"Klimakrise größtes Sicherheitsproblem für alle Menschen"
18. Juli 2022Die deutsche Außenministerin hat zum Auftakt des Petersberger Klimadialogs in Berlin die Partnerstaaten zu gemeinsamen und verstärkten Anstrengungen gegen die von Menschen gemachte Erwärmung des Weltklimas aufgerufen. "Die Klimakrise ist mittlerweile das größte Sicherheitsproblem für alle Menschen auf dieser Erde", sagte die Grünen-Politikerin. "Die Klimakrise macht an keiner Grenze halt. Deswegen dürfen auch die Antworten an keiner Grenze haltmachen", betonte Annalena Baerbock. Ziel sei es, gemeinsam und international "die größte Sicherheitsgefahr dieses Jahrhunderts eindämmen zu können".
"Mega-Kraftanstrengung"
Baerbock verwies auf die bedrohliche Entwicklung durch die Klimaerwärmung in Afrika, aber auch auf die verheerenden Brände der vergangenen Wochen in Südeuropa sowie die Flutkatastrophe im vergangenen Jahr im Ahrtal. "Wir müssen unsere gemeinsamen Kraftanstrengungen intensivieren. Denn in den vergangenen Jahren sei "viel zu viel Zeit verplempert" worden.
Die Ministerin sprach von einer "Mega-Kraftanstrengung". Gleichzeitig befinde sich die Menschheit in einer Situation, "in der sich die weltweiten Krisen überlappen". Dazu zählten auch die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Lebensmittelversorgung weltweit, sagte Baerbock.
"Booster" für erneuerbare Energien
Auch wenn Deutschland nun wegen der Einschränkung der russischen Gaslieferungen wieder verstärkt Kohlekraftwerke ans Netz bringt, zeigte sich Baerbock überzeugt, dass der russische Angriffskrieg zu einem "Booster für den Ausbau der erneuerbaren Energien" werde. Denn diese seien "die beste Sicherheitsgarantie dafür, unabhängig zu werden von fossilen Importen und damit auch unabhängig zu werden von autokratischen Regierungen weltweit".
Kanzler Scholz warnt vor weltweiter Renaissance fossiler Energien
Bundeskanzler Olaf Scholz hat davor gewarnt, dass die Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine nicht zu einer Rückkehr der Kohleenergie führen dürfe. "Was uns nicht passieren darf, das ist, jetzt in eine globale Renaissance der fossilen Energie und insbesondere der Kohle hineinzuschlittern", sagte Scholz auf dem Petersberger Klimadialog. "Niemand kann zufrieden damit sein, dass auch bei uns der Anteil der Kohleverstromung gerade wieder steigt, als Reaktion auf drohende Engpässe bei der Gasversorgung." Dabei handele es sich aber nur um eine befristete Notmaßnahme. "Wir müssen raus aus Kohle, Öl und Gas – fast hätte ich gesagt: und zwar mit Vollgas", fügte Scholz hinzu. Trotz des Ukraine-Kriegs und steigender Preise wolle Deutschland keine Abstriche beim Klimaschutz machen.
Auch der ägyptische Präsident Abdel Fattah Al-Sisi, Ausrichter der COP27 im Herbst, nannte die Klimaerwärmung eine extreme Bedrohung. Besonders für Afrika sei das eine große Herausforderung. Der Kontinent brauche Hilfe, da ihm die finanziellen Möglichkeiten fehlten, den Übergang zu "grünen Technologien" sowie die Anpassung an Klimaveränderungen alleine zu bewältigen.
Weichenstellung für COP 27
Vertreter von mehr als 40 Ländern beraten an diesem Montag und Dienstag in Berlin, um im Rahmen des 13. Petersberger Klimadialogs die Weltklimakonferenz COP27 Anfang November im ägyptischen Küstenort Scharm el Scheich vorzubereiten. Diese solle "zu einem Katalysator für den weltweiten Klimaschutz und einer zentralen Wegmarke werden, um die Welt auf den 1,5-Grad-Pfad zu führen", hieß es von der Bundesregierung. Deutschland und Ägypten sind Ausrichter des zweitägigen Treffens.
Der Petersberger Klimadialog wurde 2010 von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel ins Leben gerufen und bringt jährlich ausgewählte Staaten zusammen, um die Weichen für erfolgreiche Verhandlungen bei den Weltklimakonferenzen COP zu stellen. Von 2011-2021 wurde der Petersberger Dialog durch das Umweltressort ausgerichtet. Mit Übernahme der Zuständigkeit für Klimaaußenpolitik durch das Außenministerium findet die Konferenz 2022 erstmals im Auswärtigen Amt statt.
Klimaforscher Latif pessimistisch
Vor dem Treffen sagte der Klimaforscher Mojib Latif in einem Interview, die Aussichten für die Entwicklung des Weltklimas seien düster. Das Ziel, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, könne nicht mehr erreicht werden. "Mit dem heutigen Ausstoß an Treibhausgasen werden wir diese Marke schon in knapp zehn Jahren reißen", schätzte Latif. Vermutlich werde man nicht einmal zwei Grad schaffen. "Nimmt man das, was die Politik weltweit derzeit macht, sind wir eher auf dem Kurs drei Grad." Die Welt nähere sich dem Punkt, an dem man sich eingestehen müsse: "Die Zeit ist abgelaufen", sagte der Forscher der Mediengruppe Bayern. Drei Grad Erderwärmung wären eine "Katastrophe".
Klimawandel kostet Deutschland mehr als sechs Milliarden Euro pro Jahr
Der Klimawandel hat in Deutschland seit 2000 jährliche Schäden von durchschnittlich 6,6 Milliarden Euro verursacht. Insgesamt seien es rund 145 Milliarden Euro gewesen. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz beauftragte Studie zu den Kosten der Klimawandelfolgen in Deutschland, die jetzt veröffentlicht wurde.
qu/se (dpa, afp, rtr, Phoenix, AA)