Wie kommt man an das Geld der Oligarchen?
25. Mai 2022Wenn über den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Angriffskrieg durch Russland gesprochen wird, dann deutet das Gerechtigkeitsempfinden schnell auf die Milliarden von Putins Oligarchen auf den internationalen Sanktionslisten. Ihr Vermögen sollte eingezogen und für die Ukraine verwendet werden, so wird gefordert. Aber das ist schwieriger, als viele glauben.
Was schlägt die Kommission vor?
Brüssel will einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die EU-Mitgliedsländer, um leichter Geld aus kriminellen Aktivitäten zu beschlagnahmen und zu enteignen. Bisher sind die Regelungen dazu sehr unterschiedlich, vielfach ist eine Enteignung extrem schwierig. Die Vorschläge zielen in erster Linie auf Terrorismus oder grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, könnten aber ebenso gegen das Vermögen von Oligarchen eingesetzt werden, die auf den Sanktionslisten der EU stehen.
Im Mittelpunkt steht eine Beschleunigung der Verfahren. Wenn ein nationales Gericht überzeugt ist, dass Gelder aus kriminellen Aktivitäten stammen, sollen sie schon vor einem Urteilsspruch eingefroren werden können. Auf den Verdacht hin hätte ein Gericht dann sieben Tage Zeit für eine anschließende Entscheidung. Das Geld habe sonst die "Neigung zu verschwinden", erläuterte Kommissarin Ylva Johansson dazu. Die Regeln sollen auch für die Weitergabe von sanktionierten Geldern gelten, einschließlich des Transfers an Familienmitglieder.
Was russische Oligarchen angeht, so hätten viele Mitgliedsländer rechtliche Schwierigkeiten, deren Geld überhaupt einzufrieren und einzuziehen. Die EU verfügt bereits über eine Möglichkeit für Informanten, drohende Sanktionsbrüche zu melden. Aber in einigen Ländern gelten sie nur als Ordnungswidrigkeiten. Deswegen schlägt Brüssel jetzt vor, den Bruch von Sanktionen überall zu einer Straftat zu machen.
Die Unterschiede in der nationalen Gesetzgebung würden auch dazu führen, so sagt Rechtskommissar Didier Reynders, dass Oligarchen dahin gehen, wo sie am leichtesten davon kommen. Dem soll durch die Vereinheitlichung der Regeln ein Riegel vorgeschoben werden. Und schließlich solle Geld von Putins milliardenschweren Unterstützern in Europa in einem gemeinsamen Fonds zum Wiederaufbau der Ukraine weitergeleitet werden.
Es ist schwieriger als erhofft
"Man muss zwischen nationalen und privatem Vermögen unterscheiden", sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Maria Demertzis vom Thinktank Bruegel in Brüssel. In den ersten Sanktionsrunden wurde beschlossen, das Vermögen der russischen Zentralbank einzufrieren. "Es gehört nicht der Regierung, sondern der russischen Nation. Es einzufrieren oder gar einzuziehen ist eine große schwierige Sache. Aufgrund von welcher Rechtsbasis kann man das nationale Vermögen konfiszieren? (...) Damit berührt man Grundrechte und ohne einen eingeführten rechtlichen Rahmen könnte das sehr zweifelhaft sein".
Das Verfahren könne bei privatem Vermögen einfacher sein, aber es sei häufig ein "Katz- und Mausspiel". Es sei schwierig, die Gelder zu identifizieren, zu finden und dann einzuziehen.
Hat die EU also Fehler gemacht, als sie die bisherigen Sanktionen gegen Russland formuliert hat? Die USA hätten damit mehr Erfahrung, sagt die Wissenschaftlerin, die EU befinde sich da in einer Lernkurve. Aber die Mitgliedsländer könnten natürlich überall nach unversteuertem Vermögen suchen oder nach kriminellem Betrug. Das wären normalerweise ausreichende Gründe für eine Konfiszierung. Dennoch: Wenn mit den Sanktionen Russlands Finanzen geschädigt werden sollen, sollte man lieber auf ein Öl- und Gasembargo abzielen, statt einzelne Oligarchen zu verfolgen, die sowieso längst außerhalb von Russland operieren, so Demertzis.
Russisches Vermögen ist schwer zu finden
Abgesehen von ein paar spektakulären Aktionen wie der Beschlagnahmung von Yachten, sind viele G7 Länder - zu denen die großen EU-Mitglieder gehören - schlecht aufgestellt, um Oligarchen-Vermögen überhaupt zu identifizieren. "Ihnen fehlen die Fähigkeiten und die Befugnisse, illegales Vermögen aufzufinden", schreibt die NGO Transparency International in ihrem jüngsten Bericht zum Thema. Die Regierungen stünden auch großen Rechtsproblemen gegenüber, wenn sie versuchen, diese Vermögen einzuziehen und an die Opfer der Korruption zurück zugeben.
Seit 2004 aber, wo international zum ersten Mal empfohlen wurde, die Instrumente dafür zu verbessern, habe sich kaum etwas getan. "Kleptokraten haben immer noch viele Möglichkeiten, ihre Gelder grenzüberschreitend zu verstecken". Vielfach sei der Immobiliensektor noch ein Schlupfloch, um schmutziges Geld unterzubringen. Vor allem da, wo ein nicht-registrierter Besitz noch erlaubt ist.
Die Länder müssten jetzt endlich handeln, fordert Transparency-Expertin Maira Martini: "Die gleichen Lücken, die es Kleptokraten erlauben, ihre riesigen illegalen Vermögen anzuhäufen und zu verstecken, hindern jetzt noch die willigsten Behörden daran, sie zu finden." Die Staaten müssten ihre ehrgeizige Rhetorik, dass sie russische Eliten zur Verantwortung ziehen wollen, durch "echte, harte Arbeit" untermauern. Dazu gehörten unter anderem langfristig auch mehr Ressourcen für Polizei und Justiz.
Kritiker warnen vor rechtlichen Folgen
Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber gehört zu den Kritikern der Pläne. Er hält die rechtlichen Gefahren für größer als den Nutzen bei der Durchsetzung der Sanktionen. Zwar sei es richtig, Sanktionsbrüche überall in Europa zu einer Straftat zu machen, so der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion. Abgesehen davon sieht er im Vorschlag der Kommission aber zu viel "Symbolpolitik".
Man dürfe nicht mit einem Federstrich rechtsstaatliche Grundsätze aushebeln, um einige wenige russischer Oligarchen zu treffen. "Es sollte bei allen Beschlagnahmungen, die am Ende dem Wiederaufbau der Ukraine zugutekommen sollen, einen klaren Bezug zum russischen Staat und zum russischen Angriffskrieg geben. Die Vermögenswerte der russischen Zentralbank kommen dafür in Frage, bei den Vermögenswerten von Privatpersonen sollten die Hürden höher gesetzt werden."