Robotereinsatz auf gefährlichem Terrain
25. September 2012Thorsten Lüttel nahm schon zum fünften Mal am M-ELROB-Wettbewerb in der Schweiz teil. Eigentlich erforscht der Ingenieur autonome Systeme im Bereich Luft- und Raumfahrt. Doch in Thun, in der Schweiz, trat sein Münchener Team nicht mit einem Flugzeug an, sondern mit einem umgebauten VW-Touareg.
Lüttels Fahrzeug ist vollgestopft mit Technik: Kamera-Sensoren scannen die Umgebung, Laserscanner messen rund um das Fahrzeug Entfernungen und erstellen eine 3D-Punktewolke. Die Daten der Sensoren wertet ein Computer aus und steuert dann selbständig Gas, Bremse, Lenkung und Gangschaltung. Ob Lüttels Wagen das schafft, muss er beim Wettbewerb beweisen. Dafür werden ihm schwierige Aufgaben gestellt - zum Beispiel das sogenannte Maultier-Szenario: Der Wagen muss einem anderen folgen. "Der Roboter weiß nicht, wo er hin muss. Er weiß nur: Ich muss dem anderen hinterherfahren - auf Teufel komm raus", erklärt der Forscher von der Universität der Bundeswehr in München.
Die Karte entsteht auf der Fahrt
In einem anderen Szenario geht es darum, dass die Roboter ihren Weg vollkommen selbständig finden. Sie haben nur die GPS-Position des Zielorts, sonst aber keine Karten oder Informationen.
Frank Höller vom Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) schickte dafür ein kleines Kettenfahrzeug ins Rennen.
Dieser kleine Roboter muss in unwegsamen Gelände sein Ziel finden. Dafür setzt er die Laserbilder, die er generiert, zu einer Karte zusammen. Umso weiter er fährt, umso größer wird die Karte. "Der Roboter versucht immer in Richtung des Zielpunktes zu fahren. Gerät er in eine Sackgasse, schaut er auf der Karte, wo ein weiterer Weg sein könnte, fährt da hin und versucht es von da aus", erklärt Höller.
Dabei können ihm die Organisatoren des Wettbewerbs aber auch eine Falle stellen, zum Beispiel den Rückweg mit einem Baumstamm versperren. Noch schwieriger ist es für Roboter, andere Hindernisse richtig zu erkennen. Zum Beispiel große Pfützen, deren Oberfläche aber fest oder zumindest schlammig aussieht. Selbst Gras, das weich ist, erkennt ein Roboter nicht, erinnert sich Höller an einen früheren Versuch: "Der Weg war erhöht und das Gras wuchs rechts und links daneben. Das Gras hatte exakt die Höhe, des erhöhten Weges." Als der Lasermesser ein Rundumbild angefertigt hatte, erkannte der Computer des Fahrzeugs keinen Weg. Für ihn war alles flach. "So fuhr der Roboter in das Gras, sackte ab und blieb stecken", schildert der Forscher die Schwächen der Technik
Suchen und finden
Bei einer weiteren Übung müssen die Roboter orangefarbene, quadratische Warnschilder finden, wie sie üblicherweise an LKW hängen, die ein Gefahrgut transportieren. Diese Schilder sollen die Roboter anschließend fotografieren und kartographieren. Der Informatiker Torsten Fiolka hat sich dieser Herausforderung angenommen. Er macht sich zunutze, dass der Laserscanner nicht nur Entfernungsinformationen sammeln kann, sondern auch, wie stark etwas den Laserstrahl reflektiert. "Die Gefahrenschilder reflektieren im Allgemeinen sehr stark, sehr viel stärker als andere Objekte. Also suche ich in der Punktwolke des Lasers nach sehr stark reflektierenden Objekten und teste, ob die Dimension des Objekts ungefähr der eines Gefahrenschildes entspricht", beschreibt Fiolka die Methode.
All das ist keine Spielerei. Der Sinn der Übung darin besteht darin, Roboter zu entwickeln, die dem Militär, der Polizei und Feuerwehr im stressigen und schwierigen Einsatz nützlich sein können. Deshalb findet der M-ELROB auch unter den strengen Augen dieser potentiellen Kunden statt. Dem Organisator des Wettbewerbs, Frank Schneider vom Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) in Wachtberg, ist es jedenfalls sehr wichtig, dass die Entwicklung der Roboter sich noch stärker als bisher an den Bedürfnissen der Einsatzkräfte orientiert. "Die Kommunikation zwischen den Systemen und dem Benutzer – also die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine, wird derzeit noch sehr stiefmütterlich behandelt", bedauert er.
Der Mensch hat bessere Sinnesorgane
Aber es gibt noch weitere Gründe, weshalb Einsatzkräfte - besonders bei der Feuerwehr - Robotern oft kritisch gegenüberstehen: Gerade in Notfällen sind sie meist noch zu unflexibel und langsam. "Der Mensch ist schneller und gerade in Katastrophenszenarien zählt jede Sekunde", betont Frank Schneider. "Die Bereitschaft, den Roboter einzusetzen, kommt nur in den allergefährlichsten Szenarien zum tragen. Ansonsten geht man mit dem Schutzanzug und dem Messgerät immer noch selber rein."
Dem pflichtet Andreas Ciossek bei, dessen Firma Telerob ferngesteuerte Roboter zur Bombenentschärfung und zum Messen von Gasen oder Radioaktivität baut. Ein Roboter könne nämlich kaum verlässlich einschätzen, ob ein Gebäude tatsächlich einsturzgefährdet ist. "Wenn man selbst drin ist, kann man feststellen, ob eine Wand ausgebeult ist. Man hört ein feines Knacken, man sieht feine Risse. Über eine Fernsehkamera ist das sehr schwer festzustellen", so der Roboter-Bauer.
Von wahrer künstlicher Intelligenz seien heutige Roboter noch weit entfernt, sagt Ciossek: "Man muss sich von solchen Vorstellungen verabschieden, die im Kino oder im Fernsehen zu sehen sind." Was dort alles möglich ist, habe mit der Realität ohnehin nichts zu tun.