Wer hat künftig das Sagen in der AfD?
14. August 2016Eigentlich müsste sich die AfD derzeit wenig Sorgen machen. Die Partei hat rund 24.000 Mitglieder - täglich werden es mehr. 1000 Mitglieder konnte die Partei allein in der zweiten Julihälfte - nach den Anschlägen in Würzburg, München und Ansbach - gewinnen. Damit profitiert die AfD von der Sorge um die innere Sicherheit in Deutschland - und davon, dass diese Sorge verquickt wird mit der Ablehnung von Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Entsprechend hoch sind die Umfragewerte für die AfD: Sie liegen um die zehn Prozent. Merkels Schwäche ist ein Grund für die Stärke der AfD.
Doch die 2013 gegründete Partei erlebt seit Monaten einen zweiten Machtkampf in ihrer Führungsriege. Schon einmal, im Sommer 2015, drohte der AfD eine Spaltung. Frauke Petry, derzeit eine von zwei Chefs der Partei, setzte sich damals gegen den Parteigründer Bernd Lucke durch. Das verschreckte viele AfD-Wähler, die Umfragewerte sanken und erholten sich erst wieder im Zuge der Flüchtlingsdebatte.
Frauke Petry steht auch bei diesem Streit im Mittelpunkt. Sie hat mit ihrer bestimmenden Art ein mächtiges Männertrio gegen sich aufgebracht. Dazu gehören Jörg Meuthen, ihr Co-Vorsitzender und AfD-Chef in Baden-Württemberg, sowie die AfD-Chefs von Brandenburg und Thüringen, Alexander Gauland und Björn Höcke. Sie wollen verhindern, dass Petrys Macht in der Partei weiter zunimmt und vor allem, dass sie alleinige Spitzenkandidatin der AfD für die Bundestagswahl wird. Dafür haben sie schon vor Monaten eine seltsame Allianz gegründet - der eigentlich liberale Meuthen mit dem Ultrarechten Höcke und dem Oberstänkerer Gauland.
Sonderparteitag der AfD im Herbst?
Neu entflammt ist der schwelende Streit im Frühsommer wegen einer Personalie in Meuthens AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag. Wolfgang Gedeon, ein Arzt im Rentenalter, der seit Parteigründung mit extremen Positionen provoziert, sollte wegen "antisemitischer Äußerungen" aus der Fraktion geworfen werden.
Doch nicht alle AfD-Abgeordneten folgten Meuthens Wunsch. Petry mischte sich ein und wollte den Streit vor Ort schlichten. Das ging gründlich schief - Meuthen wollte Petry sogar ein Hausverbot erteilen, was aber der Landtag verhinderte. Nun ist die Fraktion gespalten, es gibt also gleich zwei AfD-Fraktionen in Stuttgart. Das ist ein Novum, aber rechtens, wie die Landtagsverwaltung entschied. Zur Zeit laufen Schlichtungsversuche.
Den Streit in Stuttgart und den innerhalb der Parteispitze empfinden alle Ebenen der Partei, so ist immer wieder zu hören, als Belastung. Deshalb hat die AfD für Sonntag in Kassel einen Konvent der Partei einberufen. Ihm gehören 50 Mitglieder der Landesverbände, vier Mitglieder des Bundesvorstands und der Bundesschatzmeister an. Das Gremium soll entscheiden, welches Kapitel im Machtkampf als nächstes aufgeschlagen wird. Eine Möglichkeit, die schon auf der Tagesordnung vermerkt ist: Ein Sonderparteitag, der dann einen neuen Bundesvorstand wählt.
Der Konvent findet hinter verschlossenen Türen statt - die Presse ist nicht zugelassen. Selbst der Bundespressesprecher wurde ausgeladen, was auch damit zusammenhängen könnte, dass Petry sich einen eigenen Sprecher zugelegt hat. Auch das ein Hinweis darauf, wie verhärtet die Fronten im Bundesvorstand sind.
