Abkommen zum Schutz der Meere: UN startet Ratifizierung
Veröffentlicht 20. Februar 2023Zuletzt aktualisiert 19. September 2023Die Ratifizierung eines "entscheidenden" Abkommen zum Schutz großer Teile lebenswichtiger Meeres-Ökosysteme beginnt am 20. September bei der UN-Generalversammlung in New York. Das Abkommen war im Juni nach langen Verhandlungen verabschiedet worden. Umweltschützer hoffen, dass es dazu beiträgt, den Verlust biologischer Vielfalt im Meer zu stoppen und eine nachhaltige Entwicklung zu fördern.
"Das Abkommen über die Hochseeabkommen ist für den Schutz der Ozeane unerlässlich", sagte Rebecca Hubbard, Direktorin der High Seas Alliance, anlässlich der Verabschiedung des Abkommens im DW-Interview. Die Allianz besteht aus mehr als 50 Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Stärkung einer nachhaltigen Meerespolitik einsetzen.
Bei der Einigung geht es aber nicht nur um die marine Tier- und Pflanzenwelt. "Sie ist auch entscheidend für den Klimaschutz und die Existenzsicherung von Milliarden Menschen auf der ganzen Welt", so Hubbard weiter.
Erst im April und Mai dieses Jahres meldeten Wissenschaftler die weltweit höchsten Temperaturen der Meeresoberfläche seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1850. Die Ozeane nehmen 90 Prozent der Wärme auf, die durch die Emission von Treibhausgasen entsteht und den Planeten immer weiter aufheizt. Meere sind "weltweit der größte Verbündete im Kampf gegen den Klimawandel", und sie produzieren 50 Prozent des Sauerstoffs auf der Erde.
Historischer Deal zum Meeresschutz aber noch viele Fragen
Um in Kraft zu treten, muss der bindende Vertrag nun noch von mindestens 60 Staaten unterzeichnet und ratifiziert werden. Doch schon die Verabschiedung ist ein bedeutender Wendepunkt für den Schutz der Hochsee und allen Lebens im Meer. Es wird erwartet, dass der Vertrag zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Meeresressourcen beiträgt und gleichzeitig die Rechte und Interessen aller beteiligten Länder schützt.
Weite Teile des Ozeans sind immer noch so etwas wie der Wilde Westen beim Thema Naturschutz: Fischerei, Schifffahrt, Tourismus und Meeresschutz werden weltweit von rund 20 Organisationen geregelt. Allerdings gelten diese Regeln nur bis etwa 200 Seemeilen Entfernung von den Küsten. Dahinter hat kein nationales Gesetz mehr Gültigkeit und einzelne Staaten haben keine Handhabe.
Obwohl die Hochsee mehr als die Hälfte der Erdoberfläche und 61 Prozent aller Ozeane ausmacht, stehen gerade mal ein Prozent der internationalen Gewässer unter Schutz.
Illegale Fischerei, Überfischung oder Schäden an den Ökosystemen, zum Beispiel durch Tiefseebergbau oder Öl- und Gasbohrungen, können dort bisher kaum überwacht, verfolgt oder nach einheitlichen Regeln geahndet werden.
Neue Hochsee-Schutzgebiete möglich
Umweltschützer hoffen, dass die Vereinbarung helfen wird, auch der bereits bestehenden internationalen Verpflichtungen gerecht zu werden, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Meere zu schützen. Auf diesen Meilenstein hatte man sich bereits im Dezember 2022 geeinigt.
"Wissenschaftler sagen, dies sei das Minimum, um den Kollaps der Ökosysteme im Meer – der größten gemeinsamen Quelle von Ressourcen und Leben auf unserem Planeten – zu verhindern", so Arlo Hemphill, Aktivist bei Greenpeace USA. Er nennt den Vertrag "das größte Umweltschutzabkommen der Geschichte".
Das Abkommen schafft einen Rechtsrahmen, der die Einrichtung von Meeresschutzgebieten ermöglicht. Viele Fragen sind allerdings noch offen, zum Beispiel wo und wann solche Schutzgebiete eingerichtet werden und wie genau abgelegene Meeresregionen fernab der Küsten überhaupt geschützt werden sollen. "Sobald der Vertrag von den einzelnen Staaten angenommen wurde, kann die Arbeit beginnen", so Rebecca Hubbard. Dies müsse aber so schnell wie möglich passieren, um das Artensterben im Meer aufzuhalten.
Ziel sei es, dass der Vertrag zum Schutz der Hochsee bis zur UN-Meereskonferenz im Juni 2025 von den Ländern ratifiziert werde. Das sei zwar sehr schnell, es sei aber laut Hubbart jedoch möglich und notwendig.
Das Meer ernährt Milliarden und nützt Wirtschaft und Gesundheit
Die Ressourcen des Ozeans versorgen nicht nur Küstenbewohner, sondern fast drei Milliarden Menschen weltweit. In Zahlen ausgedrückt hat die gesamte Meeresindustrie einen Wert von drei Billionen Dollar (2,8 Billionen Euro), das entspricht fünf Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts.
