Aktuell: EU will mehr Gasimporte aus Aserbaidschan
18. Juli 2022
Das Wichtigste in Kürze:
- EU-Kommission will Gasimporte aus Aserbaidschan verdoppeln
- Hochrangige Mitarbeiter im Sicherheitsapparat nicht mehr im Amt
- EU gibt weitere 500 Millionen Euro
- Wagner-Söldnertruppe in Ukraine aktiv
- Kanzler Scholz stimmt die Bevölkerung auf harte Zeiten ein
Die Europäische Union will ihre Gasimporte aus Aserbaidschan in den kommenden Jahren verdoppeln. "Die EU wendet sich zuverlässigeren Energielieferanten zu", erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen während eines Besuchs in der Kaukasusrepublik angesichts der durch Russlands Krieg in der Ukraine verursachten Energiekrise.
"Mit dieser Absichtserklärung schlagen wir heute ein neues Kapitel in unserer Energiezusammenarbeit mit Aserbaidschan auf." Das Land sei ein wichtiger Partner in den Bemühungen der EU, sich von russischen Energielieferungen zu lösen.
Die Gasimporte aus Aserbaidschan würden bereits erhöht. So werden in diesem Jahr voraussichtlich zwölf Milliarden Kubikmeter Erdgas in die EU geliefert im Vergleich zu 8,1 Milliarden Kubikmeter 2021.
Regierung rechnet mit neuer Drosselung
Die Bundesregierung rechnet laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung mit einer Notlage bei der Gasversorgung in einzelnen Bundesländern. Demnach habe Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) den Chefs der Staatskanzleien der Länder in einer Schaltkonferenz mitgeteilt, dass die Bundesregierung nach den Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream 1 von einer erneuten Drosselung der Gaslieferungen durch Russland unter Anführung von Vorwänden ausgehe.
Falls Russland wieder über 40 Prozent der vereinbarten Erdgas-Menge nach Deutschland liefern sollte, käme Deutschland aus Sicht der Bundesregierung laut dem Bericht ohne Notlagen durch den Winter. Das betrachte die Regierung aber als unrealistisch. Sie gehe zudem davon aus, dass Deutschland auch im Winter 2023/24 noch von russischem Gas abhängig sein werde, heißt es in dem "Bild"-Bericht - und dass die Gaspreise um das Doppelte bis Dreifache steigen würden.
Selenskyj greift im Sicherheitsapparat durch
Als Reaktion auf Verrat im ukrainischen Sicherheitsapparat hat Präsident Wolodymyr Selenskyj die Chefs von Geheimdienst und Generalstaatsanwaltschaft abgesetzt. Aus diesen Behörden seien mehr als 60 Mitarbeiter in den russisch besetzten Gebieten geblieben und kollaborierten mit dem Feind, sagte Selenskyj in seiner jüngsten Videoansprache. Das Präsidialamt in Kiew veröffentlichte Erlasse, mit denen der Leiter des Geheimdienstes SBU, Iwan Bakanow, und Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa ihrer Ämter enthoben wurden.
Die ersten Personalwechsel
Die Ukraine wehrt sich seit Februar gegen den russischen Angriffskrieg. Selenskyj hat in dieser Zeit so gut wie keine Personalwechsel vorgenommen, griff nun aber energisch durch. Er nannte Zahlen zu den Überläufern: Es gebe 651 Strafverfahren gegen Mitarbeiter von Staatsanwaltschaft und anderen Strafverfolgungsbehörden wegen Hochverrats und Kollaboration mit russischen Diensten. In 198 Fällen seien Betroffene informiert worden, dass sie unter Verdacht stehen.
Diese "Reihe von Verbrechen gegen die Grundlagen der nationalen Sicherheit" und die Kollaboration mit Russland werfe ernsthafte Fragen an die Behördenleiter auf, sagte der Präsident. Er bestätigte, dass ein ranghoher SBU-Mitarbeiter festgenommen worden sei, der früher für die Schwarzmeer-Halbinsel Krim zuständig war.
Der jetzt als Chef des SBU-Geheimdienstes entlassene Bakanow (47) ist ein enger Weggefährte Selenskyjs aus dessen Zeiten als Fernsehkomiker, er leitete den Geheimdienst seit 2019. Dessen bisheriger Stellvertreter Wassyl Maljuk übernimmt das Amt jetzt interimistisch. Die Generalstaatsanwaltschaft soll vorübergehend von Oleksij Simonenko geleitet werden.
