Bouteflika kandidiert, um bald wieder abzutreten
3. März 2019Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika ist schon fast 20 Jahre im Amt. Seit einem Schlaganfall vor sechs Jahren sitzt er im Rollstuhl. Aus der Öffentlichkeit ist er weitgehend verschwunden. Dennoch hat er an diesem Sonntag fristgerecht seine erneute Kandidatur für die Präsidentschaftswahl am 18. April eingereicht - oder einreichen lassen, denn der gebrechliche Staatschef hält sich derzeit in einer Genfer Klinik auf.
Nun ließ Bouteflika im Staatsfernsehen einen Brief verlesen, in dem er verkündete, dass er keine volle Amtszeit mehr anstrebe. Wenn er bei der Wahl im Amt bestätigt werde, solle eine "nationale Konferenz" einen Termin für eine vorgezogene Wahl festsetzen, bei der er nicht mehr antreten werde. Zeiträume nannte der Präsident nicht. Neuwahlen würden binnen eines Jahres angesetzt, zitierte der Fernsehsender Ennahar den Wahlkampfmanager Bouteflikas, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet.
Beistand aus Frankreich
Schon die Ankündigung seiner erneuten Kandidatur sorgt seit über einer Woche für massive Proteste. In Algier und anderen Städten des nordafrikanischen Landes versammelten sich auch am Sonntag wieder tausende Menschen, um gegen die Führung des Landes zu protestieren. Die Demonstranten skandierten "Bouteflika, hau' ab!". Diplomaten sprachen von rund 70.000 Teilnehmern. Ein massives Aufgebot an Sicherheitskräften drängte die Demonstranten in der Hauptstadt ab, es wurden Wasserwerfer und Tränengas eingesetzt.
Proteste wurden von Studenten und Medien auch aus anderen algerischen Universitätsstädten gemeldet. Ebenso versammelten sich mehrere Tausend Menschen in französischen Städten wie Paris und Marseille.
Bis zum Nachmittag ließen sich mindestens sechs Kandidaten für die Präsidentschaftswahl registrieren, darunter der pensionierte General Ali Ghediri. Auch der bei jungen Menschen beliebte Geschäftsmann Rachid Nekkaz wollte seine Kandidatur an diesem Sonntag einreichen.
Zerstrittene Opposition
Mehrere Oppositionspolitiker kündigten dagegen einen Boykott der Wahl an und riefen zu weiteren Protesten auf. Wie es in Parteikreisen heißt, will die größte moderat islamistische Partei Algeriens HMS nicht bei der Abstimmung antreten, sollte Bouteflika erneut zur Wahl stehen. Viele Algerier sehen in ihrem Präsidenten eine Marionette von Militärs, Clans und Unternehmern.
Bouteflikas Chancen für eine Wiederwahl stehen gut, da die Opposition in dem nordafrikanischen Land, einem wichtigen Gaslieferanten für Europa, schwach und zersplittert ist. Zumindest kurzfristig würde seine Wiederwahl für die Elite Stabilität verheißen und einen Streit über die Nachfolge an der Spitze des Staates aufschieben.
rb/ust/cw (dpa, rtr, afp, ap)