1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Skepsis auf dem "Seidenstraßen-Gipfel"

Shamil Shams
15. Mai 2017

Auf einem Gipfeltreffen in Peking ist laut Präsident Xi Jinping ein "breiter Konsens" über das Mega-Projekt "neue Seidenstraße" erzielt worden. Doch Asien-Experte Siegfried O. Wolf bezweifelt das gegenüber der DW.

https://p.dw.com/p/2d053
Gruppenfoto beim Gipfel Neue Seidenstraße in Peking
Bild: Reuters/J. Lee

Deutsche Welle: Kann man das Pekinger Gipfeltreffen, mit dem China seine Infrastruktur-Initiative namens "One Belt, One Road" (OBOR) bzw. "neue Seidenstraße" auf die internationale Agenda setzen wollte, als Erfolg bezeichnen?

Siegfried O. Wolf: Zu einen muss man konstatieren, dass weniger als die Hälfte der Länder, die nach chinesischen Angaben an der OBOR-Initiative beteiligt sind, eine Delegation nach Peking entsandt haben. Zum anderen sind eine Reihe von Ländern, die für den Erfolg des Projekts von entscheidender Bedeutung sind, wie etwa Indien, noch unentschlossen, was ihre Beteiligung betrifft.

Die USA haben lediglich eine Delegation unter Matt Pottinger, Donald Trumps Berater für Ost-Asien, geschickt. Was die Europäische Union betrifft, (so hat Kommissionsvizepräsident Jyrki Katainen) die Sicht der EU auf das Projekt dargelegt.

Insgesamt konnten auf dem Treffen die Vorbehalte und Sorgen vieler Teilnehmer nicht ausgeräumt werden. Diese betreffen den bilateralen Ansatz Pekings bei dem Projekt sowie fehlende Transparenz und Korruption. Insbesondere die Forderungen der EU hinsichtlich fairen Marktbedingungen, transparenten Verfahren und wechselseitigem Wirtschaftsaustausch wurden von Peking nicht aufgegriffen.

Türkischer Präsident  Recep Tayyip Erdogan und Chinas Präsident Xi Jinping
Für den türkischen Präsidenten Erdogan ist Chinas Angebot angesichts der Abkühlung mit der EU sicher willkommen Bild: Reuters/J. Lee

Ist die neue Seidenstraße bzw. OBOR wirklich ein wirtschaftlicher Segen für die beteiligten Länder, wie Peking behauptet?

OBOR bürdet nicht nur zukünftigen Generationen große finanzielle Lasten auf, sondern schafft für die beteiligten Länder auch schwere sozio-ökonomische und politische Probleme. So weist etwa das Vorzeigeprojekt innerhalb der OBOR-Initiative, der chinesisch-pakistanische Wirtschaftskorridor, für Pakistan viele Schattenseiten  auf. Seine Regionen werden von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen, lokale Ressourcen werden ohne adäquate Entschädigung ausgebeutet, es kommt zu Enteignungen von Boden und Vertreibung örtlicher Bewohner und zu massiven Wettbewerbsverzerrungen. Insgesamt kann man sagen, dass Peking bei seinem Mega-Projekt die Beharrungskräfte lokaler Konflikte und geopolitischer Rivalitäten ganz klar unterschätzt.

Interessanterweise haben viele Projekte, die offiziell unter der Flagge von OBOR segeln, gar nichts mit OBOR zu tun haben, sondern schon seit langem geplant waren. Um OBOR und die "neue Seidenstraße" zu vermarkten, wurden einfach alle alten und neuen Entwicklungsprojekte in eine Schublade gesteckt.

Was sind die wichtigsten Vorbehalte auf  EU-Seite gegenüber OBOR?

Erstens, OBOR fehlen bislang institutionelle Strukturen. Zweitens, China bevorzugt, Projekte bilateral zu vereinbaren, was auf dem Gipfel bekräftigt wurde. Die EU steht aber für multilateralen Dialog. Es gibt wenig Transparenz bei den Entscheidungsprozessen und unzureichende Kommunikation von Seiten der chinesischen Entscheidungsträger, was OBOR betrifft. Eine Plattform für den Dialog zwischen EU und China ist also nicht vorhanden. Erst dadurch würde aber gewährleistet, dass Teilnehmer aus der EU sich gleichberechtigt an offenen Ausschreibungsverfahren mit chinesischen Wettbewerbern beteiligen können. Solange sich China nicht für einen multilateralen Ansatz öffnet sowie Werten der EU wie Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte und Demokratie, dürfte Skepsis gegenüber OBOR innerhalb der EU bestehen bleiben.

Siegfried Wolf Südasienexperte Uni Heidelberg
Siegfried O. Wolf: Skepsis der EU dürfte so schnell nicht verschwindenBild: Siegfried Wolf

Inwieweit steckt hinter dem gigantischen Infrastruktur- und Investitionsprojekt chinesisches Machtstreben?

China will seinen Wirtschaftserfolg der vergangenen Jahrzehnte auf die geopolitische Sphäre ausdehnen. Es will damit neue strategische Partner gewinnen und eine multi-polare Weltordnung aufbauen, die Chinas nationalen Interessen nützlich ist. Durch die Initiative werden politische und wirtschaftliche Abhängigkeiten geschaffen. Chinas Finanzierung der OBOR-Projekte besteht vorrangig in Form von Krediten. Dadurch droht schwächeren Volkswirtschaften eine nicht tragfähige Schuldenlast mit potentiell katastrophalen Folgen.

Wie werden die chinesischen Pläne von den USA gesehen?

Die Regierung Trump hat bislang zu OBOR noch keine Position formuliert. Allerdings könnten sich aus Sicht Washingtons Interessenkonflikte ergeben. So sehen sich Länder mit einer klaren anti-amerikanischen Haltung wie Iran oder Russland durch Chinas Initiative gestärkt, auch Länder wie Pakistan, die an einem verringerten Einfluss der USA in der Region interessiert sind. Gleichzeitig verstärkt China sein sicherheitspolitisches Engagement in der Region, es beteiligt sich an den von Russland ausgerichteten Afghanistan-Gesprächen.

Schließlich sieht Washington in OBOR auch eine Bedrohung seiner Interessen in der asiatisch-pazifischen Region. Dessen ungeachtet stellt OBOR für die USA aber keine wirtschaftliche Bedrohung dar, insbesondere nicht was seine Handelsbeziehungen zu Europa betrifft, die auf einer jahrzehntealten wirtschaftlichen und politischen Angleichung beruhen.