EU: 500 Millionen Euro für Waffen an Ukraine
Die EU will weitere 500 Millionen Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung stellen. Das kündigte EU-Ratspräsident Charles Michel nach Beratungen der Außenminister der EU-Staaten in Brüssel an. Ein erstes Paket über 500 Millionen Euro war bereits Ende Februar bewilligt worden, drei weitere folgten dann im März, April und Mai. Mit den Geldern werden laut EU-Angaben Waffen, aber auch Dinge wie persönliche Schutzausrüstung, Sanitätsmaterial und Treibstoff finanziert.
Marina Owsjannikowa im Polizeirevier
Nach einer zweiten Protestaktion gegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine ist die Fernsehjournalistin Marina Owsjannikowa vorübergehend festgenommen worden. Auf ihrem Telegram-Kanal wurden Fotos gepostet, die zeigen, wie sie von Polizisten abgeführt wird. Auch das Bürgerrechtsportal "OVD-Info" in Moskau und die Organisation Cinema for Peace in Deutschland berichteten über die Festnahme. In der Nacht zum Montag meldete sie sich dann selbst auf Facebook. "Ich bin wieder zu Hause. Alles ist gut", schrieb sie.
Die frühere Mitarbeiterin des russischen Ersten Kanals war vorübergehend in das Krasnoselski-Polizeirevier in Moskau gebracht worden. Owsjannikowa hatte Fotos gepostet, wie sie mit einem Protestplakat in Sichtweite des Kremls steht. "Putin ist ein Mörder", stand auf dem Plakat und: "Seine Soldaten sind Faschisten."
London: Russland setzt Wagner-Söldnertruppe ein
Die russische Söldnertruppe Wagner füllt nach Erkenntnissen britischer Geheimdienstexperten bei der Invasion in der Ukraine zunehmend die Lücken. So hätten Wagner-Kämpfer wohl in jüngsten Gefechten eine zentrale Rolle gespielt, beispielsweise bei der Einnahme der Städte Popasna und Lyssytschansk, meldet das britische Verteidigungsministerium unter Bezug auf die Geheimdienste.
Die britischen Experten gehen allerdings auch davon aus, dass die Söldnertruppe schwere Verluste hinnehmen musste. Das führe zu niedrigeren Standards bei der Rekrutierung neuer Kämpfer, unter denen verurteilte Kriminelle und zuvor abgelehnte Bewerber seien. Diese neuen Rekruten würden nur sehr eingeschränkt ausgebildet, was die Schlagkraft der Truppe und damit ihren Wert als Unterstützung für das russische Militär vermutlich verringern werde, heißt es in London weiter.
Scholz: Wir werden einen langen Atem brauchen
Bundeskanzler Olaf Scholz geht wegen des Krieges in der Ukraine von langfristigen Auswirkungen auch auf die Bevölkerung in Deutschland aus. Schon jetzt litten viele Menschen vor allem unter den hohen Preisen für Benzin und Lebensmittel und blickten mit Sorge auf ihre kommende Rechnung für Strom- und Heizkosten, so Scholz in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". "Wir werden einen langen Atem brauchen."
Durch den russischen Krieg stehe die Weltwirtschaft "vor einer seit Jahrzehnten ungekannten Herausforderung", erklärte der Bundeskanzler. Unterbrochene Lieferketten, knappe Rohstoffe sowie die kriegsbedingte Unsicherheit an den Energiemärkten trieben die Preise in die Höhe. "Kein Land der Welt kann sich allein gegen eine solche Entwicklung stemmen."
Fridays for Future meldet sich zu Wort
Vor dem Beginn des Petersberger Klimadialogs warnt die Umweltschutzbewegung Fridays for Future vor einer Vernachlässigung des Klimawandels wegen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs.
"Diese Krisen werden konstant gegeneinander ausgespielt", sagte Linda Kastrup, Sprecherin der Klimaaktivisten, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Dabei wird jedoch vergessen, wie eng alle diese Katastrophen miteinander vernetzt sind und wie nah beieinander die Lösungen liegen."
nob/uh/haz/ack/se (dpa, rtr, afp, kna, ap)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.