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Politik

Aktuell: Schulze verspricht schnelle Hilfe beim Wiederaufbau

27. Mai 2022

Bei einem Besuch in der Ukraine sagt Entwicklungsministerin Schulze dem Land zivile Unterstützung zu. Auf dem Katholikentag erklärt Kanzler Scholz, warum sich der Krieg gegen die Werte Europas richtet. Ein Überblick.

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Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze mit dem Bürgermeister von Borodjanka, Georgiy Yerko
Der Bürgermeister von Borodjanka (bei Kiew) zeigt Entwicklungsministerin Svenja Schulze die Zerstörungen in der Ortschaft Bild: Xander Heinl/photothek/IMAGO

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Ministerin Schulze verspricht den Bau von Wohnungen und Stromleitungen
  • Kanzler Scholz spricht von einem Angriff auf europäische Werte
  • UN: Mehr als 4000 zivile Todesopfer 
  • Pro-russische Separatisten nehmen angeblich Lyman im Donbass ein 
  • Selenskyj beklagt Zögerlichkeit bei Sanktionen gegen Russland

 

Die Bundesregierung will die von Russland angegriffene Ukraine beim Wiederaufbau mit einer Soforthilfe in Millionenhöhe unterstützen. Mit der Hilfe dürfe man nicht warten, bis der Krieg zu Ende sei, sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze im schwer zerstörten Kiewer Vorort Borodjanka. Die SPD-Politikerin besucht die Ukraine nach Außenministerin Annalena Baerbock als zweites Mitglied der Bundesregierung seit Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar.

Schulze erklärte, 185 Millionen Euro für Soforthilfemaßnahmen seien bereits genehmigt. Konkret sollen etwa Wohnungen und Stromleitungen gebaut werden. "Die Ukrainerinnen und Ukrainer brauchen einfach Wasser und Strom. Die, die innerhalb der Ukraine geflohen sind, brauchen ein Dach über dem Kopf, die Kinder müssen wieder in die Schule gehen können, und für all das braucht es Unterstützung", sagte die Ministerin.

Den russischen Präsidenten Wladimir Putin forderte sie dazu auf, Getreidelieferungen über die ukrainischen Häfen zu ermöglichen, und gab ihm Schuld an drohenden Hungerkatastrophen in vielen Ländern der Welt. Die russische Darstellung, die westlichen Sanktionen provozierten eine globale Hungerkrise, wies sie zurück. Die Ukraine, die als Kornkammer Europas gilt, kann durch den Krieg viel weniger Weizen exportieren. Zudem sind durch die Kampfhandlungen wichtige Lieferketten unterbrochen.

Scholz warnt vor Illusionen

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat bei seinem Auftritt auf dem Katholikentag in Stuttgart betont, dass Deutschland zur Unterstützung der Ukraine verpflichtet sei. "Wir haben uns entschieden, dem Opfer dieses Angriffskriegs beizuspringen", erklärte der Kanzler. "Frieden entsteht nicht durch gewaltsames Unterwerfen. Gerechtigkeit ist die Voraussetzung für den Frieden." Putin dürfe mit seinem "zynischen, menschenverachtenden Krieg" nicht durchkommen.

Der Krieg richte sich nicht allein gegen die Ukraine, sondern allgemein gegen "Werte und Überzeugungen, die uns als Gemeinschaft in Europa prägen und ausmachen: Demokratie, Freiheit und Menschenwürde", so Scholz weiter. Putin wolle nach zwei verheerenden Weltkriegen wieder zum Recht des Stärkeren zurückkehren. Das dürfe auf keinen Fall zugelassen werden.

Österreichs Kanzler telefoniert mit Putin 

Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer hat mit dem russischen Staatschef Putin über den Angriffskrieg in der Ukraine gesprochen. Das rund 45 Minuten lange Telefonat sei sehr intensiv und ernst gewesen, sagte Nehammer vor Journalisten. Es sei ihm auch darum gegangen, Putin "klar mit dem Krieg und dessen Folgen zu konfrontieren", erklärte der Kanzler. 

Man habe zudem über den Export des ukrainischen Getreides und "grüne Korridore" gesprochen. Beim Thema Gefangenenaustausch habe es eine „Zusicherung“ des Kreml-Chefs gegeben, hierüber mit der Ukraine zu verhandeln. Es solle einen Zugang zu den ukrainischen Kriegsgefangenen geben. Im Gegenzug habe Putin Zugang zu russischen Gefangenen in der Ukraine gefordert.

UN: Mehr als 4000 Zivilisten in Ukraine getötet

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar sind nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 4000 Zivilisten getötet worden. Unter den offiziell registrierten 4031 Toten seien fast 200 Kinder, teilt das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in Genf mit. 4735 Menschen seien verletzt worden. Die meisten von ihnen seien Bombardierungen durch Artillerie oder Luftangriffen zum Opfer gefallen. Die UN gehen allerdings von einer weitaus höheren Dunkelziffer aus. 

