Warum Katar enge Kontakte zu den Taliban pflegt
28. August 2021Erst vor wenigen Tagen dankte US-Präsident Joe Biden dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, bei einem Telefonat für die großzügige Unterstützung Katars bei den laufenden Evakuierungen aus Afghanistan.
Dabei blieb es aber nicht, denn der Präsident bedankte sich auch dafür, dass Katar innerafghanische Gespräche möglich machte - auch wenn diese durch die Machtübernahme der Taliban gescheitert sind.
In Deutschland hingegen erntete Katar Kritik: Denn in der vergangenen Woche wurde Mullah Abdul Ghani Baradar, der politische Führer der Taliban, mit einem Militärflugzeug nach Kandahar geflogen, das den Schriftzug Luftwaffe Katar trug.
Mit dem Segen der USA
Doch dass Katar und die Taliban Kontakte pflegen ist nichts Neues. Katar erlaubte bereits 2013 den Taliban, ein Büro in Doha zu eröffnen. Das geschah mit der Unterstützung und auf Bitte der US-Regierung unter Barack Obama, denn Washington suchte damals einen Ort für Verhandlungen mit der militant-islamistischen Miliz, um den Truppenabzug aus Afghanistan vorzubereiten. Man habe gesehen, so Golfstaaten-Expertin Elham Fakhro von der International Crisis Group, dass es in Afghanistan keinen eindeutigen militärischen Sieg geben werde, und habe die Taliban als Teil einer politischen Lösung einbeziehen wollen.
Vertretungsbüro in Doha
Seit 2018 führt Baradar die Taliban-Vertretung in Katar und agierte dabei auch als Chef-Unterhändler der Extremisten in Gesprächen mit den USA und der inzwischen entmachteten afghanischen Regierung. Er war auf Bitten der USA 2018 aus einem Gefängnis in Pakistan freigelassen worden, wo er 2010 - unter anderem vom US-Auslandsgeheimdienst CIA - festgenommen worden war. Baradar gehört zu den Gründungsmitgliedern der Taliban. 2020 unterzeichnete er in Doha ein sogenanntes Friedensabkommen mit den USA. Doch die schnelle Machtübernahme der Taliban hat das Papier obsolet gemacht.
Auch nach dem Fall von Kabul sieht Doha offenbar keinen Grund für eine zurückhaltendere Außenpolitik. Kritiker werfen Katar deshalb vor, dem internationalen Terrorismus Vorschub zu leisten. "Einige Kritiker argumentieren, dass das diplomatische Engagement den Taliban eine gewisse Legitimität verschafft habe, die sie sonst nicht gehabt hätten", so Elham Fakhro.
Keine Berührungsängste gegenüber Extremisten
So gibt der in Doha ansässige TV-Sender Al-Dschasira den Taliban zum Beispiel schon seit Jahren die Möglichkeit, sich an eine Öffentlichkeit zu wenden. Auch den Einzug der Taliban in den Präsidentenpalast in Kabul strahlte der Sender aus. Das Emirat zeige überhaupt keine Berührungsängste gegenüber verschiedenen problematischen Akteuren in der Region, sagt Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Katar pflegt zum Beispiel gute Beziehungen zur Muslimbruderschaft, aber auch zum Iran.
"Katar bietet sich seit mittlerweile fast zwei Jahrzehnten in der Regionalpolitik als Vermittler an. Es tut dies vor allem, weil es seine regionale Position verbessern möchte", so Steinberg. "In der Vergangenheit war Katar sehr stark von Saudi-Arabien abhängig - in den 1970er und 1980er Jahren war es praktisch ein saudi-arabisches Protektorat." Aus dieser Umarmung des großen Nachbarn habe Katar sich befreien wollen - indem es sich als eigenständiger Vermittler positioniert.
(K)ein unparteiischer Vermittler
Vor wenigen Tagen sagte Katars Außenminister, Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, mit Blick auf die Lage in Afghanistan, dass das Emirat sich als unparteiischer Vermittler sehe. Doch ganz unparteiisch ist das Emirat nicht, denn das Büro für die Taliban hat das Emirat nicht zuletzt auch den USA zuliebe eingerichtet. "Katar ist stark abhängig vom Schutz der USA", so Steinberg. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterhalten einen großen Luftwaffenstützpunkt in Al-Udeid. "Und daran will Katar nichts ändern, weil es die Macht seiner Nachbarn fürchtet."
Denn Katar macht sich mit seiner Außenpolitik und seinen Beziehungen zu extremistischen Gruppen in der Region selbst keine Freunde: So wurde das Emirat 2017 von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Bahrain und Ägypten mit einem Boykott belegt. Der Streit gilt zwar mittlerweile als beendet, doch die Probleme wurden eher beiseite geschoben als gelöst. Katars Vermittlerrolle erhöhe den Wert des Emirates als Partner westlicher Staaten, sagt Elham Fakhro von der Crisis Group.
Wieviel Einfluss Katar auf die Taliban hat, ist allerdings nicht klar: Denn ganz konfliktfrei war das Verhältnis zwischen Katar und den Taliban in der Vergangenheit nicht. So wollte Katar seinerzeit nicht, dass die Taliban vor ihrem Sitz in Doha ihre Fahne hissen und das Gebäude als Vertretung des "Islamischen Emirats Afghanistan" bezeichnen. Das von ihnen 1996 ausgerufene "Islamische Emirat" hatte Katar auch niemals anerkannt. Dass es dieses Mal soweit kommen könnte, halten viele Beobachter weiterhin für unwahrscheinlich, besonders dann nicht, wenn die USA sich dagegenstellen.
Katar will eigene Existenz absichern
Katar ist offiziell wahhabitisch und hat Kontakte zu verschiedenen extremistischen Gruppen: "Aber Katar ist sicher nicht daran interessiert, dass die Taliban mit aller Gewalt regieren", sagt Guido Steinberg. Ihr Interesse bestehe darin, als Vermittler zu fungieren und "auf der Landkarte der Regionalpolitik und auch der Weltpolitik aufzutauchen". So könnten sie im Westen und vielleicht auch bei China und Russland das Interesse an Katars Fortbestand als eigenständigem Staat wecken. Diese Art Existenz- und Fortbestandssicherung sei das wichtigste Motiv von Katars Außenpolitik. "Denn einige Nachbarn, wie Saudi-Arabien sind nicht unbedingt der Meinung, dass Katar bestehen muss."
Westliche Staaten jedoch wissen trotz aller Kritik Katars Dienste und Kontakte zur Taliban zu schätzen. Deutschlands Afghanistan-Botschafter Markus Potzel hat in Doha bereits Gespräche mit den Taliban geführt. Auch die EU dürfte für kommende Gespräche mit den Taliban die guten Drähte der Kataris zu den Extremisten nutzen.