Mehr Diversität in deutschen Filmen
27. November 2020Der deutsche Film ist weiß. Käseweiß. In TV- wie in Kinoproduktionen sieht man meist "Biodeutsche", also weiße, mitteleuropäisch aussehende Menschen - vorwiegend männlich. Deshalb standen deutsche Filmproduktionen in den vergangenen Jahren immer wieder in der Kritik, die heutige deutsche Gesellschaft nicht so abzubilden, wie sie ist. Schauspielerinnen und Schauspieler beklagen in Interviews den Mangel an Frauenrollen und die vielen klischeebeladenen Rollen, die Menschen mit Migrationshintergrund meist angeboten werden: als Kleinkriminelle, Clanchefs oder exotische Verführer.
Nach den Weckrufen der vergangenen Jahre, darunter die #Metoo-Bewegung und zuletzt die Black Lives Matter-Proteste, haben sich international immer mehr Institutionen der Filmbranche dazu verpflichtet, ihre Gremien, Vorstände oder Besetzungen "durchzulüften" und die moderne Gesellschaft mit mehr Frauenrollen, mehr Schauspielerinnen mit Migrationshintergrund oder mehr Menschen aus der LGBTIQ+-Community zu spiegeln. Nun hat sich auch die UFA, Deutschlands ältestes Filmunternehmen, eine Selbstverpflichtung in Sachen Diversität verordnet. Die UFA mit Sitz in Potsdam ist eines der größten europäischen Unternehmen seiner Art und produziert sowohl fürs Kino als auch fürs Fernsehen.
Quoten für die Vielfalt
Wie eine Sprecherin des Unternehmens nun der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, strebe die UFA an, "die Gruppen Gender, People of Color, LGBTIQ+ und Menschen mit Beeinträchtigungen so abzubilden, wie es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht."
Die afrodeutsche Schauspielerin Denise M'Baye setzt sich schon seit Langem für mehr Vielfalt im deutschen Film ein. Gegenüber der DW sagt sie, sie freue sich, dass die Branche nun "in eine gute Richtung" tendiere. Und sie ist überzeugt, dass Geschichten mit mehr Vielfalt und Komplexität "für jeden ein Gewinn" seien, "nicht nur für diejenigen, die entweder gar nicht oder nur dem Klischee entsprechend stattfinden."
Frauen sollen in den kommenden UFA-Produktionen laut Geschäftsführer Joachim Kosack zu 50 Prozent vorkommen, Menschen mit Migrationshintergrund zu mindestens 25 Prozent - eben so, wie es im "echten" Leben ist. Diese Quoten sollen für das gesamte Jahresprogramm der UFA gelten, nicht nur für einzelne Formate. Ziel des Unternehmens sei es, die selbst gesteckten Ziele bis 2024 zu erreichen.
Was passiert hinter der Kamera?
Doch die wichtigsten Entscheidungen in Sachen Film werden nicht vor, sondern hinter der Kamera gefällt - angefangen beim Drehbuch über die Regie bis hin zur Produktion. Auch hier, bei den Entscheider-Positionen hinter der Kamera, will sich die UFA laut ihrer Sprecherin verändern. Denn "mehr Diversität hinter der Kamera ist eine Voraussetzung für mehr Diversität vor der Kamera". UFA-Chef Nico Hoffman ergänzt, es gehe um "Strukturen, die Talent fernhalten. Diese Strukturen aufzubrechen, das ist unser Thema."
Und diese Strukturen sind lange gewachsen und reichlich starr in Deutschland. In diesem Land, das immerhin seit 15 Jahren von einer Frau regiert wird, werden noch immer nur ein Drittel der Hauptrollen von Frauen gespielt, so Studien der Rostocker Medienwissenschaftlerin Elizabeth Prommer oder der MaLisa-Stiftung von Schauspielerin Maria Furtwängler und ihrer Tochter Elisabeth. Nur jeder fünfte Film wird von einer Frau gedreht. Die Vielfalt, die in vielen westlichen Ländern wie Skandinavien oder Großbritannien schon lange im Arbeitsalltag gelebt wird, ist in Deutschland noch lange nicht erreicht. Dabei "sollten wir die Chance nutzen, unterschiedliche Lebensrealitäten zu Wort kommen zu lassen", so Denise M'Baye.
Druck auf Branche wächst
In Sachen Vielfalt scheint in Deutschland erst so richtig Bewegung in die Branche gekommen zu sein, seit der wirtschaftliche Druck auf die Branche wächst. Denn in den vergangenen Jahren pochen sowohl Filmfördereinrichtungen als auch internationale Filmpreise wie die Oscars und selbst alteingesessene europäische Filmfestivals wie die Berlinale immer deutlicher auf Diversität.
Laut Denise M'Baye liegt trotz der positiven Entwicklungen noch vieles im Argen: "Allein die Tatsache, dass mein Herz vor Freude hüpft, wenn mir eine Rolle angeboten wird, die nicht klischeebesetzt ist, ist ein deutliches Signal für diesen traurigen Umstand."
Diversität ist das Zauberwort der Stunde, doch sie besteht aus weit mehr als aus Quoten. Die Plots der erzählten Geschichten müssen diese Vielfalt auch inhaltlich widerspiegeln. Mehr Frauenrollen sind nicht gleich bessere Frauenrollen, und genauso brächte es Menschen mit Migrationshintergrund so gut wie nichts, wenn sie weiterhin auf Klischees reduziert würden - nur halt in größerer Zahl. Ob die Selbstverpflichtungen innerhalb der Filmbranche zu einem echten Paradigmenwechsel führen werden oder lediglich Makulatur sind, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen.