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Was bringt Chinas Neue Seidenstraße?

Anja Steinbuch mit Jürgen Hoffmann
17. November 2017

China will sich Europa nähern. Dafür soll die Neue Seidenstraße, ein Geflecht aus Handelswegen, in den nächsten Jahrzehnten gebaut werden. Gefahr oder Chance für die deutsche Wirtschaft?

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China Seidenstraßen-Gipfel Millennial Road
Bild: picture-alliance/Photoshot/P. Xinglei

Straßen und Schienenstrecken über tausende Kilometer zwischen Asien und Europa, See- und Flughäfen, Kraftwerke, Pipelines und Logistikzentren in Pakistan und Polen - 900 Milliarden Dollar will China in die "Neue Seidenstraße" investieren.

Das Netz aus Handelswegen zu Land, zu Wasser und in der Luft soll die asiatischen, afrikanischen und europäischen Staaten, die zwischen China und der Alten Welt liegen, miteinander verbinden. Es wird auch "One Belt, One Road" genannt ("Ein Band, eine Straße").

Das Mammutprojekt, das Staatschef Xi Jinping seit 2013 forciert, nimmt jetzt konkrete Formen an. Es ist das größte Entwicklungsprogramm weltweit seit dem Marshall-Plan, mit dem die USA vor 70 Jahren den Wiederaufbau Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg unterstützten.

Chinesisches Selbstbewusstsein

Die Neue Seidenstraße ist keine romantische Reministenz an eine der ältesten Handelsrouten, auf der einst Karawanen Seide und Gewürze von China durch die Takla-Makan-Sandwüste und über die schneebedeckten Pässe des Pamir-Gebirges nach Europa transportierten. Vielmehr ist es Ausdruck des Selbstbewusstseins Chinas, das auf dem besten Weg ist, die USA als größte Wirtschaftsmacht der Welt abzulösen.

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Mit dem gigantischen Projekt untermauert die Volksrepublik ihre geopolitischen und weltwirtschaftlichen Ambitionen. Der Bau der Neuen Seidenstraße sei "eine ermunternde Botschaft Chinas an Europa, künftig enger und besser zusammenzuarbeiten", sagt der ehemalige tunesische Botschafter im Reich der Mitte, Mohamed Sahbi Basly.

Er vertritt die mediterranen Länder in der World Public Diplomacy Organization (WPDO), einem im Oktober in Genf gegründeten Zusammenschluss aktiver und ehemaliger Botschafter, die sich für das Projekt Neue Seidenstraße und den friedlichen Austausch zwischen Ost und West einsetzen. Die WPDO wird aus China finanziert.

Für die Wirtschaft Europas birgt das Projekt Risiken, aber auch enorme Chancen. Optimisten hoffen, dass die Neue Seidenstraße dazu führen wird, dass China sich schrittweise westlichen Regeln und Gesetzen anpasst.

Angst vor China

Skeptiker befürchten das Gegenteil: Sie warnen vor einer Globalisierung chinesischer Prägung: ohne konkrete Rahmenbedingungen, ohne Bekenntnisse zu Umwelt- oder Sozialstandards, ohne öffentliche Ausschreibungen.

Die Bekenntnisse Chinas zum weltweiten Freihandel und gegen wirtschaftliche Abschottung halten sie für Täuschung. Nicht so Bundesaußenminister Sigmar Gabriel. Er glaubt, dass China die Lücke auffüllen kann, die "nach einem eventuellen Rückzug der USA aus der liberalen Welt- und Handelsordnung" entstünde: "Die Neue Seidenstraße zeigt, wie weitsichtig dort gedacht und gehandelt wird."

Ähnlich äußert sich Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries. Das Jahrhundertprojekt müsse aber "auf der Grundlage einer wirklichen Partnerschaft, gegenseitigem Nutzen und gleicher Wettbewerbsbedingungen" entstehen. Zudem müssten möglichst viele Länder mit ins Boot geholt werden: "Es braucht einen multilateralen Ansatz, nicht nur einzelne Projekte", so Zypries.

Doch kann das funktionieren? Jörg Wuttke, Chefrepräsentant von BASF in China, ist skeptisch und verweist auf die "herausfordernden politischen Systeme" mancher Staaten entlang der Neuen Seidenstraße sowie auf große Unterschiede in der vorhandenen Infrastruktur - von der Stromspannung bis zur Spurbreite der Bahngleise.

Große Hoffnungen

Zu den Befürwortern gehört dagegen Garth Ritchie, Mitglied im Vorstand der Deutschen Bank. Er sieht den Ausbau der Infrastruktur-Verbindungen zwischen Asien und Europa als "eine große Chance für die Bürger und die Volkswirtschaften Chinas und Europas".

In China hilft das Großprojekt, Überkapazitäten im Bau-, Stahl und Transportbereich abzubauen. Außerdem sind die Milliarden, die über Fonds als günstige Kredite vergeben werden, geeignet, die riesigen Devisenüberschüsse Chinas abzubauen.

Thomas Eder - Mercator Institute for China Studies
Thomas Eder, Mercator InstituteBild: Mercator Institute for China Studies

Für die europäische Wirtschaft könnte sich der Bau der Neuen Seidenstraße spätestens in der nächsten Konjunkturflaute als willkommener Rückenwind erweisen. Beste Karten haben dabei nach Ansicht von Thomas Eder vom Mercator Institute for China Studies in Berlin Zulieferer von Spezialausrüstungen und Dienstleister für die Projektplanung. Dies gelte besonders im Energiebereich, in der Logistik, bei der Bahntechnik und im Hafenausbau. Viele solcher Unternehmen sitzen in Deutschland.

Kulturelle Unterschiede

Auch wenn die neuen Handelskorridore zwischen Ost und West einmal fertig sind, dürften deutsche Konzerne und Mitteltändler zu den größten Profiteuren zählen. "Dafür aber müssen viele Firmenchefs ihre Angst vor China verlieren", betont Helmut Naujoks, Präsident der deutschen Sektion der von China finanzierten WPDO.

Natürlich herrsche in der Volksrepublik eine andere Kultur als in Deutschland: "Aber ich erlebe diese Kultur als offen und vertrauensvoll", sagt Naujoks, der fünfzehn- bis zwanzigmal im Jahr in China mit Investoren zusammentrifft, die in der Bundesrepublik nach Kooperationen suchen.

Deutschen Unternehmern empfiehlt er für den Sprung ins Reich der Mitte eine Bereitschaft zur Anpassung und den Aufbau guter Kontakte: "Sonst scheitert man dort." Und Geduld sei wichtig: "Vor dem Geschäft kommt die Freundschaft. Oder in Wirtschaftsdeutsch: Nachhaltigkeit schafft Prosperität."

Viele Aufträge noch nicht vergeben

Um an Aufträge für das gewaltige Entwicklungsprojekt zu kommen, muss man vor Ort sein. "Die Musik spielt in China", betont Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) in Berlin.

"Deutsche Unternehmen sollten versuchen, Player innerhalb der Initiative Neue Seidenstraße zu werden", rät er. Nicht nur große, auch viele mittelständische Betriebe besäßen "enormes Know-how und internationale Erfahrungen", um einen Beitrag zu den geplanten Infrastrukturprojekten in Eurasien zu leisten.

"Die Neue Seidenstraße steht erst am Anfang, entsteht Stück für Stück", fügt Treier hinzu. "Das meiste Geld für dieses Projekt ist noch nicht vergeben."

Die Partnersuche zwischen Ost und West geschieht nicht in einer Einbahnstraße: Chinesen putzen zwischen Kiel und Passau Unternehmens-Türklinken, "um auszuloten, welche Firmen sich am Bau der Handelskorridore nach Westen und der geplanten Hotspots entlang der Routen beteiligen wollen", sagt Helmut Naujoks. "Fast täglich kommt es zu neuen Kontaktanbahnungen."

Chinas Kontaktpflege in Europa

Dr. Mohamed Sahbi Basly -  tunesischer Botschafter in China
Mohamed Sahbi Basly, Ex-Botschafter Tunesiens in ChinaBild: WPDO

Nicht nur in Deutschland. Auch bei den europäischen Nachbarn tragen chinesische Vertreter ihre Ideen vor. Als Beispiel für ein Objekt der Begierde nennt Naujoks den Hafen der spanischen Stadt Valencia, an dem sich viele chinesische Unternehmen ansiedeln und der nach dem Wunsch Pekings ausgebaut und mit einer Freihandelszone versehen werden sollte.

"Die Neue Seidenstraße kann sich zu einer Win-Win-Situation entwickeln", glaubt Rechtsanwalt Naujoks. "Wenn deutsche Unternehmen mutig sind, werden auf beiden Seiten die Produktion und der Handel wachsen und Tausende neue Arbeitsplätze entstehen." Er sieht China als "Wirtschaftslokomotive, die Prosperität in viele Länder bringen kann".

Auch Staaten wie Tunesien oder Ägypten setzen große Hoffnungen in die Neue Seidenstraße, sagt Mohamed Sahbi Basly von der WPDO: "Sie erwarten dringend notwendige neue Impulse für ihre ökonomische Entwicklung."

Der Politiker verweist zudem darauf, dass enge wirtschaftliche und kulturelle Bande zwischen Asien, Afrika und Europa "auch der Stabilität des Weltfriedens dienen". Schon deshalb sei es sinnvoll, sich am gewaltigen Investitionsprogramm für die Neue Seidenstraße zu beteiligen.


* Der Artikel wurde am 21.11.2017 geändert, um darauf hinzuweisen, dass die World Public Diplomacy Organization (WPDO) eine von China finanzierte Neugründung ist, die auch die Förderung des Projekts Neue Seidenstraße zum Ziel hat.