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Politik

Griechenland: Lehren aus den Bränden?

11. August 2021

Ums Leben gekommen sind in den Flammen diesmal nur zwei Personen. Sonst aber ging fast alles schief. Nun will die Regierung in Athen den Zivilschutz vollständig umorganisieren. Doch die Bevölkerung bleibt skeptisch.

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BdTD | Griechenland | Waldbrände
Freiwillige warten auf der Insel Euböa auf ihren Einsatz gegen das FeuerBild: Angelos Tzortzinis/AFP/Getty Images

Die Brände in Attika scheinen unter Kontrolle, aber in der Region Arkadien und auf Euböa brennt es immer noch. Seit neun Tagen. Von den üppigen Wäldern auf Griechenlands zweitgrößter Insel ist fast nichts übrig geblieben. Die Hälfte der Dörfer wurde zerstört, die Bewohner sind verzweifelt. Und es ist noch nicht einmal Mitte August. Normalerweise wird ab jetzt der Meltemi, der Sommerwind in der Ägäis, heftiger, was die Brandgefahr weiter vergrößert. Und noch lässt die Jahrhunderthitze nicht nach.

Die Luft im Land ist stickig, die Temperatur liegt bei 38 Grad im Schatten, der Boden ist trocken. Die Angst vor neuen gefährlichen Bränden ist gewaltig, die Hoffnung, dass der Staat ab jetzt besser reagiert als bisher, minimal. Seit Tagen verfolgen die Menschen verzweifelt das katastrophale Krisenmanagement der Zivilschutzbehörde und werden immer wütender auf den Mangel an Information und Selbstkritik seitens der Regierung.

Karte - Brände in Griechenland - DE
Waldbrände in Griechenland seit Anfang August 2021

Regierungssprecherin Aristotelia Peloni ist seit dem 20.07.2021 aus der Öffentlichkeit verschwunden. Folglich konnten die Journalisten ihr auch keine Fragen stellen. Nikos Chardalias, der Chef der Zivilschutzbehörde, hielt wochenlang zweimal pro Tag einen Monolog vor laufenden Kameras - ohne Möglichkeit für Nachfragen, bis die Medien-Gewerkschaft ESIEA scharf protestierte. Am 10.08.2021 ließ Chardalias dann immerhin ein paar Fragen zu, die er vage beantwortete.

Die Entschuldigung desPremierministers Kyriakos Mitsotakis "für mögliche Schwächen" beim Krisenmanagement in einer Fernsehansprache am 9.08.2021 fanden viele Bürgerinnen und Bürger halbherzig - und alle Oppositionsparteien unehrlich. Noch aber ist die politische Auseinandersetzung über die "möglichen Schwächen" und das schlechte Management zivilisiert. In den sozialen Medien dagegen wird Mitsotakis bereits jetzt regelrecht beschimpft.

Priorität: Fehler vermeiden

Seit Ausbruch der Brände war klar, dass die Regierung nach dem tödlichen Feuer in Mati bei Athen 2018 vor allem Leben schützen wollte. Damals waren innerhalb weniger Stunden 102 Menschen gestorben, Feuerwehr und Verkehrspolizei hatten alle möglichen und unmöglichen Fehler gemacht, die Krisen-Koordination der damalige linken SYRIZA-Regierung war katastrophal und die politische Kommunikation miserabel. Diese Fehler wollte die heutige konservative Nea Dimokratia-Regierung auf jedem Fall vermeiden, daher entschied man sich sofort und überall für Evakuierungen - auch in Orten, in denen die Bewohner bei den Löscharbeiten helfen konnten und wollten.

Waldbrand bei Athen PKW Wracks
Mati bei Athen, Juli 2018: Vom Feuer zerstörte FahrzeugeBild: picture-alliance/NurPhoto/N. Economou

Das positive Ergebnis dieser Strategie war, dass diesmal nur ein Feuerwehrmann und ein Fahrer in den Flammen ums Leben kamen. Sonst aber ist fast alles schief gegangen - trotz der schwachen Winde, trotz der übermenschlichen Anstrengungen der Feuerwehrleute und der Freiwilligen und trotz der großen Hilfe aus aller Welt. Und trotz der Tatsache, dass fast alle europäischen Länder und auch der Erzfeind Türkei Löschflugzeuge, Hubschrauber, Fahrzeuge und Personal nach Griechenland geschickt haben.

Verbrannte Erde

Trotzdem sind bis heute (11.08.2021) fast 100.000 Hektar Wald verbrannt, dreimal soviel wie seit der Jahrtausendwende jährlich üblich; betroffen sind knapp zwölf Prozent der Wälder Griechenlands. Die Folgen dieser Umweltkatastrophe sind enorm - und die Aussicht auf die für den Winter zu erwartenden Überschwemmungen düster.

