"Wir werden auf manches verzichten müssen"
25. Mai 2022"Zwei Jahre Corona-Pandemie haben tiefe Spuren hinterlassen: in den Familien, in den Schulen, in der Arbeitswelt, in der Kultur, im Sport - überall in der Gesellschaft", sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Auftakt des 102. Deutschen Katholikentags in Stuttgart. Und gleichzeitig habe man erlebt, wie wichtig es sei, auf andere Rücksicht zu nehmen. Die Schwächeren zu schützen. Und als Gesellschaft füreinander einzustehen. "Corona hat uns gezeigt, dass Solidarität kein Fremdwort sein darf", betonte der Bundespräsident beim Eröffnungsgottesdienst in der baden-württembergischen Landeshauptstadt.
Steinmeier schlug den Bogen zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine und sagte: "Seit drei Monaten herrscht wieder Krieg in Europa, sterben Menschen, werden Dörfer und Städte bombardiert und zerstört, sind Millionen auf der Flucht." Er zeigte sich dankbar für die Hilfe, die ukrainischen Flüchtlingen in Deutschland widerfahre und wies darauf hin, Putins Angriffskrieg treffe nicht allein die Menschen in der Ukraine.
Weil Millionen Tonnen von Getreide in den ukrainischen Seehäfen blockiert seien, sind die weltweiten Getreidepreise dramatisch gestiegen, und einzelne Staaten horteten bereits gigantische Mengen an Weizen. Viele Gegenden der Welt seien in den kommenden Monaten von Hunger und Tod bedroht, vor allem im Osten und Süden Afrikas, so der SPD-Politiker weiter. Die Folgen von Putins Krieg träfen auf Staaten, die sich noch nicht von Corona erholt hätten, und auf Regionen, in denen wegen der Klimakrise die Böden austrocknen und unfruchtbar würden.
"Wir müssen über unseren Lebensstil nachdenken"
Steinmeier mahnte, wenn man solidarisch sein wolle mit den Schwächsten der Welt und gegen Hungerkatastrophe und Leid etwas tun wolle, "dann müssen wir auch über uns nachdenken, über unseren Anteil an der weltweiten Klimakrise, über unseren Lebensstil und unsere Verantwortung für die Welt". Und weiter sagte er: "Dann werden wir anders leben, anders wirtschaften und ja, auch auf manches verzichten müssen."
Den russischen Präsidenten Wladimir Putin rief er auf, alle Kampfhandlungen einzustellen und die Souveränität der Ukraine zu respektieren. "Herr Putin, beenden Sie das Leid und die Zerstörung in der Ukraine!", sagte Steinmeier und fügte hinzu: "Verweigern Sie nicht das direkte und ernsthafte Gespräch mit Präsident (Wolodymyr) Selensky, wie er es in Davos erneut gefordert hat!" Das Sterben in der Ukraine müsse ein Ende haben.
Der Bundespräsident ging auch auf den Zustand der katholischen Kirche ein. Missbrauch, Vertuschung und deren schleppende Aufklärung hätten viel Vertrauen beschädigt und zerstört. Umso mehr ermutige er all jene, die sich tatkräftig für die Erneuerung der katholischen Kirche in Deutschland einsetzten, auch durch die Arbeit des Synodalen Weges für eine Kirchenreform.
Grußwort des Papstes
Ein Schwerpunkt des bis Sonntag dauernden Katholikentags ist der Ukraine-Krieg und dessen globale Folgen wie Energie- und Nahrungsmittelknappheit. In einer Grußbotschaft an die Teilnehmer erklärte Papst Franziskus: "So sind wir in diesen Tagen mit unseren Gedanken bei den Menschen in der Ukraine und wir beten für alle Menschen, deren Leben bedroht und beeinträchtigt ist."
Das Kirchenfest in Stuttgart mit 1500 Veranstaltungen findet erstmals seit vier Jahren wieder in Präsenz statt. Allerdings werden insgesamt nur etwa 25.000 Teilnehmer erwartet, darunter sind allein 7000 Mitwirkende. Zum Katholikentag 2018 in Münster waren noch 90.000 Menschen gekommen.
se/hf (kna, epd, dpa, afp)