Faktencheck: Warum der Klimawandel real ist
16. Juli 2022Eine schwere Dürre in Monterrey, Mexiko. Todesopfer durch einen Bruch des Marmolata-Gletschers in Italien. Eine drohende Hitzewelle in weiten Teilen Europas. Dies sind nur einige der jüngsten Beispiele für sich häufende extreme Naturphänomene, die für Klimaschützer als offensichtliche Beweise für den Klimawandel gelten.
Dennoch gibt es weltweit weiterhin Menschen, die den Klimawandel bestreiten. In Deutschland glauben laut einer YouGov-Studie von 2022 von 2059 Befragten beispielsweise fünf Prozent, also jeder zwanzigste, nicht an die Erderwärmung. In den USA glauben laut einer YouGov-Studie vom Juni 2022 mit 1.487 Befragten zufolge neun Prozent nicht daran, 23 Prozent sind sich unsicher. Damit erhöht sich die Zahl der Klimaskeptiker in den USA: Im Juli 2021 glaubten nur sechs Prozent der 1.496 Befragten nicht an den Klimawandel, fünfzehn Prozent waren sich unsicher.
Laut dem Kognitionspsychologen Klaus Oberauer der Universität Zürich hängt es nicht vom Bildungsgrad ab, ob jemand an den Klimawandel glaubt oder nicht. Er bezeichnet die Leugnung des Klimawandels als "raffinierte politische Strategie". Dabei definiere man eine wissenschaftliche Frage zu einer Frage des Weltbilds, um sich mit einer bestimmten politischen Orientierung zu identifizieren.
Die Frage, ob es den Klimawandel gibt oder nicht, ist aber keine Gefühls- oder Weltanschauungsfrage, sondern eine Frage der Fakten. Diese soll dieser Faktencheck liefern.
Behauptung: "Es gibt keine globale Erwärmung, keinen Klimawandel", schreibt ein Nutzer auf Twitter (hier archiviert) - und veröffentlicht dazu ein CNN-Interview mit dem Meteorologen John Coleman, der darin den Klimawandel leugnet.
DW-Faktencheck: Falsch
Bei dem geteilten Video handelt es sich um ein Gespräch von 2014 mit John Coleman, dem Co-Gründer des "Weather Channels", von dessen Aussagen sich der Wetter-Sender damals klar distanzierte. Laut Medienberichten starb der Meteorologe 2018 - dennoch nehmen immer wieder Klimaleugner Bezug auf Coleman. Die Aussage im Tweet ist unbelegt und widerspricht wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Ist der Klimawandel wissenschaftlich nachgewiesen?
Ja, die Erderwärmung und der Klimawandel sind wissenschaftlich nachgewiesen und das schon seit Jahrzehnten. Wie Forschende herausfanden, begann er sogar schon vor über 180 Jahren, zum Beginn der industriellen Revolution. Im Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) schreiben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 195 Ländern, dass es immer stärkere Belege für Extreme wie Hitzewellen, Starkniederschläge, Dürren und tropische Wirbelstürme sowie insbesondere deren Zuordnung zum Einfluss des Menschen gebe.
Für ihre Weltklimaberichte analysieren die Fachleute Zehntausende von Studien. Bereits 1995 sagte das Gremium, "die Abwägung der Beweise legt nahe, dass es einen erkennbaren menschlichen Einfluss auf das globale Klima gibt".
Auch das Deutsche Klima-Konsortium (DKK) erklärt in einer Übersicht, dass sich alle Teile des Klimasystems, also Ozeane, Eis, Land, Atmosphäre und Biosphäre in den vergangenen Jahrzehnten deutlich erwärmt haben - und die Luft der Erdoberfläche im globalen Mittel bereits mehr als ein Grad Celsius wärmer sei als in der vorindustriellen Zeit.
Laut Experten muss das Ziel sein, die Klimaerwärmung bis 2100 auf 1,5 Grad zu begrenzen. Sonst werden die Klimafolgen immer schädlicher für Menschen und den ganzen Planeten, der Meeresspiegel könnte weiter steigen und die Wetterbedingungen würden immer extremer. "1,5 Grad globale Klimaerwärmung", betont Claas Teichmann, Wissenschaftler am Climate Service Center Germany, im DW-Interview. "Das bedeutet im globalen Mittel 1,5 Grad Erwärmung, da es sich tendenziell über den Kontinenten stärker erwärmt als über dem Ozean, wo durch die Verdunstung ja ein gewisser Kühlungseffekt auftritt", erklärt der Klimawissenschaftler weiter. Das heißt also, dass man nicht nur im Sommer einfach 1,5 Grad aufaddieren würde, sondern in vielen Regionen einiges mehr.
