Verbot für dreckige Diesel
13. April 2016Jeder zweite neue PKW in Europa hat einen Dieselmotor. In Südkorea und Indien liegt der Anteil bei 40 Prozent und in Südafrika beispielsweise bei 18 Prozent.
Für die Gesundheit der Bürger in den Ballungszentren sind diese Fahrzeuge ein Problem. Zwar konnten Filter die Gesundheitsbelastung durch Feinstaub erheblich reduzieren. Die meisten Dieselmotoren stoßen allerdings noch zu viel giftige Stickoxide (NOx) aus: Sie überschreiten die festgelegten Grenzwerte um ein Vielfaches. Nach Angaben des Umweltbundeamtes hat sich der durchschnittliche Ausstoß von Stickoxid bei neuen Diesel-PKWs in den letzten 20 Jahren nur um etwa 20 Prozent reduziert, laut Gesetz müssten es 90 Prozent sein.
Diesel torpediert Gesundheitsschutz
Stickoxide schädigen die Atemwege und das Herz-Kreislaufsystem und verursachen so zum Teil tödliche Krankheiten. Nach einer Studie des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz sterben allein in Deutschland etwa 7000 Menschen pro Jahr vorzeitig an den Folgen - mehr als doppelt so viele wie durch Unfälle im Straßenverkehr.
Zum Schutz der Bevölkerung beschloss die EU im Jahr 2008 die Luftqualitätsrichtlinie, die die Mitgliedsländer einzuhalten haben. Danach darf im Jahresmittel die durchschnittliche Konzentration von Stickoxid in der Umgebungsluft 40 Milligramm pro Kubikmeter nicht übersteigen.
Nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) messen allerdings die meisten verkehrsnahen deutschen Messstationen Konzentrationen oberhalb der erlaubten Grenzwerte. Diese Verschmutzung in den Städten hat in den vergangenen 15 Jahren nicht abgenommen.
Als Ursache für die hohe Konzentration von Stickoxiden gilt vor allem der Dieselverkehr. Auch die neusten Diesel-PKW mit der Euro-6-Norm stoßen laut UBA im Schnitt noch siebenmal mehr Stickoxide aus als erlaubt. Benzinmotoren haben diese Probleme nicht und sind im Vergleich umweltfreundlicher.
Fahrverbote für dreckige Diesel in einigenStädten
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und die Umweltminister der Bundesländer verständigten sich jetzt auf eine Plakette für saubere Fahrzeuge in Deutschland. Zukünftig sollen Fahrzeuge, die wenige Stickoxide ausstoßen, eine blaue Plakette erhalten.
Städte sollen damit die Möglichkeit bekommen, Fahrzeuge mit hohem Stickstoffausstoß auszugrenzen. Betroffen sind von dieser Maßnahme laut Umweltministerin Hendricks (SPD) Lastwagen und Autos mit Dieselmotoren, die nicht der Euro-6-Norm entsprechen. Für Fahrzeuge mit Benzinmotor ändere sich dagegen nichts.
Lob für die Pläne gibt es von den Umweltverbänden. Sie bewerten dies als ersten Schritt für sauberere Luft. Als weitere Maßnahmen fordern sie den Abbau des Steuerprivilegs von Dieselkraftstoff, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und den raschen Umstieg auf saubere Antriebstechniken.
Keine Zukunft für Diesel?
Gegen die Pläne zur Einführung der blauen Umweltplakette gibt es jedoch auch Widerstand. Die Pläne seien "unausgegoren und mobilitätsfeindlich", sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). "Das werde ich nicht akzeptieren."
Ablehnend reagiert auch die Automobilindustrie. Für rund 13 Millionen Autofahrer in Deutschland mit Diesel-PKW würde dies "faktisch ein Fahrverbot für Innenstädte bedeuten", warnt Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA).
Autokäufern rät der Verkehrsclub Deutschland (VCD) derzeit von Dieselfahrzeugen ab. "Solange der Abgasskandal nicht umfassend aufgeklärt ist, sollte man abwarten und keinen Diesel-PKW kaufen", empfiehlt Gerd Lottsiepen vom VCD.
Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach empfiehlt beim Kauf schon heute den langfristigen Blick. "Die Luftreinhaltung wird immer wichtiger. Ich glaube, dass man zukünftig für Emissionen zusätzlich zahlen muss. Kleine Fahrzeuge mit weniger Emissionen haben deshalb Vorteile."
Gesundheitsschutz und Diesel?
Experten sind sich einig, dass auch Dieselmotoren mit entsprechender Technik sauber sein können. Doch unabhängige Nachtests belegen immer wieder, dass bei bisher verkauften Diesel-PKWs die erforderliche Abgasreinigung meist nicht ausreichend funktioniert.
Die EU-Kommission leitete wegen mangelnder Luftreinhaltung gegen Deutschland und andere Mitgliedsstaaten bereits ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Umweltverbände setzen mit Klagen lokale und nationale Regierungen noch zusätzlich unter Druck. Die deutsche Umwelthilfe geht davon aus, dass es deshalb noch in diesem Jahr Fahrverbote in deutschen Städten geben wird.
Eine strengere Regulierung für Dieselemissionen fordern auch Bürgermeister aus 20 europäischen Großstädten, unter anderem aus Paris, London, Madrid, Barcelona, Mailand, Warschau und Stockholm. "Wir Bürgermeister haben die Pflicht, die Gesundheit unserer Bürger zu schützen", heißt es in einem Schreiben, das die französische Tageszeitung Le Monde veröffentlichte.
Maßnahmen für den Gesundheitsschutz haben London und Paris bereits eingeleitet. So sollen alte Dieselbusse und Taxen mit Dieselmotor aus London verschwinden. Paris geht einen Schritt weiter und will Dieselfahrzeuge ab 2020 komplett aus der Stadt verbannen.