Wahlcountdown in Ruanda
23. Juli 2017Falls in den letzten Wahlkampftagen nichts Unerwartetes passiert, wird es am 4. August ein klares Ergebnis geben: Präsident Paul Kagame wird seine dritte Amtsperiode antreten. Nur eine Frage ist noch offen: Wird sein Stimmenanteil höher ausfallen als bei den letzten Wahlen vor sieben Jahren? Damals gewann Kagame mit 93 Prozent. Oder wird er sogar höher sein als 2003, als 95 Prozent der Wähler für ihn stimmten?
Sicher scheint auch: Die Opposition ist chancenlos. Denn die Berichterstattung in den mehrheitlich von der Regierung gelenkten Medien konzentriert sich auf den allgegenwärtigen Paul Kagame und seine Partei FPR.
Immerhin wurden zwei Gegenkandidaten zu den Wahlen zugelassen: Frank Habineza ist der Vorsitzende der ruandischen Grünen und ehemaliges Mitglied der Regierungspartei. Der zweite Kandidat gilt als "illustrer Unbekannter". Philippe Mpayimana ist ein früherer Journalist, der erst vor kurzem aus einem jahrelangen Exil in der Zentralafrikanischen Republik und Frankreich nach Ruanda zurückkehrte. Er tritt bei den Wahlen als unabhängiger Kandidat an.
Alle anderen Anwärter scheiterten bereits im Vorfeld an administrativen Hürden. Sie konnten nicht genügend Unterschriften für ihre Kandidaturen einsammeln. Eine Kandidatin gab entnervt auf, nachdem Nacktfotos von ihr im Internet veröffentlicht wurden.
Opposition hat keine Chance
"Der Kandidat der grünen Partei und der unabhängige Kandidat haben nicht den Hauch einer Chance gegen den alles überschattenden Kagame", sagt der deutsche Buchautor Gerd Hankel. Er erforscht Ruandas Geschichte seit Jahren. Seine Wahlprognose: "Ich denke, Kagame wird mehr als 90 Prozent bekommen."
Damit Paul Kagame überhaupt für eine dritte Amtszeit kandidieren konnte, bedurfte es einer minutiösen politischen Vorarbeit. Denn Ruandas Verfassung erlaubte dem Präsidenten ursprünglich keine dritte Amtszeit. Im Oktober 2015 verabschiedeten die Abgeordneten der Nationalversammlung einstimmig eine Verfassungsänderung. Nun darf Kagame bei den Wahlen 2017, 2024 und 2029 wieder antreten. Theoretisch könnte er also bis 2034 Präsident bleiben. Auch die zweite Parlamentskammer - der Senat- stimmte zu. Die Bevölkerung segnete die Änderungen in einem Referendum ab.
"Nach der Verfassung ist Ruanda eine Demokratie. Doch de facto ist Ruanda ein Staat, der von Paul Kagame sehr autoritär regiert wird. Ein Land mit strengen, diktatorischen Zügen", sagt Ruanda-Experte Hankel der DW. Offiziell hat Präsident Kagame angekündigt, nach dem Ende seiner dritten Amtszeit 2024 abzutreten. Henkel aber glaubt, dass Kagame der Versuchung erliegen könnte, an der Macht zu bleiben.
Bereits in der Vergangenheit habe Kagame mehrfach angekündigt, er werde nur zwei Amtszeiten - also 14 Jahre- regieren. Doch dieses Versprechen habe er leider nicht eingehalten, betont Hankel: "Die Gefahr ist groß, dass das Land - wenn er einmal doch zum Abtritt gezwungen wird - in ein Vakuum fällt und das kann wiederum Kräfte freisetzen, die für die Stabilität des Landes alles andere als gut sind."
Wirtschaftlicher Erfolg und politische Repression
Denn trotz aller Kritik an der Menschenrechtssituation: für seine wirtschaftlichen Erfolge wird der Präsident immer wieder gelobt. Die Wirtschaft wächst seit Jahren um durchschnittlich sieben Prozent. 95 Prozent der Bevölkerung haben Zugang zum Internet, über 95 Prozent kommen in den Genuss einer zumindest rudimentären Gesundheitsversorgung. In den vergangenen 20 Jahren konnte die Säuglingssterblichkeit auf ein Sechstel reduziert werden.
Viele im Ausland lebende Ruander fühlten sich in Kagames ersten Amtsjahren vom Wirtschaftswunder in der Heimat angezogen und kehrten zurück. Ruanda macht ökonomisch vieles richtig und bietet jungen Akademikern und Investoren gute Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten. Viele Behörden arbeiten effizient, Kriminalität und Korruption sind gering.
Erfolge, die auch der kongolesische Analyst Jean-Claude Mputu anerkennt. Im DW- Gespräch betont er jedoch, dass ökonomischer Erfolg allein die Probleme des Landes nicht auf Dauer überdecken kann. "Ruanda wird vor allem durch wirtschaftliche Erfolge und die Entwicklung der Infrastruktur zusammengehalten", sagt Mputu. "Aber das ist etwas Vergängliches. Oder anders ausgedrückt: Kagame hat Schlösser und Burgen auf Sand gebaut."
Viele Experten sehen das ähnlich. Sie kritisieren, dass die wirtschaftliche Entwicklung Ruandas mit einer politischen Repression und einer zunehmenden Alleinherrschaft Paul Kagames einhergeht.
Der Afrikaexperte Filip Reyntjens von der Universität Antwerpen glaubt denn auch nicht, dass Kagames Chancen bei freien Wahlen so groß wären, wie sie jetzt sind. "Wenn es in Ruanda eine freie politische Landschaft gäbe und die Opposition die Möglichkeit hätte, im Wahlkampf ihre Vorschläge ohne Angst vor Verhaftung oder Ermordung zu präsentieren, dann sähe das Wahlergebnis ganz anders aus."