Höcke, Meuthen, Gauland: Angst vor Abwahl
Petrys Gegner haben sich gegen einen Sonderparteitag ausgesprochen. Höcke verbreitete via Facebook, eine Neuwahl löse keine Konflikte und sei kräftezehrend. Die Kräfte würden woanders gebraucht - nämlich "beim Kampf um das Vaterland, dem geliebten Deutschland, dass jeden Tag mehr verschwinde", so Höcke in seinem typisch völkischen Stil. Höcke ist nicht Mitglied im Bundesvorstand, anders als Meuthen und Gauland, er soll aber Unterstützer im Vorstand haben. Auch Gauland ist gegen einen Sonderparteitag. Ein interner Machtkampf nütze der AfD nicht. So kurz vor einem Bundestagswahlkampf kämpfe man "gegen oder mit anderen Parteien", sagte Gauland der Nachrichtenagentur DPA. Meuthen, der Dritte im Bunde, hat inzwischen öffentlich das Ende des Streits gefordert
Wie Petry sich verhalten wird, ist derzeit offen. Ihr Umfeld aber hat lanciert, dass sie durchaus zu einem Befreiungsschlag bereit wäre. Den Willen zur Macht hat sie und auch den Glauben, dass eine Mehrheit hinter ihr steht. So könnte der Parteitag einzeln über jeden Vorstandsposten abstimmen. Vorstellbar ist, dass Meuthen und Gauland dabei ihre Posten verlieren, weil die Delegierten der Machtkämpfe müde sind. Wohl auch deshalb wollen beide von einem Sonderparteitag nichts wissen.
Dass Petry abgewählt würde, ist unwahrscheinlich. Petry hat mit der AfD noch viel vor. Sie will daraus eine konservative Volkspartei machen, ähnlich der FPÖ in Österreich. Eine Mehrheit der Partei stützt diesen Plan - Höcke steht ihm im Weg. Dessen nationalistischer Kurs, würde er sich stärker durchsetzen, könnte viele Wähler abschrecken und die AfD auf Niveau von nur noch fünf Prozent der Stimmen drücken.
Wahlkampf um Innere Sicherheit
Eine einfache Mehrheit beim Konvent würde reichen, um einen Sonderparteitag einzuberufen. Dieser würde im Herbst, also erst nach den beiden wichtigen Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, stattfinden. In der Hauptstadt will die AfD zweistellige Stimmenergebnisse erreichen. In Mecklenburg-Vorpommern liegt sie derzeit sogar knapp hinter SPD und CDU bei fast 20 Prozent. Ein Erfolg bei der dortigen Wahl wäre "ein Ausrufezeichen", sagte Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa auf "RP-online". Das zeige, wie stark die AfD im kommenden Jahr bei der Bundestagswahl werden könnte.
Das entscheiden allerdings auch die anderen Parteien. Lange Zeit haben sich die Volksparteien SPD und CDU/CSU einer offenen Auseinandersetzung mit der AfD widersetzt. Doch das ändert sich gerade. Die Unions-Innenpolitiker sind mit neuen Law-und-Order Maßnahmen nach vorne geprescht; sie wollen in erster Linie Migranten zahlreichen Einschränkungen und Kontrollen unterwerfen. Die AfD hat das prompt als Kopierversuch kommentiert. Hier deutet sich ein Kampf um das zentrale Thema Innere Sicherheit an, das die Union an sich zu reißen versucht.
Einen Versuch, an die AfD verlorene Wähler zurückzugewinnen, machte auch der SPD-Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering. Die Flüchtlingspolitik Merkels habe zu einer Spaltung der Gesellschaft geführt, sagte er "Spiegel Online". Die Kanzlerin habe im vergangenen Herbst den Eindruck erweckt, Deutschland müsse unbegrenzt Flüchtlingen aufnehmen und habe gleichzeitig so getan, "als sei jeder, der Bedenken äußerte, entweder rechtsextrem oder ein Dummkopf".