M-ELROB 2014
22. Juli 2014Ein Verletzter liegt irgendwo im mannshohen Gras. Die Umgebung ist viel zu gefährlich für Menschen - vielleicht liegen dort Minen herum, vielleicht ist das Gebiet auch chemisch oder radioaktiv verseucht oder es lauern irgendwo Scharfschützen. Also ist es eine Aufgabe für einen Roboter.
Und der kennt nur die vage GPS-Position des Opfers. Trotzdem soll er es finden, bergen und an einen sicheren Ort bringen. Roboter-Teams von Forschungsinstituten, von Universitäten und aus der Industrie stellen sich beim M-ELROB 2014 in Warschau der Herausforderung. Jeder auf eine andere Weise.
Aufgegabelt
Das Team des diesjährigen Gastgebers, der polnischen Technischen Militärakademie (WAT), ist mit seinem Bergeroboter Marek dabei, einem wuchtigen, ferngesteuerten Bagger, der neben einem langen Arm mit einer großen Kralle auch noch eine tieferliegende Schaufel hat - ähnlich einem Schneepflug. Normalerweise nimmt Marek es mit Fliegerbomben auf, oder räumt Hindernisse, wie Baumstämme oder Schutt aus dem Weg.
Jetzt soll Marek einen Dummy aufheben, der den Verletzten spielt. "Hoffentlich hebt er ihn auf, ohne die Puppe zu zerstören", sorgt sich WAT-Software Ingenieur Rafal Typiak. Aber Marek meistert seine Aufgabe mit Bravour: Die Schaufel hat sich unter dem Opfer in die Erde gegraben und die Puppe mitsamt der Erde sanft hochgehoben.
Am Kragen hochgezogen
Dave Norton, von der kanadischen Firma Med-Eng, die sich auf die Herstellung von Robotern und Schutzkleidung für Bombenentschärfer spezialisiert hat, will das Problem anders lösen. "Unser Defender-Roboter kann bis zu 75 Kilogramm heben", sagt der Bombenentschärfungs-Fachmann. "Wenn es uns gelingt, den Verletzten anzuheben, ohne ihn weiter zu verletzen, wäre das die einfachste Lösung, ihn von einer Stelle zur anderen zu befördern."
Bei allen Übungen sitzt der Pilot des Roboters in einem Zelt - von dem Gerät abgeschirmt. Er kann also nur durch Kameras sehen, was gerade passiert. "Unser Roboter ist teleoperiert", sagt Norton, "also liegt es vor allem am Bediener, das Problem richtig zu erkennen und zu lösen."
Schon nach kurzer Zeit hat der Roboter-Fahrer das Opfer im hohen Gras ausfindig gemacht. Er steuert den Greifer zielstrebig und packt den 70 Kilogramm schweren Dummy an seiner Weste an. Dann hebt er ihn hoch. Anfangs läuft noch alles gut. Doch dann macht das unebene Gelände dem Team einen Strich durch die Rechnung: Beim Anfahren verliert der Defender das Gleichgewicht und stürzt mitsamt dem Verletzten um.
Abgeschleppt
Dieses Risiko will Bernd Brüggemann vom Team des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation und Ergonomie in Wachtberg FKIE nicht eingehen. Sein Roboter wäre ohnehin zu klein, um einen ausgewachsenen Menschen zu tragen. Also klinkt der Fahrer mit dem Roboterarm einen Haken in den Gürtel des Dummys ein. Der wird dann ganz einfach mit einem Seil abgeschleppt und schleift dabei über den Boden.
Den Roboterarm steuert der Pilot mit einem Handschuh, der voller Sensoren steckt. Ähnlich, wie bei einem Smart-Phone oder Tablet, das die eigene Lage im Raum erkennt, weiß der Roboterarm immer, wie der Handschuh gerade steht, und wohin er sich bewegt. Dem Entwickler des Steuerungs-Handschuhs ist es besonders wichtig, dass Bediener damit einfach und intuitiv arbeiten können. "Das heißt, dass ich den Roboter sehr schnell und sicher in Betrieb nehmen kann. Dann erwarte ich weder Bedienerfehler noch starke Verzögerungen."
Sollen die Roboter, die Brüggemann und sein Team entwickeln, bei Polizei, Feuerwehr und Militär einmal zum Einsatz kommen, darf die Bedienung nicht zu kompliziert sein. "Ich will nicht ein halbes Jahr mit dem Operateur Seite an Seite arbeiten müssen, bevor er das System alleine bedienen kann", betont der Entwickler. "Und es muss so robust sein, dass es mit Situationen zurechtkommt, mit denen ich vorher nicht gerechnet habe."
Kaum autonome Roboter im Rennen
Ein größeres Risiko als alle anderen Teams gehen Studenten der Universität Rezan in Russland ein: Sie nehmen mit ihrem vollautonomen Roboter erstmals am M-ELROB teil. Bei dem Gerät kann während der Übung niemand mehr eingreifen. Es ist eine Plattform voller Kabel und Elektronik, getragen von vier Fahrrad-Rädern mit Pedelec-Motoren. Auch an Sensoren hat der Roboter einiges zu bieten. "Wir nutzen Laserscanner, zwei- und dreidimensionale optische Kameras, GPS und Glonas-Satellitennavigation, Magnetometer und so weiter", sagt Teamleiter Stanislav Gol.
Das Gerät könnte also theoretisch sogar mehr als das Google-Auto, denn das verlässt nie eine befestigte Straße. Die Jury freut sich über den Einfallsreichtum der studentischen Bewerber. Vor allem die Software, die das autonome Fahren erst möglich macht, beeindruckt die kritischen Beobachter. Dass es dafür an der Stabilität hapert, ist sich Teamchef Gol allerdings bewusst: "Wir haben sicher die größten Schwierigkeiten mit der Mechanik, denn wir haben vor allem die Aufmerksamkeit auf die Intelligenz des Roboters gelegt. Es könnte also Probleme mit der Robustheit des Systems geben."
Und so geht am Ende für die Studenten leider auch etwas schief: Ein Halbleiterschalter, der für die Stromumwandlung verantwortlich ist, brennt mit einem lauten Knall durch und das Rennen ist für das Team aus Rezan gelaufen.
Trotz der Pannen einzelner Bewerber sind die Gastgeber mit dem was sie gesehen haben zufrieden: "Die polnische Armee nutzt bereits Roboter", sagt Oberst Daniel Krol. Er ist im polnischen Generalstab zuständig für Ingenieurwesen. "Solche Übungen wie der M-ELROB sind sehr wichtig, weil sie uns helfen, Ideen zu entwickeln, wie wir mit gefährlichen Situationen umgehen können, zum Beispiel bei der Entschärfung von Minen."
Denn damit hat die polnische Armee schon viel Erfahrung gesammelt: Sowohl bei der Entsorgung von Lasten aus dem zweiten Weltkrieg als auch bei der Räumung von Anti-Personen-Minen in Afghanistan. Aber neben den bisherigen Fähigkeiten sollen die Roboter noch viel mehr dazu lernen, um in Zukunft weitere Aufgaben übernehmen zu können.