Pro-russische Separatisten nehmen angeblich Lyman im Donbass ein

Die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine haben nach eigenen Angaben die Stadt Lyman im Gebiet Donezk erobert. Man habe die vollständige Kontrolle über die Stadt, erklärten die Separatisten laut der Agentur Interfax. Das ukrainische Militär hat den Fall Lymans noch nicht bestätigt. Allerdings hatte bereits am Donnerstag der ukrainische Präsidentenberater Olexyj Arestowytsch im Fernsehen die strategisch wichtige Ortschaft als verloren bezeichnet.

Lyman liegt westlich des noch von ukrainischen Truppen kontrollierten Ballungsraums um die Großstädte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk. Die russischen Streitkräfte versuchen seit Wochen, dieses Gebiet zu erstürmen. Mit dem Fall von Lyman wird die Versorgung des ukrainischen Militärs in dem Raum schwieriger. Zugleich steigt die Gefahr einer Einkesselung.

Die Großstädte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk sind derzeit die äußersten ukrainischen Vorposten im Osten. Sollten sie fallen, würde fast die gesamte Donbass-Provinz Luhansk unter russischer Kontrolle stehen. In der besonders schwer umkämpften Stadt Sjewjerodonezk sollen seit Kriegsbeginn durch russische Angriffe mindestens 1500 Menschen getötet worden sein. Darunter seien sowohl Soldaten als auch Zivilisten, sagte der Chef der lokalen Militärverwaltung, Oleksandr Stryuk. Die meisten Wohngebäude seien zerstört. Etwa 12.000 bis 13.000 der einst über 100.000 Einwohner seien noch in der Stadt. Die Stadt selbst wird nach seinen Worten zu zwei Dritteln von russischen Truppen belagert. 

"Die Ukrainer werden niemals aufgeben"

Bei ihrem Feldzug im Süden der Ukraine muss die russische Armee nach Angaben britischer Regierungsexperten auf veraltetes Gerät zurückgreifen. Moskau habe wahrscheinlich in den vergangenen Tagen 50 Jahre alte T-62-Panzer aus Lagerbeständen geholt und in den Einsatzbereich des südlichen Streitkraftverbands gebracht, hieß es dem regelmäßig erscheinenden Kriegsbulletin des Verteidigungsministeriums in London. 

Die T-62-Panzer würden mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem leichten Ziel von ukrainischen Panzerabwehrwaffen werden, heißt es weiter. Ihre Anwesenheit auf dem Schlachtfeld werfe ein Schlaglicht auf Russlands an Mangel an modernem, einsatzbereitem Gerät. 

Ukraine I Beschuss durch prorussische Truppen im Donbass
Ukrainische Soldaten an der Front im DonbassBild: Diego Herrera Carcedo/AA/picture alliance

Selenskyj spricht erneut von "Völkermord"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj befürchtet angesichts der massiven russischen Angriffe im Osten einen weitgehend entvölkerten Donbass. "Die laufende Offensive der Besatzer könnte die Region menschenleer machen", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Die Städte würden zerstört, die Menschen getötet oder verschleppt. Dies sei eine "offensichtliche Politik des Völkermords". 

Wie bereits mehrfach zuvor beschwor Selenskyi dabei die territoriale Integrität seines Landes: "Die Ukraine wird immer ein unabhängiger Staat sein und nicht zerbrechen." Die Frage sei, welchen Preis die Ukraine für ihre Freiheit zahlen müsse - und welchen Preis Russland für den sinnlosen Krieg.

Forderung nach weiteren Sanktionen

Der ukrainische Präsident kritisierte in der Ansprache auch erneut die Zögerlichkeit der Europäer bei Sanktionen gegen Russland. Wie viele Wochen werde die Europäische Union noch versuchen, sich auf ein sechstes Paket zu einigen, fragte Selenskyj. Noch immer verdiene Russland Milliarden mit Energieexporten, noch immer seien nicht alle russischen Banken sanktioniert. Wie lange müsse die Ukraine darum kämpfen, die Waffen zu bekommen, die sie brauche, fragte er. Die EU diskutiert derzeit eine sechste Runde von Strafmaßnahmen, darunter ein Embargo für russische Ölimporte, doch Ungarn blockiert.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hält trotz des ungarischen Widerstands eine Einigung auf ein Öl-Embargo nach wie vor für möglich. Der Zeitraum für Verhandlungen sei aber begrenzt, sagte Habeck am Rande des Treffens der G7-Klima-, Umwelt- und Energieminister in Berlin. Mit Blick auf die Tage vor dem nächsten EU-Gipfel Anfang kommender Woche sagte Habeck: "Ich nehme an, das ist der Korridor, wo entweder eine Einigung zu erzielen ist oder man sich andere Instrumente überlegen muss."

