Von Skandinavien lernen: Umgang mit Populisten
29. September 201793 Abgeordnete der AfD werden künftig im deutschen Bundestag sitzen. In Skandinavien sind Vertreter von Rechtsaußen schon seit Jahrzehnten in den Parlamenten. Die dänische Volkspartei, die norwegische Fortschrittspartei und die Schwedendemokraten gehören im Norden zur politischen Landschaft - auch wenn sie vom Parteien-Mainstream unterschiedlich gut akzeptiert werden.
Der Bundestag ist mehr als nur Gesetzgeber. Im deutschen Parlament werden die AfD-Abgeordneten in zahlreichen Ausschüssen vertreten sein, über den Bundeshaushalt mitbestimmen, bei der Geheimdienstkontrolle mitmischen und über den Einsatz von Bundeswehrsoldaten im Ausland mitentscheiden.
Was kann die politische Konkurrenz der AfD im Bundestag aus den Erfahrungen der skandinavischen Kollegen lernen? Schwächt man die Rechte eher durch Umarmung - oder macht es Sinn, die Konfrontation zu suchen?
Zusammenarbeit oder Isolation
In Dänemark hat man auf Zusammenarbeit gesetzt. Die Volkspartei (DF) zog 1998 mit 7,4 Prozent der Stimmen ins Parlament ein. Nur drei Jahre später war sie schon in einem Bündnis mit den Konservativen an einer Regierung beteiligt. Seitdem haben sich Deutschlands Nachbarn im Norden daran gewöhnt, dass die DF auch politische Erfolge feiert. Die DF hat zwar wiederholt mit populistischen Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht, sich jedoch eher in Richtung Mitte bewegt und wird von konservativen Kräften akzeptiert. Neonazismus oder Antisemitismus sind insgesamt in Dänemark schwach ausgeprägt, die Gesellschaft gilt als wenig polarisiert.
In Schweden stellt sich die Lage ganz anders dar. Die Schwedendemokraten, die bei ihrer Gründung 1988 aus neonazistischen Wurzeln hervorgingen, konnten 2010 erstmals in Parlament einziehen, mit 5,7 Prozent der Stimmen. Dort wurde die Partei von den anderen Fraktionen nach allen Regeln der Kunst isoliert. Das jedoch hat die Rechten nicht geschwächt. Nachdem sie bei den jüngsten Wahlen vor drei Jahren 12,9 Prozent erzielten, halten die Rechtspopulisten nun 46 Sitze im Parlament.
In Norwegen kam die damals als Protestpartei gegründete Fortschrittspartei schon in den 1970er Jahren ins Parlament. In den 1980er Jahren entwickelte sie immer stärker fremdenfeindliche Tendenzen. Heute hat sie sich als neoliberal-populistische Partei etabliert. Seit 2013 regiert sie in Koalition mit den Konservativen das Land.
Äpfel und Birnen
"Man kann in unterschiedlichen Ländern immer voneinander lernen", sagt Anders Widfeldt, der an der Universität von Aberdeen über skandinavische Politik forscht. "Aber es gibt große Unterscheide zwischen den Schwedendemokraten auf der einen und der Volkspartei in Dänemark sowie der Fortschrittspartei in Norwegen auf der anderen Seite."
Die Schwedendemokraten seien dafür bekannt, extrem zu sein und auch Nazi-Verbindungen zu pflegen, sagt Widfeldt. "In Norwegen und Dänemark dagegen werden die Rechten als relativ normale Parteien angesehen."
Das zeige sich auch daran, dass beispielsweise die norwegische Fortschrittspartei stets darauf bedacht geblieben ist, eine gewisse Distanz zu den Schwedendemokraten (SD) zu wahren. In Dänemark sei es so, dass sich die politische Debatte im gesamten politischen Spektrum auf die möglichen Probleme von Einwanderung fokussiere, während in Schweden "hauptsächlich die SD in diese Richtung argumentiert."
Die Zeit der Opportunisten
Aus diesen Gründen ist Widfeldt auch sehr zurückhaltend, wenn es um einen Vergleich der AfD mit den Rechten im Norden geht. Die AfD sei viel jünger und verfüge deshalb noch über ein breiteres Meinungsspektrum innerhalb ihrer Reihen. Die Aussage des AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland, man habe "das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen" würde man in dieser Form nicht einmal von der SD hören, sagt Widfeldt.
"Es gibt kein Rezept dafür, wie andere Parteien mit den Rechten umgehen sollten", führt Widfeldt aus. "Das skandinavische Beispiel zeigt, dass weder Marginalisierung noch Kooperation Wirkung zeigen, da die rechten, fremdenfeindlichen Parteien weiter wachsen." Für die Zukunft der AfD sei nicht so sehr entscheidend, wie andere mit ihr umgingen, sondern ob sie innere Geschlossenheit erreichen könne.
Der Partei-Austritt der bisherigen Parteichefin Frauke Petry, formal am Freitag erfolgt, zeigt ein altes Phänomen rechter Parteien: sie brauchen einige Jahre, um ihre Richtung zu finden. "Diese Parteien haben das Problem, dass viele Opportunisten sich ihnen anschließen, um nach oben zu kommen. Diese Leute sind oft schlecht für die Reputation der Parteien."
Die schwierige Selbstfindung der Rechten
Göran Dahl, Sozialwissenschaftler an der Universität Lund in Schweden, scheut sich nicht davor, die AfD mit den Schwedendemokraten zu vergleichen. Diese hätten immer wieder versucht, sich als konservative Partei darzustellen und nicht als Rechtsaußen. Doch diese Versuche seien durch Skandale rund um rechtsextreme Tendenzen einzelner Mitglieder immer wieder untergraben worden. "Zwei der anderen Parteien im rechten Spektrum reden zumindest mit ihnen, aber die anderen wollen sie nicht tolerieren", so Dahl.
In Schweden habe es zwei Phasen im Umgang mit den Schwedendemokraten gegeben, sagt Dahl. "Zunächst hieß es, dass man nicht mit ihnen redet und immer erwähnt, dass es eine rassistische Partei ist, wenn man über sie spricht. Aber seit sie im Parlament sitzen, muss man mit ihnen sprechen. Und auch das hat nicht funktioniert."