Weitere Proteste gegen Bouteflika in Algerien
5. März 2019In der Hauptstadt Algier versammelten sich rund tausend Studenten und forderten den Rückzug des 82-jährigen Präsidenten. Das berichtete eine AFP-Reporterin. Die Demonstranten riefen Parolen wie: "Hey Bouteflika, es wird kein fünftes Mandat geben". Die Polizei schritt diesmal nicht ein. Unterstützung bekamen die Studenten von Passanten und hupenden Autofahrern.
Bouteflika regiert das nordafrikanische Land seit fast 20 Jahren autoritär und will bei der Präsidentschaftswahl am 18. April erneut kandidieren - obwohl er sich seit einem Schlaganfall vor sechs Jahren weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat und im Rollstuhl sitzt. Im Moment befindet er sich in einer Klinik in Genf.
Proteste reißen nicht ab
Gegen eine fünfte Amtszeit des greisen Staatschefs gibt es seit Tagen Proteste in ganz Algerien, etwa in den Städten Annaba, Oran und Constantine. Am Sonntag verlas das Staatsfernsehen einen Brief des Präsidenten. Darin kündigte Bouteflika an, im Fall seiner Wiederwahl sein Mandat vorzeitig aufzugeben und Neuwahlen anzusetzen. Wenn er im Amt bestätigt werde, solle eine "nationale Konferenz" einen Termin für eine vorgezogene Wahl festsetzen, bei der er nicht mehr antreten werde, hieß es. Zeiträume wurden nicht genannt.
Weiter hieß es in dem Brief: "Ich habe zugehört und die Rufe aus den Herzen der Demonstranten vernommen und insbesondere der Tausenden jungen Menschen, die an mich zur Zukunft unserer Heimat appelliert haben."
Ärger bei Nachrichtensprecherin
Das Zugeständnis besänftigte seine Kritiker aber nicht. Hunderte Studierende gingen danach weiter auf die Straße und protestierten. Viele riefen am Sonntagabend "Bouteflika hau ab!" Die Polizei setzte Wasserwerfer ein, um die Demonstranten vom Sitz des Verfassungsrats fernzuhalten. Dort hatten die Bewerber bis Mitternacht ihre Kandidatur für die Präsidentschaftswahl einreichen können.
Der Brief hat aber nicht nur weitere Proteste ausgelöst. Die langjährige Nachrichtensprecherin des algerischen Fernsehens, die den Brief vorlesen musste, gab entnervt ihren Job auf. Sie hatte sich darüber geärgert, dass sie erst auf den letzten Drücker den Brief verlesen musste. Wie ein Kollege von Nadia Madassi mitteilte, bekam sie das Schreiben am Sonntag "in letzter Minute". Sie will nun nicht mehr als Ansagerin, sondern in der Redaktion arbeiten.
"Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte", sagte der Kollege. Seit Beginn der Proteste gegen Bouteflika sei den Journalisten bei staatlichen Sendeanstalten nicht gestattet, korrekt zu berichten. Medienvertreter wie Madassi hatten angeprangert, dass auf sie Druck ausgeübt werde im Zusammenhang mit den Demonstrationen. Zunächst berichteten Radio und Fernsehen überhaupt nicht über die Kundgebungen, später sollten sie das Ausmaß abgeschwächt darstellen.
jmw/sti (afp, rtr)