Der Minister äußerte gleichzeitig Verständnis für die Vorbehalte gegen das Embargo. "Die Staaten haben unterschiedliche Versorgungssituationen, das ist hinzunehmen", so Habeck. Er habe auch für Deutschland immer wieder darauf hingewiesen, dass vor Entscheidungen Vorbereitungen zu treffen seien.

Ukraine-Krieg - Finnlands Ministerpräsidentin Marin in Kiew
Präsident Wolodymyr Selenskyj wirft Russland "Völkermord" im Donbass vorBild: Ukrainian Presidential Press Office/dpa/picture alliance

Lawrow warnt vor Waffenlieferungen für Angriffe auf Russland

Russlands Außenminister Sergej Lawrow warnt Medienberichten zufolge den Westen vor der Lieferung von Waffen an die Ukraine, mit denen russisches Territorium angegriffen werden könne. Dies wäre ein "ernster Schritt in Richtung einer inakzeptablen Eskalation", zitiert die Nachrichtenagentur Tass den Minister. Er hoffe, dass vernünftige Menschen im Westen dies verstünden, heißt es bei der Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf Lawrow: "Einige wenige gibt es dort noch."

Ukraine I Beschuss durch prorussische Truppen in Luhansk
Russischer Ka-52 "Alligator"-Hubschrauber in der Region LuhanskBild: Alexander Ermochenko/REUTERS

Dem ukrainischen Präsidenten warf Lawrow fehlende Verhandlungsbereitschaft vor. Der Westen unterstütze Selenskyj auch noch in dieser Haltung, sagte er dem arabisch-sprachigen Ableger des staatlichen russischen Fernsehkanals RT.

Moskaus Wunschvorstellung: Getreidelieferungen versus Sanktionsstopp

Die US-Regierung hat Russlands Aufruf zur Aufhebung der Sanktionen gegen Freigabe von blockierten Getreideexporten zurückgewiesen. "Es ist Russland, das aktiv die Ausfuhr von Lebensmitteln aus ukrainischen Häfen blockiert und den Hunger in der Welt vergrößert", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre in Washington. Es würden Tonnen von Getreide in Silos in der Ukraine und auf Schiffen lagern, die wegen der russischen Seeblockade nicht verschifft werden könnten. Die Sanktionen würden weder die Ausfuhr noch die notwendigen Geldtransaktionen verhindern. Es gebe derzeit keine Diskussion darüber, Sanktionen aufzuheben, so Jean-Pierre. Russland und die Ukraine gehören zu den weltweit wichtigsten Getreideexporteuren.

Ukraine-Krieg I  Kreml I  Wladimir Putin
Wladmir Putins Bedingungen für die Freigabe der Getreidevorräte - für den Westen inakzeptabelBild: Mikhail Metzel/Sputnik/AP/picture alliance

Moskau versucht die riesigen Getreidevorräte, die eigentlich für den Export bestimmt sind, ganz offensichtlich als Faustpfand einzusetzen. In einem Telefonat am Donnerstag mit dem italienischen Regierungschef Mario Draghi hatte Präsident Wladimir Putin laut Kremlangaben gesagt, Moskau sei zu Maßnahmen gegen die drohende Nahrungsmittelkrise bereit, sofern der Westen seine "politisch motivierten Sanktionen" gegen Russland aufhebe. 

Draghi sagte nach dem Telefonat mit Putin, dass er keinen "Hoffnungsschimmer für einen Frieden" gesehen habe. Die Ukraine warf Russland Erpressung vor und forderte den Westen auf, die wegen Moskaus Angriffskrieg bereits erlassenen Sanktionen unter keinen Umständen zu beenden.

Melnyk enttäuscht von Scholz-Auftritt in Davos

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, ist schon mehrfach mit Äußerungen aufgefallen, die den diplomatischen Gepflogenheiten zuwiderlaufen. So auch mit seinen Aussagen zur Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Melnyk wirft dem deutschen Regierungschef mangelnde Führungsstärke und eine Missachtung ukrainischer Interessen vor. Kiew habe sich erhofft, aus Scholz' Rede in Davos herauszuhören, mit welchen ganz konkreten Schritten die Ampelkoalition die Ukraine massiv unterstützen wolle, sagte Melnyk einem Vorabbericht zufolge der "Bild-"Zeitung. "Leider war das eine Fehlanzeige, vor allem in Bezug auf sofortige Lieferung von schweren Waffen aus Deutschland, um die Riesenoffensive der Russen im Donbass zu ersticken", so der Botschafter. "Militärisch wird die Ukraine von Berlin schlicht und einfach im Stich gelassen."

se/gri/djo/pg/qu/cw (dpa, rtr, afp, ap, epd)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.