt, in burmesischer und englischer Sprache, Bilder von lächelnden Rohingya-Familien sind darauf zu sehen. Es wird viel versprochen: zum Beispiel die Möglichkeit, die Staatsbürgerschaft zu erwerben. Oder neue Wohnungen für diejenigen, die ihr Zuhause verloren haben.
Eines der Faltblätter zeigt die Aufnahme einer Frau mit Kopftuch, die eine Karte in Händen hält. "Ich bin ein Einwohner Myanmars", lautet die Bildunterschrift. Wer mit den Beamten in dem Lager spricht, erfährt, dass die Flugblätter von der Regierung Myanmars zur Verfügung gestellt worden seien.
Die Rohingya-Lager in Cox's Bazar wurden mit Geld der UN und mehreren internationalen Organisationen unterstützt. Man hat Grundschulen eingerichtet, die Gesundheitsversorgung verbessert. An den Hauptstraßen hier sind sogar einige kleine Geschäfte entstanden. Rikschas bringen dort Bewohner an ihr Ziel.
Aber Arbeit? Die gibt es hier kaum. Die jungen Leute in den Unterkünften haben schlicht nichts zu tun. Und jetzt, da die Rückführung droht, wächst auch die Sorge, dass sich die Sicherheitslage hier deutlich verschlechtert. Doch die Flüchtlinge sagen dessen ungeachtet, dass ihr Leben in Cox's Bazar besser ist als in Myanmar.
Rohul zum Beispiel, ein 60-jähriger Mann, will auf keinen Fall zurück. "Sie haben uns getötet, sie haben unser Land verbrannt", sagt er, umringt von anderen Lagerbewohnern. Etwas weiter, in einer dunklen Hütte, sitzt Nur, ein eloquenter junger Mann, 21 Jahre alt. Er hatte einen eigenen Gemüseladen in Myanmar. Nun ist er hier, seine Frau versteckt sich vor den Reportern hinter einer Trennwand. "Ich heule, wenn ich mir ansehe, wie mein Land heute aussieht. Aber ich kann nicht zurück. Ich würde getötet werden."
Willkürliche Auswahl
Es ist unklar, wer die Namenslisten zusammengestellt hat, die hier kursieren. Die DW hat bei Hilfsorganisationen nachgefragt, doch auch da weiß man nicht, wie das Auswahlverfahren abgelaufen ist. Stattdessen äußert man uns gegenüber die Vermutung: Es handelt sich um eine Art diplomatischen Schritt Bangladeschs, den Druck auf Myanmar zu erhöhen.
Mehreren Quellen zufolge hat die bengalische Regierung eine Liste mit insgesamt 22.000 Namen nach Myanmar geschickt. Die dortigen Behörden haben dann - nach diesen Informationen - 3450 Personen ausgewählt.
Nun ist es am UNO-Flüchtshilfswerk UNHCR zu überprüfen, ob die Ausgewählten freiwillig nach Myanmar zurückkehren. Beamte betonen wieder und wieder, dass niemand gezwungen wird, zu gehen. Aber die Flüchtlinge hier wollen das nicht glauben.
"Dann bringen wir uns um"
Inzwischen hat sich vor den Zelten eine Gruppe von Frauen versammelt. Es hat sich herumgesprochen, dass Reporter da sind. Manche Frauen halten ihre Babies im Arm, und alle, alle haben ihr Gesicht verschleiert. Ihre Wut ist zu spüren, und die ganze Frustration. "Wir wurden vergewaltigt, wir wurden missbraucht, wir werden nicht nach Hause gehen", rufen sie. Umstehende klatschen Beifall. Und da lüftet eine der Frauen ihren Schleier und sagt: "Wenn Du uns zwingst, zurückzugehen, dann bringen wir uns um."
Ein Polizist erscheint und versucht, die Menge zu beruhigen. Auch seine Versicherung, dass die Regierung die Rohingya nicht gegen ihren Willen zurückschicken werde, kommt bei den Menschen nicht an. Das Gebrüll geht weiter. Ein Mann reißt sein Hemd auf und schlägt sich auf die Brust: "Wenn ich zurückkehren muss, dann erschieße ich mich jetzt."
Und so weisen die Helfer darauf hin, dass die Rückführungsbemühungen Angst und Frust unter den Flüchtlingen auslösen. Und dass noch mehr Frauen, Männer und Kinder in die Arme von Menschenhändlern getrieben werden, die ein besseres Leben in Malaysia versprechen. Das endet dann oft auf klapprigen Booten im Indischen Ozean.
Die Rückführung werde so verlaufen wie der erste Versuch im vergangenen Jahr, erwarten die Helfer hier. Nicht ein einziger Flüchtling erschien freiwillig.