Vorerst keine Lockerung der Corona-Auflagen?
15. November 2020Am Montag wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die 16 Ministerpräsidenten der Bundesländer in einer Videokonferenz eine Zwischenbilanz der Ende November beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ziehen. Derzeit gibt es keine greifbaren Anzeichen für eine Lockerung der Einschränkungen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sagte der "Bild am Sonntag", zur Zwischenbilanz des derzeitigen Teil-Lockdowns gehöre, "dass die Infektionszahlen nach wie vor viel zu hoch sind".
Der CDU-Politiker sagte, die aktuellen Zahlen seien sehr viel höher sogar als vor zwei Wochen. "Trotz aller Anstrengungen ist eine Wende zum Besseren noch nicht erreicht," so Altmaier. Für das Öffnen von Restaurants und Kinos sieht der Minister aktuell "wenig Spielraum". Ziel müsse es sein, die Infektionswelle nachhaltig zu brechen. "Einen Jo-Jo-Shutdown mit ständigem Öffnen und Schließen der Wirtschaft können wir uns nicht leisten."
Der Wirtschaftsminister rechnet damit, dass sich die Deutschen noch weit über den Dezember hinaus einschränken müssen. "Wir werden zumindest in den nächsten vier bis fünf Monaten mit erheblichen Vorsichtsmaßnahmen und Einschränkungen leben müssen", sagte er. Auch Merkel bekräftigte ihre Mahnungen: In ihrem Video-Podcast sagte sie, "der vor uns liegende Winter wird uns allen noch viel abverlangen." Das Virus werde noch eine ganze Weile "unser Leben bestimmen".
Viele Fragen beim Infektionsgeschehen
Innerhalb eines Tages haben die Gesundheitsämter nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Sonntag in Deutschland 16.947 neue Corona-Infektionen gemeldet. Das sind 5514 Fälle weniger als noch am Tag zuvor mit 22.461 neu gemeldeten Fällen. An Sonntagen sind die erfassten Fallzahlen jedoch meist niedriger, unter anderem weil weniger getestet wird. Im Vergleich zum Sonntag vor einer Woche mit 16.017 Fällen ist die aktuelle Zahl etwas höher.
Unter dem Strich ist eine klare Beurteilung des Infektionsgeschehens zur Halbzeit des Teil-Lockdowns schwierig. Die 7-Tage-Inzidenz, also die Zahl der in einer Woche pro 100.000 Einwohner aufgetretenen Neuinfektionen, stieg zuletzt langsamer. Am Samstag lag sie nach RKI-Angaben bei 141. Von dem Wunschwert der Politiker in Höhe von höchstens 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner ist das allerdings weit entfernt.
Länderchefs lehnen Lockerungen ab
Daher halten etliche Länderchefs eine Lockerung der Auflagen vor dem Corona-Treffen mit Merkel für wenig wahrscheinlich. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sagte: "Aus meiner Sicht gibt es für Lockerungen aufgrund der hohen Infektionszahlen keine Grundlage." Er plädierte dafür, in einer Woche ein erneutes Treffen von Bund und Ländern abzuhalten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder erklärte: "Wer zu früh lockert, der riskiert Weihnachten." Söder brachte stattdessen eine Verlängerung oder Verschärfung der Auflagen ins Spiel.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther sagte, er gehe nicht davon aus, dass am Montag über eine Veränderung der Maßnahmen geredet werde. Er warb dafür, "dass nicht Inzidenzen im Bundesschnitt maßgeblich seien, sondern festgelegte Grenzwerte in den Ländern". Wenn ein Land diese Grenzwerte überschreite, müsse es Einschränkungen geben.
Neuer Paragraf im Infektionsschutzgesetz
Unterdessen wurde bekannt, dass die Regierung die geplanten genaueren gesetzlichen Grundlagen für weitreichende Alltagsbeschränkungen in der Corona-Krise nach umfangreicher Kritik an den bisherigen Vorschlägen der Koalition ausweiten will. Das geht aus einem überarbeiteten Entwurf eines neuen Paragrafen 28a des Infektionsschutzgesetzes hervor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Demnach soll etwa festgeschrieben werden, dass Entscheidungen über Maßnahmen zur Corona-Eindämmung "insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten" sind.
Für Rechtsverordnungen zu Beschränkungen soll zudem eine allgemeine öffentliche Begründungspflicht eingeführt werden, um wesentliche Entscheidungsgründe transparent zu machen. Vorgesehen ist laut Entwurf auch eine Pflicht zur Befristung. Bei intensiven Grundrechtseingriffen solle regelmäßig eine kurze Befristung vorzusehen sein. Die Neuregelungen sollen Teil eines Gesetzes mit weiteren Corona-Krisenmaßnahmen sein, das Bundestag und Bundesrat am Mittwoch beschließen sollen.
Österreich plant Massentests
In die Beratungen des Corona-Gipfels am Montag dürften auch die jüngsten Schritte im Nachbarland Österreich einfließen, das kurz vor einem harten Lockdown steht. Bundeskanzler Sebastian Kurz kündigte am Sonntag Massentests nach dem Vorbild der Slowakei an. Nach dem Lockdown sollen ab 7. Dezember zuerst die Schulen und der Handel wieder aufsperren. Parallel dazu solle es Massentests etwa bei Lehrern geben, sagte Kurz im Fernsehen. In einem zweiten Schritt soll es dann auch vor Weihnachten solche Massentests geben, um "ein möglichst sicheres Weihnachtsfest zustande zu bringen".
In der Slowakei sei es gelungen, durch massenhaft durchgeführte Antigen-Schnelltests zehntausende positive Fälle zu finden, die man dann in Quarantäne schicken konnte, um das Infektionsgeschehen massiv zu drücken, erklärte Kurz. Die Slowakei hatte die Bevölkerung im Alter von zehn bis 65 Jahren zu COVID-Schnelltests aufgerufen. An der ersten Runde nahmen 3,6 Millionen der 5,5 Millionen Einwohner teil. Wer kein negatives Testergebnis vorweisen konnte, war von einer strikten Ausgangssperre betroffen und durfte nicht zur Arbeit gehen. Die "logistische Herausforderung" von Massentests werde man mit den Bundesländern und dem Bundesheer vorbereiten. Über Details will die Regierung Ende kommender Woche informieren.
kle/se (dpa, afp, rtr)