Ist der Klimawandel menschengemacht?
Hunderte von Forschungseinrichtungen weltweit sind sich einig, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Eine US-amerikanische Studie analysierte zudem 88.125 Klimastudien und kam zu dem Schluss, dass mehr als 99 Prozent der wissenschaftlichen Studien darin übereinstimmen, dass der Klimawandel durch den Menschen verursacht wird. Mithilfe von Modellen kann simuliert werden, wie sich das Klima ohne anthropogene, das heißt durch den Menschen verursachte, Einflüsse entwickelt hätte und wie es sich eben durch die menschlichen Einflüsse schließlich entwickelt hat.
Zudem veröffentlichte die NASA 2021 eine Studie, in der Forschende durch Satellitenbeobachtungen der Erdstrahlungen bewiesen, dass der Klimawandel nicht natürlich sondern menschengemacht ist.
Zum Hintergrund: Wenn beispielsweise fossile Energieträger wie Kohle, Erdöl oder Erdgas verbrannt werden, entsteht das Treibhausgas Kohlendioxid. Dieses blockiert gemeinsam mit anderen Treibhausgasen die Wärmeabstrahlung, wodurch sich die Erde erwärmt. "2020 lag die CO2-Konzentration im Jahresmittel fast 50 Prozent höher als vor Beginn der Industrialisierung", heißt es beispielsweise auf der Webseite des Deutschen Klima-Konsortiums (DKK).
Am 12. Juli 2022 lag der durchschnittliche globale Wert für atmosphärisches CO2 bei 417 ppm. Das letzte Mal, dass so viel CO2 in der Atmosphäre war, liegt mehrere Millionen Jahre zurück, als an den modernen Menschen überhaupt noch nicht zu denken war und der Meeresspiegel durchschnittlich 30 Meter höher lag. Damals war es laut Forschenden insgesamt viel wärmer und es gab weniger Eis auf dem Planeten. Die DW veröffentlichte 2021 einen ausführlichen Faktencheck zur Frage, ob der Klimawandel menschengemacht ist.
Welche aktuellen Naturkatastrophen lassen sich dem Klimawandel zuordnen?
"Grundsätzlich dürfen Sie aus statistischen Gründen nicht von einem Einzelereignis auf eine globale Änderung des Klimas, also auf eine langfristige Veränderung, schließen", sagt Andreas Becker, Leiter der Abteilung Klimaüberwachung des Deutschen Wetterdienstes, im DW-Interview. "Wir können aber mit Wahrscheinlichkeiten rechnen", erklärt er weiter.
Das bestätigt auch Marie-Luise Beck, Geschäftsführerin des Deutschen Klima-Konsortiums, auf DW-Anfrage per Mail. "Durch den Klimawandel verändern sich die Extreme hinsichtlich der Häufigkeit und der Intensität, das heißt Wetterextreme werden häufiger und sie sind stärker", erläutert sie.
Ein Beispiel: Laut einer internationalen Studie, an der auch der Deutsche Wetterdienst (DWD) beteiligt war, hat sich die Wahrscheinlichkeit, dass es zu extremen Regenfällen kommt, die beispielsweise 2021 zu Überschwemmungen in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg geführt hatten, um das 1,2- bis Neunfache erhöht.
Das sei noch eine recht große Spannbreite, erklärt Becker, da das Ereignis selbst in Zeiten des Klimawandels immer noch sehr selten sei. "Wir reden da über mehrere hundert Jahre und ohne den Klimawandel wären solche Regenfälle nur alle 20.000 Jahre vorgekommen", sagt der Meteorologe. "Aus der Studie geht außerdem hervor, dass sich die Intensität dieser extremen Niederschläge aufgrund der durch den Menschen verursachten globalen Erwärmung in der Region zwischen 3 und 19 Prozent erhöht hat", heißt es in einer Mitteilung zu der Studie weiter.
Der Chefmeteorologe und Klimaspezialist des US-amerikanischen Senders WFLA News Jeffrey Berardelli erwähnt im DW-Interview ein weiteres Beispiel: "Zuletzt wurde die Hitzewelle im Frühjahr in Indien und Pakistan, die die Überschwemmung durch einen Gletscherseeausbruch verursachte, durch den Klimawandel dreißig Mal wahrscheinlicher."
Fazit: Es besteht nahezu 100-prozentiger wissenschaftlicher Konsens darüber, dass sich das Klima wandelt - und der Mensch dafür verantwortlich ist. Damit verbunden häufen sich statistisch messbar Wetterextreme, die für den Menschen und die gesamte Erde lebensgefährlich sind.
Mitarbeit: Tetyana Klug