AKP fordert komplette Neuauszählung
7. April 2019Wer gewinnt in Istanbul? Die Türken warten seit einer Woche auf das Endergebnis der Bürgermeisterwahl in der Metropole am Bosporus. Auch in der Hauptstadt Ankara steht der Sieger weiter infrage. Nach den bisherigen Ergebnissen liegt in beiden Städten jeweils ein Kandidat der Opposition vorn.
In Istanbul setzte die Regierungspartei AKP bereits in mehreren Wahlbezirken eine Neuauszählung der ungültigen Stimmzettel durch. Doch der Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu führt weiter hauchdünn vor dem AKP-Kandidaten Binali Yildirim: Rund 16.000 Stimmen liegen die beiden auseinander.
Nun fordert die AKP, dass alles in Istanbul neu ausgezählt wird. Der stellvertretende Parteichef Ali Ihsan Yavuz teilte mit, seine Partei beantrage bei der höheren Instanz - der obersten Wahlkommission (YSK) - die Neuauszählung aller Stimmen in Istanbul. Er sprach von einer "organisierten Regelwidrigkeit" bei der Kommunalwahl. Der führende Kandidat Imamoglu appellierte an die AKP, das Wahlergebnis endlich zu akzeptieren: "Bitte lasst diese Nation nicht weiter den Preis zahlen."
Doppelte Standards
Auch in der Hauptstadt Ankara legte die AKP Einspruch ein, dort führt ebenfalls der Kandidat der CHP jedoch mit größerem Abstand. Doch nicht immer gewähren die Wahlbehörden Neuauszählungen, selbst wenn die Ergebnisse noch knapper sind als in Istanbul.
Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP kritisiert, ihre Anträge auf Neuzählung seien allesamt abgelehnt worden. Als Beispiel nannte die Partei die osttürkische Provinz Mus, wo die AKP nach vorläufigen Ergebnissen mit nur etwas mehr als 500 Stimmen vor der HDP gewonnen habe. Die Wahlbehörden stünden unter dem Druck der Regierung, beklagte die HDP.
Der türkische Präsident und AKP-Chef Recep Tayyip Erdogan hatte am Freitag betont, das letzte Wort habe die oberste Wahlkommission in Ankara. Wann diese das Endergebnis verkündet, ist offen. Regierungsnahe Medien rechnen mit einer Erklärung Ende der Woche. AKP-Sprecher Ömer Celik sagte am Samstag, seine Partei werde das Endergebnis akzeptieren.
Kritische Mahnungen von EU-Kommissionsvizechef Frans Timmermanns, die Ergebnisse zu respektieren, wies die AKP-geführte Regierung brüsk zurück. Man sei überrascht und enttäuscht von Timmermans Äußerungen, sagte der türkische Außenamtssprecher Hami Aksoy. Diese zeigten die "doppelten Standards" der Europäischen Union. Man müsse die Einspruchszeit bei der Wahlbehörde achten.
Rund 57 Millionen Türken waren am 31. März dazu aufgerufen, in 81 Provinzen Bürgermeister, Gemeinderäte und andere Kommunalpolitiker zu wählen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 84 Prozent. Landesweit wurde Erdogans AKP die stärkste Partei. Allerdings verlor sie vor allem in den Metropolen an Zuspruch.
Denkzettel für Erdogan
Ein Verlust von Ankara und Istanbul wäre für die AKP ein harter Schlag, nachdem sie und ihre islamisch-konservative Vorgängerpartei 25 Jahre lang regiert dort hatte. Die erwartete Niederlage in den beiden größten Städten der Türkei gilt auch als persönlicher Denkzettel für Erdogan, nachdem er die Abstimmung zu einer Art Referendum über seine eigene Politik gemacht hatte.
AR/rb (dpa, afp, rtr)