Wasserknappheit? Vier originelle Lösungen
17. Juni 2022Die Welt ist durstig und verbraucht mehr Trinkwasser als vielerorts zur Verfügung steht. Häufigere und längere Dürren durch den menschengemachten Klimawandel und schlechtes Wassermanagement verstärken das Problem.
Laut einer der aktuellen Studie des United Nations University Institute for Water, Environment and Health wird die Hälfte der Länder weltweit bis 2050 unter Wasserknappheit leiden. Darunter vor allem Länder der Sahelzone in Afrika, Regionen im Nahen Osten und Asien. Wissenschaftler haben deshalb einige originelle Ideen ins Spiel gebracht, wie das Problem gelöst werden könnte.
Eisberge aus der Arktis nach Afrika transportieren?
Die arktische Eismasse besteht aus 27 Millionen Kubikkilometern Wasser, davon brechen jährlich 100.000 Eisberge ins Meer und schmelzen. Die riesigen Brocken sind eine gigantische bisher ungenutzte Süßwasserquelle. Die könnte man sich zu Nutze machen, so denken einige Wissenschaftler. Zum Beispiel in Kapstadt in Südafrika. Der Stadt ging 2017 fast das Wasser aus.
"Einige Leute haben die Idee angestoßen, Eisberge aus der nördlichen Hemisphäre zur Bekämpfung von Wassermangel in Kapstadt zu nutzen", sagt Manzoor Qadir, Wissenschaftler an der United Nations University in Hamilton, Kanada und Herausgeber der Buches Unconventional Water Resources.
Zumindest für den Transport kleinerer Eisberge bis etwa hundert Meter Breite ist die Technik dafür bereits vorhanden. Öl- und Gaskonzerne schleppen solche Eisbrocken mit kleineren Schiffen ein paar Kilometer ab, wenn sie Bohrinseln gefährlich nahe kommen. Doch einen echten Rieseneisberg hat noch niemand über hunderte Kilometer transportiert.
Virtuell ist die spektakuläre Idee zwar schon gelungen: 2011 wurde in wissenschaftlichen Computersimulationen ein riesiger Eisberg erfolgreich von Neufundland über den Atlantik transportiert. Doch "solche Simulationen gehen von bestimmten Annahmen aus, die oft sehr vage sind", so Qadir. Er hat Zweifel, ob das Abschleppen eines riesigen Eisbergs physikalisch überhaupt möglich ist, ohne dass er auseinanderbricht. Denn damit sich ein solches Projekt lohnen würde, müsste der transportierte Eisberg schätzungsweise einen Kilometer lang, 500 m breit und 250 m tief sein und 125 Millionen Tonnen wiegen. Zum Vergleich: Die legendäre Titanic wog etwa 50.000 Tonnen.
Ein solcher Rieseneisberg könnte etwa ein Fünftel des Wasserbedarfs von Kapstadt für ein Jahr decken.
Es gibt aber noch viele offenen Fragen: etwa wie stark meterhohe Wellen über hunderte oder tausende Kilometer den Transport behindern könnten, wie viel Eis auf dem Weg schmelzen würde und welche Folgen das für die Ökosysteme im Meer hätte. Der Transport von Eisbergen für die Süßwasserversorgung ist daher für Quadir im Moment nicht prioritär. Viele andere Möglichkeiten seien jedoch heute schon einsetzbar.
Cloud Seeding – selber Regen machen
Was wäre denn, wenn man den Regen einfach da fallen lassen könnte, dort wo man ihn gerade braucht? Das klingt zwar verrückt, ist aber möglich. Die Methode nennt sich Cloud-Seeding.
Eines der vermeintlichen Zaubermittel: Silberiodid. Mit Hilfe von Raketen oder Flugzeugen wird die Chemikalie in Regenwolken geschossen. Das Silberiodid bindet die Feuchtigkeit in den Wolken zu Tropfen, die als Regen auf die Erde fallen.
In China läuft bereits ein Programm, bei dem man in den nächsten Jahren mit Cloud Seeding auf einer Fläche 1,5-Mal so groß wie Indien die Landwirtschaft in Dürreperioden schützen und Wald- und Buschbrände bekämpfen will. In Russland wird die Methode regelmäßig angewendet, damit an öffentlichen Feiertagen und bei Militärparaden die Sonne scheint. Damit Wolken nicht die Parade vermiesen, werden sie vorher zum Abregnen gebracht. Die Umweltbelastung durch die Chemikalie wurde in Langzeitstudien bisher als extrem gering bewertet. Bei weltweiter und deutlich ausgeweiteter Anwendung könnten Ökosysteme dennoch beeinflusst werden, heißt es in einer anderen Studie.