Waldbrände in Griechenland
Ein Hubschrauber beim Löscheinsatz gegen einen Waldbrand in GriechenlandBild: Nicolas Economou/REUTERS

Wo waren die vielen Löschflugzeuge, warum wurden sie nicht rechtzeitig in die betroffenen Gebiete geschickt? Nach den gestrigen vagen Aussagen des Zivilschutzbehörden-Chefs Chardalias waren die Maschinen "wegen des dichten Rauchs nicht einsatzfähig" oder wurden anderswo gebraucht. Sicher ist: Die Bewohnerinnen und Bewohner der Waldbrandgebiete haben sie ebenso wenig gesehen wie die dort anwesenden Journalistinnen und Journalisten.

Immer wieder Ankündigungen

Premier Mitsotakis kündigte nach einer Krisen-Kabinettssitzung am Abend des 10.08.2021 an, er wolle den griechischen Zivilschutz neu organisieren. Künftig solle Prävention im Mittelpunkt der Brandbekämpfung stehen - und nicht mehr Reaktion.

Einsatz der Hessische Feuerwehren in Griechenland
Löschzüge der hessischen Feuerwehr auf dem Weg nach GriechenlandBild: Nikolaos Michos

Doch derartige Ankündigungen hat man in Griechenland schon viel zu oft gehört. Nach jeder Brandkatastrophe verspricht die jeweilige Regierung mehr Prävention und bessere Koordination zwischen der Feuerwehr und dem Forstdienst - und dann vergisst sie ihre Versprechungen. Oder die nächste Regierung kommt an die Macht und verfolgt andere Pläne.

Vergessene Vorschläge

Nach der Katastrophe in Mati hatte die damalige Regierung den Feuerökologen Johann Goldammer beauftragt, Versäumnisse und Fehler zu beurteilen und Vorschläge für eine moderne Brandbekämpfung zu formulieren. Der Leiter des Zentrums für Globale Feuerüberwachung (GFMC) in Freiburg hat seinen Befund dem griechischen Parlament, dem damaligen Premier Alexis Tsipras und dem damaligen Oppositionsführer Mitsotakis im Februar 2019 ausgehändigt.

Prof. Dr. Johann Georg Goldammer
Der Feuerökologe Johann Goldammer, Leiter des Zentrums für Globale FeuerüberwachungBild: Philipp on Dithfurt

Damals lobten alle Goldammers Vorschläge, Mitsotakis beteuerte sogar, er wolle binnen sechs Monaten einen Plan für das Management von Naturkatastrophen präsentieren. Mittlerweile ist Mitsotakis seit mehr als zwei Jahren Regierungschef. Gestern (10.08.2021) machte er wieder eine feierliche Ankündigung, wie so viele Premiers vor ihm. Ob den Worten diesmal folgen?

Polizei statt Feuerwehr

Konkret will die Regierung Mitsotakis den Zivilschutz vollständig umorganisieren. Nur: Seit zwei Jahren stellt sie einzig Polizisten ein, sogar für eine umstrittene Uni-Polizei - und immer weniger Feuerwehrleute oder Forstdienst-Mitarbeitende. Diese Behörden haben stark unter den Sparmaßnahmen während der griechischen Schuldenkrise gelitten. Heute haben sie zu wenig und zu altes Personal.

Griechenland | Waldbrände
Waldbrand in Griechenland im August 2021Bild: ALEXANDROS AVRAMIDIS/REUTERS

Außerdem ist die Idee von Wachstum der derzeitigen konservativen Regierung - genauso wie jeder bisherigen griechischen Regierung - mit Naturschutz nicht kompatibe. Fast nach jedem Brand entsteht an Orten, an denen man zuvor hoch und heilig versprochen hatte, dass neuer Wald erschaffen wird, wie das die griechische Verfassung fordert, eine neue Siedlung. Und zu viele Menschen machen bei diesem Verbrechen mit.

Umweltbewusstsein? Fehlanzeige

Von Umweltbewusstsein halten die meisten Griechinnen und Griechen nach wie vor nicht viel. Trotz der Klimakrise, die in Griechenland längst begonnen hat. Mit immer verheerenderen Bränden und Überschwemmungen, weiter steigenden Temperaturen, immer längeren Dürren und einer immer extremeren Meereserwärmung.

Mit einem Sonderhaushalt von 500 Millionen Euro will die aktuelle Regierung nun einen schnellen Wiederaufbau sowohl der verbrannten Wohnhäuser als auch der Industriegebäude angehen. Konkret können Betroffene bis zu 150.000 Euro für zerstörte oder beschädigte Häuser beantragen; einen Vorschuss von 5000 bis 20.000 Euro können sie, je nach Schaden, sofort erhalten.

Die finanzielle Hilfe soll unbürokratisch über eine Onlineplattform erfolgen, die ab dem 18.08.2021 funktionsfähig sein soll. Brandgeschädigte Unternehmen sollen mit 70 Prozent ihrer Verluste entschädigt werden. Für den Wiederaufbau von Euböa hat die Regierung ein Komitee ins Leben gerufen, zu dessen Leiter Stavros Benos ernannt wurde. Benos ist krisenerfahren: Der Ex-Bürgermeister von Kalamata hatte seiner Stadt nach dem Erdbeben von 1986 erfolgreich wieder auf die Beine geholfen.

Foto-Porträt einer Frau mit braunen Haaren, blauen Blazer und grauem T-Shirt
Kaki Bali DW-Korrespondentin in Griechenland