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PolitikUkraine

Ukraine: Was die Drohnenangriffe auf Russland bewirken

Lilia Rzheutska | Marina Baranovska | Marina Ivanova | Dmytro Kaniewski
14. März 2024

Warum verstärkt die Ukraine Drohnenangriffe auf Russland? Konnte die ukrainische Armee die russische Offensive im Donbass wirklich aufhalten? Wie russische, ukrainische und westliche Militärexperten die Lage bewerten.

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Schwarze Rauchsäule über der Raffinerie im russischen Rjasan nach einem ukrainischen Drohnenangriff
Brand in der Raffinerie im russischen Rjasan nach einem ukrainischen DrohnenangriffBild: Video Obtained By Reuters/via REUTERS

In letzter Zeit verstärkt die Ukraine ihre Drohnenangriffe auf Russland - mehrere russische Regionen wurden von Dutzenden Drohnen getroffen. Beispielsweise schlug in Rjasan eine Drohne in eine Raffinerie ein und in Belgorod traf eine Drohne ein Gebäude des Inlandsgeheimdienstes FSB. Das russische Verteidigungsministerium meldete, allein am 13. März seien 65 Drohnen abgefangen worden.

Wenige Tage zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärt, dass es den Streitkräften der Ukraine gelungen sei, den Vormarsch russischer Truppen im Osten des Landes aufzuhalten.

"Den Russen gehen die Möglichkeiten aus"

Die russische Armee verfüge nicht mehr über die Kräfte, die sie noch vor zwei Wochen hatte, um die Angriffe im Osten der Ukraine fortzusetzen. Zu diesem Ergebnis kommt der unabhängige russische Militäranalyst Jan Matwejew.  "Die russischen Militärs haben immer weniger Erfolge erzielt. In der vergangenen Woche ist es ihnen nicht einmal gelungen, die Dörfer, an deren Rändern sie sich befanden, unter ihre Kontrolle zu bringen. Deshalb kann man wirklich sagen, dass die russische Offensive zum Stehen gekommen ist", sagt der Experte.

Ihm zufolge ist das eine "logische Entwicklung, die absolut vorhersehbar war". Den Russen würden "einfach die Möglichkeiten ausgehen". "Man kann nicht ohne Ende in eine solch schwere Offensive gehen, wie es die russische Armee getan hat. Die Einheiten verschleißen, erleiden herbe Verluste, sie müssen abgezogen, neu formiert und mit neuer Munition versorgt werden", erläutert der Experte im Gespräch mit der DW. Natürlich habe auch die ukrainische Armee keine Zeit vergeudet. Sie habe versucht, sich zu verteidigen, ihre eigenen Verluste minimal zu halten, was ihr auch gelungen sei, so Matwejew.

Der ukrainische Militärexperte Kostjantyn Maschowez vom "Zentrum für militärisch-politische Forschung" in Kiew weist allerdings darauf hin, dass es noch zu früh sei, von einer Stabilisierung der Frontlinie zu sprechen. Aus seiner Sicht fehlen entscheidende Anzeichen dafür. Generell habe die Ukraine aber ihre Kriegsstrategie geändert. "Jetzt fügt man weit entfernten Objekten und Zielen Schäden zu, die das strategische Potenzial des Feindes ausmachen", betont er. Laut Maschowez wird dies mittelfristig dazu führen, dass die militärischen Fähigkeiten der russischen Armee erheblich geschwächt werden.

Kiew nimmt russische Raffinerien ins Visier

Ein Anzeichen dafür, dass die Streitkräfte der Ukraine eine neue Taktik verfolgen, sind die vermehrten Angriffe mit ukrainischen Drohnen auf russisches Territorium, insbesondere auf Ölraffinerien. "Die Produktion der Raffinerien bestimmt die Menge des Treibstoffs, den die russischen Truppen auf dem Territorium der Ukraine verbrauchen können, so Maschowez. "Daher wirkt sich die Verringerung der Menge direkt auf die Anzahl der Einsätze der russischen Armee aus. Je weniger die Raffinerien produzieren, desto weniger Angriffe wird es auf die ukrainischen Streitkräfte geben."

Löscharbeiten bei einem Brand in einer Industrieanlage im russischen Ust-Luga nach einem ukrainischen Drohnenangriff im Januar 2024
Brand im russischen Ust-Luga nach einem ukrainischen Drohnenangriff im Januar 2024Bild: Telegram Channel of head of the Kingisepp district administration Yuri Zapalatskiy/AP/picture alliance

Laut dem ukrainischen Militärexperten verfolgen die Angriffe auf Raffinerien noch ein weieres Ziel: Auf diese Weise würden die Möglichkeiten für Russlands Wirtschaft geschmälert, mit Ölprodukten Handel zu treiben, was zu den Haupteinnahmequellen des russischen Haushalts zählt.

Maschowez' Meinung teilt der russische Militärexperte Jan Matwejew. "Die Angriffe ukrainischer Drohnen auf Raffinerien und Öllager in Russland beeinträchtigen die Exportmöglichkeiten des Putin-Regimes, was den Verkauf von Treibstoff angeht. Und das hat direkte Auswirkungen auf den Kriegsverlauf", betont er.

Psychologische Effekte und echte Schäden

Jan Matwejew schließt nicht aus, dass Kiew seine Drohnenangriffe bald noch ausweiten könnte. "Ich vermute, dass im Vorfeld der sogenannten "Putin-Wahlen" Angriffe geplant sind. Auch psychologische Effekte sind wichtig. Das ukrainische Militär will zeigen, dass Putin Russland und seine Infrastruktur nicht vor ukrainischen Drohnen schützen kann", so der Experte.

Zudem schließt er nicht aus, dass die Ukraine, um psychologischen Druck zu erzeugen, wieder versuchen könnte, den Kreml in Moskau mit Drohnen zu treffen: "Militärisch würde das keinen Nutzen bringen. Aber in psychologischer Hinsicht ist das eine ernste Sache. Wenn man am Abend des 17. März in den Nachrichten berichten wird, wie hervorragend Wladimir Putin die Wahl gewonnen hat, und dann eine kleine Drohne über der Kuppel des Kremls explodiert, das wäre schon ein ziemlich starkes Signal."

Marina Miron,  Militärexpertin am Londoner King's College, sagt im Gespräch mit der DW, die Drohnenangriffe auf russische Ziele seien ein "interessantes asymmetrisches Mittel, um Russland Schaden zuzufügen, ohne tatsächlich große Investitionen zu tätigen". Drohnen seien billig, könnten aber auch großen Schaden anrichten - und nicht nur psychologische Effekte zu erzeugen. "Die Bewohner der Grenzregionen, und sogar bis nach St. Petersburg, müssen auf der Hut sein und mit Angriffen rechnen. Das ist für den Kreml etwas, was an der Moral zehrt", so Miron. Laut der Expertin ist es jedoch unwahrscheinlich, dass ukrainische Angriffe so großen Schaden anrichten, dass die russische Militärmaschinerie kollabiert. "Aber es ist immerhin eine Demonstration des ukrainischen Willens", sagt sie.

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk