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Was tun bei einer Ölkatastrophe auf der Nordsee?

Tim Schauenberg
31. Juli 2023

Die "Fremantle Highway" brennt auf der Nordsee. Falls Öl aus dem Frachter austreten sollte, hätte das verheerende Folgen für die Umwelt. Wie ließen sie sich eindämmen?

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Brennender Frachter vor niederländischer Küste
Die "Fremantle Highway" brennt seit Tagen, dabei kam ein Mensch ums LebenBild: Netherlands Coastguards/AFP

An der Nordseeküste vor der niederländischen Insel Schiermonnikoog brennt seit Tagen ein Autofrachter. Das Schiff hat fast 3800 Autos geladen, davon 498 E-Autos. Es wird vermutet, dass der Großbrand durch eines der elektrischen Autos verursacht wurde, das aus bisher ungeklärten Gründen Feuer gefangen hat. Die Batterien von E-Autos sind besonders schwer zu löschen. Das Feuer ist in der Nacht zum vergangenen Mittwoch (26. Juli) ausgebrochen. Die Küstenwache hat seitdem versucht, die Flammen einzudämmen und den Frachter zu stabilisieren, um ein Kentern zu verhindern. 

Das Schiff wurde inzwischen vorübergehend an einen nahegelegenen Ankerplatz geschleppt und dabei von einem Spezialschiff begleitet. Das Manöver barg allerdings Risiken und noch immer ist die Gefahr nicht gebannt. Sollte es zu einer Ölverschmutzung kommen, liegen auch zusätzliche Schiffe in deutschen Häfen bereit, um zu helfen. Der Brand auf dem Frachter ist zwar über das Wochenende schwächer geworden. Doch die Gefahr, dass die Stahlwände der Hitze nicht mehr standhalten, ist immer noch hoch. Bei Rissen oder sogar einem Auseinanderbrechen und Kentern droht eine Ölpest - eine Katastrophe für die Nordsee, das besonders geschützte Wattenmeer mit seinen Vogelgebieten und die Inselbewohner. 

Brennender Frachter vor niederländischer Küste
Es wird vermutet, dass eine E-Auto Batterie der Auslöser des Brands warBild: Coast Guard Netherlands/dpa/picture alliance

"Ein solches Unglück würde auch das deutsche Wattenmeer betreffen, das nicht von ungefähr UNESCO-Weltnaturerbe ist: Das ist ein weltweit einzigartiges Ökosystem," heißt es von der Umweltorganisation Greenpeace.

Im Fall einer Ölkatastrophe und einer Verpestung der Küsten wäre dies laut Greenpeace der sichere Tod für eine Millionen Vögel, die derzeit ihr Federkleid wechseln und deshalb teilweise flugunfähig sind. Laut Bundesumweltministerium befinden sich 1600 Tonnen Schweröl und 200 Tonnen Marinediesel an Bord. Ein Auslaufen des Öls hätte verheerende Schäden für die Ökosysteme, die kaum beherrschbar wären: "Die Gezeiten würden zu einer weiträumigen Verteilung des Ölteppichs führen, was uns noch über Jahre hinweg beschäftigen würde."

Zwar ist die Zahl der Ölkatastrophen in den vergangenen Jahrzehnten drastisch zurückgegangen, trotzdem kommen sie immer wieder vor. Was kann man also tun, falls es doch dazu kommt?

Ölverseuchte Küste vor den Philippinen
Nicht wieder gutzumachende Folgen: Rohöl nach einem Tankerunglück vor der Küste der Philippinen in diesem JahrBild: Ezra Acayan/Getty Images

Das Öl aufsaugen

Da Schweröl eine niedrigere Dichte hat als Wasser, schwimmt es auf der Wasseroberfläche. Dadurch besteht das Risiko, dass sich das Öl, je nach Wetterbedingungen, schnell verteilt. Um die Umweltschäden zu minimieren, kommt es deshalb darauf an, schnell zu regieren.

Eine Methode, den größten Schaden durch Ölverschmutzungen abzuwenden, besteht im Wesentlichen darin, das Öl von der Wasseroberfläche aufzusaugen. 

Frachter nach Kollision vor Gibraltar halb gesunken
Nach einer Kollision und Ölaustritt verhindern Barrieren, dass sich das Öl schnell verteiltBild: HM Government of Gibraltar/AP/dpa/picture alliance

Dies geschieht mit Hilfe von Wasserbarrieren, die verhindern, dass sich das Öl ausbreitet. Sobald das geschehen ist, können Spezialschiffe das Öl aufsaugen. Wird das Öl später aufbereitet, kann es sogar wiederverwendet werden. So hat man zum Beispiel noch größeren Schaden verhindert, nachdem im März 2019 der Frachter "Grande America" rund 300 Kilometer vor der französischen Küste unterging.

Öl abzusaugen, klingt vermeintlich leicht, zumal man - wie im Fall der "Fremantle Highway" - bereits Vorkehrungen für einen Katastrophenfall treffen kann. Allerdings funktioniert das Abschöpfen nur, wenn das Öl an einem Ort konzentriert bleibt und die Wetterbedingungen das Absaugen zulassen. 

Das Meer anzünden

Unter bestimmten Bedingungen kann auch das Verbrennen des Öls auf der Wasseroberfläche ein probates Mittel sein. In arktischen oder eisbedeckten Gewässern kann das sogar die einzige Möglichkeit sein. Die In-situ-Verbrennung (ISB) wird vor allem eingesetzt, wenn es einen unkontrollierten und besonders heftigen Austritt von Öl gibt. 

Ölteppich brennt
Selbst das Verbrennen des Ölteppichs kann unter Umständen eine Option seinBild: picture-alliance/Mass Communication Specialist 2nd Class Justin Stumberg/U.S. Navy/dpa

Als die Bohrinsel "Deepwater Horizon" im April 2010 Feuer fing und später auf Grund ging, strömten riesige Mengen Rohöl aus dem Bohrloch am Meeresboden und verursachten die größte unfallbedingte Ölpest der Geschichte. Das Öl an der Oberfläche zu verbrennen, erwies sich in dieser dramatischen Situation als äußerst wirksame Technik.

Bei dieser Methode entsteht jedoch giftiger Rauch, der ebenfalls der Umwelt schadet. Damit das Öl überhaupt Feuer fängt, darf es sich aber auch hier nicht zu weit verteilen. "Es kann schwierig sein, genügend Öl aufzufangen, damit es dick genug ist, um es zu verbrennen", sagte Nicky Cariglia, Expertin für Meeresverschmutzung bei der Beratungsfirma Marittima, in einem früheren Interview zu DW. Wenn sich das Öl über viele Tage verteile, sei Verbrennen keine Option.

Friseurin will mit Haaren Meer retten

Die Schwamm-Methode

Es gibt theoretisch umweltfreundlichere Methoden, um Öl aufzusaugen. Sie wirken wie ein Schwamm, eignen sich jedoch eher für die Beseitigung kleinerer Ölmengen an Land und sind in der Regel nicht wirksam bei der Bekämpfung eines Ölteppichs auf See. Der Einsatz dieser Materialien im Wasser kann sogar zu einer weiteren Verschmutzung führen.

Die Experten sind sich aber nicht einig, wie wirksam die verschiedenen Materialien sind. Sie reichen von natürlichen Produkten wie Stroh bis hin zu hochentwickelten synthetischen Materialien, die Wissenschaftler speziell für die Bekämpfung von Ölverschmutzungen entwickelt haben.

Nachdem ein japanischer Öltanker im Juli 2020 vor Mauritius auf ein Riff auflief und mehr als 1000 Tonnen Treibstoff in den Indischen Ozean ausliefen, fertigten Hunderte von Freiwilligen vor Ort mit Zuckerrohrschnitzeln gefüllte Bojen an und setzten sie ins Wasser. Sie sollten das Öl aufsaugen und die Verbreitung zumindest teilweise stoppen. Selbst menschliches Haar kam zum Einsatz. Das klingt exotisch, kann aber im kleinen Maßstab effektiv sein. Einheimische spendeten ihre Locken, um die handgefertigten Bojen zu füllen. Haar ist ein Material, das sehr gut Öl aufnehmen kann, es stößt Wasser ab. Eine Studie der University of Technology Sydney (UTS) von 2020 ergab, dass die aus Haaren und Hundefell hergestellten Ölsperren Rohöl in computersimulierten Katastrophen deutlich besser absorbieren als herkömmliche Methoden.

Niederlande: Angst vor Umweltkatastrophe im Wattenmeer

Diese Methode wurde auch schon bei der Beseitigung anderer großer Ölverschmutzungen eingesetzt, zum Beispiel 2007 bei der Cosco-Busan-Katastrophe vor der Küste Kaliforniens und 2010 bei der Deepwater-Horizon-Ölpest im Golf von Mexiko. Umweltgruppen in Ländern wie den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und Australien sammelten damals abgeschnittenes Haar in Friseursalons ein ,um daraus organische Ölbarrieren zu basteln. 

Was ist mit der Möglichkeit, dem Öl mit Bakterien oder natürlichen Absorptionsmitteln beizukommen? Nicky Cariglia sieht das kritisch: "Sie können zwar im Labor funktionieren, lassen sich aber nicht auf reale Bedingungen übertragen."

Die Umweltorganisation Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert als Folge des Unglücks auf der Nordsee, dass Autofrachter in Zukunft als Gefahrguttransporte eingestuft werden und erhöhten Sicherheitsstandards entsprechen müssen. Außerdem müsse geprüft werden, ob Autofrachter künftig alle mit modernen Löschsystemen ausgestattet werden müssen, da E-Autos eine zusätzliche Gefahrenquelle darstellen, fordert der BUND.

Loveday Wright hat zu diesem Bericht beigetragen.