Albanien Volkszählung
16. Oktober 2011Es gibt zwei Fragen bei dieser Volkszählung, die Albanien spalten: Das ist zum einen die Frage nach der ethnischen Zugehörigkeit, und zum anderen die Frage zur Religionsangehörigkeit. Vertreter der Minderheiten - insbesondere der mazedonischen, griechischen, serbischen und montenegrinischen - hoffen, dass bei dieser Zählung erfasst wird, dass ihre Bevölkerungsgruppe zahlenmäßig angewachsen ist. Davon erhoffen sie sich, in Zukunft eine wichtigere Rolle in der albanischen Politik spielen zu können. Auf der anderen Seite gibt es unter den Albanern nicht wenige, die befürchten, dass die politische Stärkung der Minderheiten zum Verlust der nationalen Identität führen würde. Deswegen hat beispielsweise die von nationalgesinnten Albanern gegründete "Bewegung Rot und Schwarz" - benannt nach den Farben der Nationalflagge - die Bevölkerung aufgerufen, diese zwei Fragen gar nicht erst zu beantworten.
Edmond Themelko ist Vorsitzender der Partei "Mazedonische Allianz für die europäische Integration" und Bürgermeister in Prespa. Er ist der Meinung, dass die Fragen zur nationalen und religiösen Zugehörigkeit auf den Fragebogen gehört. "Wir haben gefordert, dass jene Mazedonier, die jahrzehntelang von dem kommunistischen Regime Enver Hoxhas nicht als solche anerkannt wurden, nun unter den heutigen demokratischen Verhältnissen als Mazedonier anerkannt werden."
Wer gehört zu einer Minderheit?
Ob sich aber die Angehörigen der verschiedenen Minderheiten in Albanien bei dieser Volkszählung tatsächlich auch als solche ausgeben, scheint mehr als fraglich. Denn das aktuelle Volkszählungsgesetz sieht vor, dass jeder, der eine falsche Angabe macht, bis zu 700 Euro Geldstrafe zu zahlen hat. Der Haken dabei: Eine Angabe gilt dann als falsch, wenn sie von den Angaben im Standesamtregister abweicht. Das bedeutet, wenn Personen darin nicht als Angehörige einer Minderheit aufgeführt sind, das aber jetzt bei der Volkszählung von sich behaupten, können sie mit einer Geldbuße bestraft werden.
Was das konkret bedeutet, zeigt auch das Beispiel der mazedonischen Minderheit in Albanien. Momentan sind nur fünf Prozent der Angehörigen dieser Volksgruppe als Mazedonier im Standesamtsregister gemeldet, sagen ihre Vertreter. Das hat damit zu tun, dass während des kommunistischen Regimes nach dem Zweiten Weltkrieg albanische Behörden die Mitglieder der Minderheiten schlicht als Albaner registriert haben, sobald sie aus den überwiegend von Minderheiten bewohnten Gebieten in die größere Städte gezogen waren. "Wenn jemand beispielsweise aus der Region Prespa in eine andere Stadt zieht, ist er nicht mehr als Mazedonier registriert. Denn als Mazedonier zählt nur, wer im Gebiet der Gemeinde Prespa wohnt", sagt Edmond Themelko.
Die Ängste der Mehrheitsgesellschaft
Edmond Themelko glaubt nicht, dass jemand das drohende Bußgeld von umgerechnet 700 Euro in Kauf nehmen wird, das für albanische Verhältnisse recht hoch ist. "Wir haben mehr Toleranz und ein besseres Klima erwartet. Wir haben nicht gedacht, dass uns im heutigen Albanien wieder das verwehrt wird, was uns schon damals, unter Enver Hoxhas verwehrt wurde. Die albanische Politik und die Gesellschaft sehen uns Minderheiten nicht als Bereicherung der albanischen Gesellschaft. Hier gibt es Ängste, die wir nicht verstehen", sagt der Bürgermeister.
Und auch der Vorsitzende der serbisch-montenegrinischen Minderheit in Albanien, Pavlo Jako, beklagt die Lage: "Nach dem Zweiten Weltkrieg sind bei vielen Serben und Montenegrinern, die in Albanien lebten, Namen und Nationalität verändert worden. Den Minderheiten in Albanien ist somit das Recht genommen worden, sich als Serben und Montenegriner auszuweisen. Die Folge, so Jako: "In den Registern des Standesamtes erscheine ich zum Beispiel als Albaner."
"Künstliche Erhöhung der Minderheiten"
Die Datenerhebung von ethnischen Minderheiten im Rahmen einer Volkszählung ist eine Forderung der EU. Genc Pollo, Minister und Vorsitzender der Zensuskommission, sieht in dem albanischen Zensus kein Problem. Er sagte gegenüber DW-WORLD.DE: "Die Androhung einer Geldstrafe für falsche Angaben sei gängige Praxis in einigen EU-Ländern beziehungsweise in Ländern, die der EU beitreten wollen."
Die "Bewegung Rot Schwarz", eine Bürgerinitiative ethnischer Albaner, die in Albanien, dem Kosovo, Mazedonien und in der Diaspora tätig ist, fährt momentan eine starke Kampagne gegen die Erklärung der ethnischen und religiösen Zugehörigkeit. Sie betrachtet diese Fragen als verfassungswidrig und ist der Ansicht, dass sie EU-Standards widerspreche. "Eine ethnisch-basierte Registrierung", sagt Kreshnik Spahiu, Leiter der Bewegung und stellvertretender Vorsitzender des Obersten Justizrates, "verursacht die künstliche Erhöhung der griechischen Minderheit".
Und für den Historiker Pellumb Xhufi hat Albanien die Minderheiten-Frage schon in einem Vertrag von 1921 gelöst. Damals wurden die griechische, mazedonische und montenegrinische Minderheit anerkannt – allerdings nur in bestimmten Regionen. "Diese Gebiete sind festgelegt. Es sind eben die Gebiete, in denen diese Minderheiten schon damals eine deutliche Mehrheit bildeten", sagt Xhufi und fügt hinzu: "Wer die Zahl der Angehörigen von Minderheiten wissen will, kann es im Standesamtsregister nachlesen."
Autorin: Angjelina Verbica
Redaktion: Zoran Arbutina