Aktuell: Russland befiehlt Ausweitung der Angriffe
16. Juli 2022
Das Wichtigste in Kürze:
- Die russische Militärführung gibt den Befehl, die Angriffe zu verstärken
- Luftalarm in der ganzen Ukraine
- Bischof: Russische Soldaten foltern Priester
- Gazprom bittet Siemens um Rückgabe der gewarteten Turbine
- Habeck fordert Energiesparen in Büros und öffentlichen Gebäuden
Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat bei einer Inspektion der am Ukraine-Krieg beteiligten Truppenteile eine Ausweitung der Angriffe auf das Nachbarland befohlen. Nach Anhörung des Lageberichts "hat der Chef des Verteidigungsministeriums die nötigen Anweisungen zur Ausweitung der Aktivitäten der Heeresgruppen in alle Angriffsrichtungen gegeben", teilte die Behörde in Moskau mit. Damit solle den ukrainischen Truppen die Möglichkeit genommen werden, massive Artillerie- und Raketenangriffe auf "Infrastruktur und Zivilisten im Donbass und in anderen Regionen" starten zu können, hieß es weiter.
Luftalarm in der gesamten Ukraine
Einen Tag nach dem verheerenden russischen Raketenangriff in der zentralukrainischen Stadt Winnyzja ist im gesamten Land Luftalarm ausgelöst worden. In sozialen Netzwerken kursierten Videos und Fotos, die fliegende Raketen und Rauchwolken etwa in der südöstlichen Großstadt Dnipro zeigen sollen. Wenig später schrieb der Leiter der regionalen Militärverwaltung, Valentin Resnitschenko, es seien mindestens drei Menschen getötet und 15 weitere verletzt worden. Die Raketen hätten eine Industrieanlage und eine belebte Straße daneben getroffen.
Auch die Städte Tschuhujiw im Nordosten und Nikopol im Südosten des Landes meldeten Raketenangriffe. Nach ukrainischen Angaben gab es mehrere Tote und Verletzte. Die Angaben aus den Kriegsgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Ukrainischer Bischof: Russische Soldaten foltern Priester
Schwere Vorwürfe gegen die russische Armee und den Moskauer Patriarchen Kyrill hat der Metropolit der eigenständigen Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) von Lwiw (ehemals Lemberg), Dymytrij Rudjuk, erhoben. Die Mehrheit der Priester der OKU habe aus den russisch okkupierten Gebieten der Ukraine fliehen müssen, sagte Rudjuk der Wochenzeitung "Die Tagespost". "Jene, die geblieben sind, werden vielfach gefoltert." Fünf orthodoxe Priester seien erschossen, ein Priestermönch zu Tode gefoltert worden.
In den unter russischer Kontrolle stehenden Gebieten sei es fast unmöglich, die pastorale Arbeit weiterzuführen. "Wenn die russische Armee in ein Gebiet eindringt, suchen die Soldaten die Priester und überprüfen, welcher Kirche diese angehören. Dazu haben sie eine vorgefertigte Liste mit Fragen. Eine solche Liste wurde in der Nähe von Kiew gefunden", berichtete der Metropolit.
USA weisen russische Version des Angriffs auf Winnyzja zurück
Die USA haben die russische Darstellung zurückgewiesen, dass der Raketenangriff in der zentralukrainischen Stadt Winnyzja ein militärisches Ziel getroffen habe. Es gebe keinen Hinweis darauf, "dass ein militärisches Ziel dort irgendwo in der Nähe war", sagte ein hochrangiger Vertreter des US-Verteidigungsministeriums, der anonym bleiben wollte.
Bei den Raketeneinschlägen im Stadtzentrum von Winnyzja, das hunderte Kilometer von der Frontlinie des Krieges entfernt liegt, wurden nach ukrainischen Angaben mindestens 23 Menschen getötet, darunter drei Kinder. Mehr als hundert weitere Menschen wurden demnach verletzt.
Selenskyj: Russlands Gesellschaft für Generationen "verkrüppelt"
Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht auch die russische Zivilgesellschaft angesichts des Kriegs gegen sein Land für Jahrzehnte geschädigt. Die Ukraine werde sich "Menschlichkeit und Zivilisation" bewahren, sagte Selenskyj in einer Video-Ansprache. Auch zerstörte Bildungseinrichtungen würden wieder aufgebaut, versprach er. Aber die russische Gesellschaft mit so vielen Mördern und Henkern werde für Generationen seelisch "verkrüppelt" bleiben - und zwar aus eigener Schuld.
Gazprom bittet Siemens um Rückgabe der Nord-Stream-Turbine
Der russische Energieriese Gazprom hat den deutschen Siemens-Konzern darum gebeten, die Rückgabe der Turbine für die Erdgas-Pipeline Nord Stream 1 in die Wege zu leiten. Auf seinem Telegram-Kanal schreibt das Unternehmen weiter, man rechne fest damit, dass Siemens Energy seinen Vertrag zur Wartung und Reparatur der Gasturbinen erfülle. Davon hänge das weitere Funktionieren von Nord Stream 1 ab.
Im Juni hatte Gazprom die Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 in der Ostsee deutlich gedrosselt und dies mit der fehlenden Turbine von Siemens Energy begründet, die in Kanada gewartet wurde. Aufgrund der gegen Russland verhängten Sanktionen weigerte sich Kanada zunächst, die Turbine an Russland zurückzugeben. Später wurde das Aggregat an Deutschland weitergereicht.
Wegen Wartungsarbeiten wird seit Montag durch Nord Stream 1 kein Gas mehr geliefert. Die Arbeiten sollen bis zum 21. Juli dauern. Westliche Politiker schließen nicht aus, dass auch anschließend kein Gas mehr durchgeleitet wird.
Habeck fordert Energiesparen in Büros und öffentlichen Gebäuden
Angesichts des Schreckensszenarios einer Gasknappheit im Winter in Deutschland hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Unternehmen mit Büroräumen aufgefordert, sich am Energiesparen zu beteiligen. "Es wäre doch fatal, Büros bis 23 Uhr zu heizen und gleichzeitig ganze Industriezweige zu zerstören", sagte Habeck dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Zugleich versicherte er, dass private Haushalte und kritische Infrastruktur wie Krankenhäuser, Altenheime, Pflegeeinrichtungen besonders geschützt seien. Der Minister verwies auf laufende Anstrengungen zum Energiesparen in Kommunen etwa bei Bädern oder Klimaanlagen und führte aus: "Wir sollten auch darüber nachdenken, ob es nicht Sinn macht, über Weihnachten oder Ostern dort, wo es geht und wo nicht die Produktion weiterläuft, Betriebsferien zu organisieren, um Heizungsanlagen herunterzufahren, wenn ohnehin die meisten im Urlaub sind."
Ganze Bürotürme auf mehr als 20 Grad zu heizen, wenn nur drei Menschen drinsäßen, werde man sich nicht leisten können. Habeck forderte auch, die bisherige Praxis für das Heizen von öffentlichen Gebäuden zu ändern. In vielen öffentlichen Gebäuden werde von 6 Uhr morgens bis 23 Uhr abends die volle Raumtemperatur bereitgestellt. Ein bisschen weniger wäre in den Randzeiten auch tolerabel. Sein Eindruck sei, von der Wirtschaft über Städte, Länder und Bundesregierung bis hin zu den Verbrauchern sei der Ernst der Lage angekommen, sagte Habeck den Zeitungen des RND.
se/AR/qu/ack (dpa, afp, rtr, ap, kna)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.