Und "auch kleine Mengen Silberiodid sind giftig für Meeresbewohner," warnt Thara Prabhakaran, Wissenschaftlerin für Wolkenphysik am Indian Institute of Tropical Meteorology. Zwar werden die Chemikalien, bevor sie auf die Erde kommen, extrem verdünnt, zu den Risiken gäbe es bisher aber "noch wenig Informationen," sagt Prabhakaran.
Und: Regen zu machen in Regionen, in denen es jetzt fast nie regnet, wird auch mit dieser Methode nicht möglich sein. Es braucht spezielle Wolken und punktgenaue Wettervorhersagen, sowie eine technische Ausstattung, die längst nicht überall zur Verfügung steht. In sehr heißen Regionen könnten die Regentropfen außerdem verdampfen, bevor sie auf die Erde fallen, erklärt die Wissenschaftlerin. Cloud Seeding sei nicht die eine Lösung für die ganze Welt. Doch für bestimmte Regionen könnte das künstliche Regenmachen eine Chance sein, wenn die Methode dort tragfähig und wissenschaftlich sinnvoll sei.
Nebel ernten: Minitröpfchen aus der Luft
Es muss aber nicht unbedingt High-Tech sein, um sich die Feuchtigkeit aus der Atmosphäre zu Nutze zu machen. Das "Ernten" von Nebel ist eine uralte Tradition, die vor allem für Gemeinden in trockenen Bergregionen eine zuverlässige Frischwasserquelle sein kann.
Nachts kühlt es dort nämlich deutlich ab, die Luftfeuchtigkeit steigt, es kommt regelmäßig zu Nebel. Maschenartige Netze von etwa einem Quadratmeter oder größer werden senkrecht zur Windrichtung gestellt. Bläst der Wind den Nebel durch die Netze, bleibt darin Feuchtigkeit hängen. Tropfen bilden sich und fließen in eine Zisterne, die das Wasser auffängt. Vor allem in ländlichen Gebieten in Chile, Marokko und Südafrika kommt die Methode schon heute erfolgreich zum Einsatz. Bei Projekten in Eritrea sammeln Dörfer auf diese Art bereits insgesamt 12.000 Liter Wasser pro Tag. Das Wasser wird dort als Trinkwasser genutzt. "Es geht nicht nur um Wasser, sondern auch um soziale und ökonomische Aspekte", so Qadir.
”Frauen, die sonst kilometerweit zur nächsten Wasserquelle laufen mussten, können nun anderer Arbeit nachgehen, Kinder können in die Schule gehen." Eine 40 m2 große Anlage kostet rund $1.500 Dollar (1400 Euro) und produziert etwa 200 Liter Wasser pro Tag. Für mindestens 70 Gebiete auf allen Kontinenten wäre Nebelernten nachweislich eine alternative Trinkwasserquelle.
Gut für Tonne und Zisterne: Regenwasser auffangen
Regenwasser in kleinen Regentonnen oder in großen Teichen zu speichern, auch diese Methode wenden Menschen schon sehr lange an. Die ältesten bekannten unterirdischen Zisternen sind über 5000 Jahre alt. Allerdings ist das Potenzial Regenwasser weltweit noch lange nicht voll ausgeschöpft. Besonders in trockenen Regionen der Erde wie dem Nahen Osten, der Sahelzone oder in Asien verdunsten über 90 Prozent des Regenwassers ungenutzt oder fließen einfach ab.
Dabei sind die Möglichkeiten vielfältig. Jeder kann über die Installation von Regenrinnen und Rohren zu einem Auffangbehälter Niederschläge sammeln und für die Landwirtschaft oder gefiltert als Trinkwasser nutzen. In Städten, in denen das Wasser knapp ist, kann das Sammeln von Regenwasser etwa auf Hausdächern nicht nur die Trinkwasserversorgung sichern, sondern auch bei Starkregen die Überflutung der Abwassersystemen verringern.
Eigens angelegte Gräben und Dämme können die Speicherung von Feuchtigkeit im Boden enorm fördern. Wenn es regnet, wird das Wasser dorthin geleitet, wo es gebraucht wird. Dort kann es langsam einsickern, langfristig Pflanzen bewässern und gleichzeitig den Boden vor Erosion schützen.
Die Autoren einer Studie von 2020 schätzen sogar, dass konsequentes Auffangen von Regenwasser die landwirtschaftliche Produktion in Uganda, Burundi, Tansania und Indien um 60 bis 100 Prozent steigern könnte.