Das Meer ist also nicht nur für Strandtouristen oder Fischer von großer Bedeutung. Wir brauchen es zur Erzeugung nachhaltiger Wellen- und Gezeitenenergie ebenso wie zur Gewinnung von Rohstoffen und sogar zur Herstellung von Medikamenten.
So kommen beispielsweise einige Wirkstoffe gegen Leukämie von einem Flachwasser-Schwamm namens Tethya crypta, der in Gewässern der Karibik vorkommt. Und das Gift der fischfressenden Meeresschnecke Conus Magnus wird zu Entwicklung eines effektiven Schmerzmittels verwendet. Noch ist der Ozean eine Landkarte mit vielen weißen Flecken für die Medizin, doch Wissenschaftler sehen dort ein gigantisches Potenzial für die Behandlung von Krankheiten.
Warum der Klimawandel die Meere stresst
Mehr als die Hälfte des gesamten Sauerstoffs in unserer Atmosphäre wird von Lebewesen im Ozean hergestellt. Gleichzeitig speichert das Meer 50-Mal mehr klimaschädliches CO2 als sich derzeit in der Atmosphäre befindet. Je wärmer der Ozean wird, umso weniger Kohlenstoffdioxid kann das Wasser speichern. Das heißt: Je wärmer es wird, desto weniger kann das Meer den Planeten vor noch extremerem Wetter schützen.
Steigen die Temperaturen weiter im derzeitigen Tempo an, gehen Wissenschaftler davon aus, dass viele Schalentiere wie Muscheln oder Schnecken nicht überleben werden. Das hängt mit der Versauerung des Wassers zusammen: steigt der Kohlendioxydgehalt im Meereswasser, ändert sich der pH-Wert im Wasser. Der steigende Säuregehalt erschwert die Bildung der kalkhaltigen Schalen der Tiere. Dadurch würden ganze Biotope ins Ungleichgewicht kippen, und komplette Wirtschaftszweige wie beispielsweise die Zucht von Austern und Miesmuscheln könnten dadurch ebenfalls zum Erliegen kommen.
Mit den steigenden Temperaturen in der Atmosphäre durch das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas verändern sich auch die Meeresströmungen und das Wasser wird wärmer. Das kann schon heute für viele Lebewesen, beispielsweise Korallen, tödlich sein. Korallen leben in Symbiose mit farbigen Algen, die Korallen bei der Ernährung helfen. Die Erwärmung des Wassers kann dazu führen, dass die Algen absterben, in der Folge ist die Koralle deutlich höherem Stress ausgesetzt und sie verliert ihre Farbe (Korallenbleiche).
Wie wir Ökosysteme im Meer sofort schützen können
Die UNESCO schätzt, dass bis zum Ende des Jahrhunderts etwa die Hälfte aller Meereslebewesen vom Aussterben bedroht sein könnten, wenn sich nichts Grundlegendes ändert. Das heißt nicht zwangsläufig, den Ozean nicht mehr zu nutzen, sondern ihn so zu nutzen, dass er bestenfalls keinen Schaden nimmt - oder nur so viel, dass er sich zumindest von selbst erholen kann.
Jährlich werden zum Beispiel 10 Millionen Tonnen Fisch - das entspricht dem Volumen von über 4500 Schwimmbecken - wegen schlechter Fangpraktiken und Verarbeitungsmethoden weggeworfen: Das ist vermeidbar und könnte den Druck auf die Meere direkt verringern.
Ein anderes Beispiel: Abwasser. Heute werden immer noch rund 80 Prozent der weltweiten Abwässer ungefiltert ins Meer geleitet, in den ärmsten Ländern der Welt sind es sogar bis zu 95 Prozent. Diese Abwässer verschmutzen, verseuchen und zerstören Gewässer und Küstenregionen. Werden nachhaltige Abwasser-Systeme aufgebaut, besonders in Entwicklungsländern, schont das nicht nur das Ökosystem Meer, sondern trägt vielerorts außerdem zu einer besseren Trinkwasserversorgung bei.
Was bringt ein neues Abkommen für die Meere, hilft das überhaupt?
Laut Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gehören internationale Abkommen zu den besten Möglichkeiten, die Zerstörung der Ozeane zu stoppen.
Für den Schutz von küstennahen Gebieten wurden in den vergangenen Jahren eine Reihe internationale Vereinbarungen getroffen. Einige Ansätze zeigen bereits Wirkung, viele andere hinken den eigenen Zielen allerdings noch hinterher. Denn die Umsetzung von internationalen Vereinbarungen hängt immer auch davon ab, ob nationale Parlamente in den Staaten sie auch in Gesetze gießen und geeignete Institutionen und Projekte mit genügend Ressourcen ausstatten, um die Vorhaben umzusetzen.
Dieser Artikel wurde am 19.September mit der Information zum Beginn der Ratifizierung aktualisiert.