Mit Holzgewehr auf Journalistenjagd
2. Mai 2018In der diesjährigen Ausgabe der globalen Rangliste der Pressefreiheit, die von Reporter ohne Grenzen (ROG) zusammengestellt wurde, rutscht Tschechien um elf Positionen auf Platz 34 ab. Auch wenn das Ergebnis besser als im Fall von Ungarn und Polen ist, gibt es ernste Gründe, beunruhigt zu sein.
Das, was Miloš Zeman im Vorjahr bei einer Pressekonferenz vorführte, wurde zum Symbol der neuen Beziehung zwischen Politik und Medien in der Tschechischen Republik. Vor laufenden Kameras hielt er Lobreden auf sich selbst, in den Händen hatte er eine Nachahmung eines AK-47-Gewehrs. Da, wo normalerweise die Patronenkammer sitzt, zierte die Waffenattrappe eine Flasche seines beliebten Kräuterlikörs Becherovka. Auf dem Schaft aber war zu lesen: "na novinářů" - für die Journalisten[jagd].
"Trottel, Mist und Kot"
Für die ROG war dieser "schwer vorstellbare" Vorfall vom Oktober ein krasser Beweis dafür, dass die Medienfreiheit in Tschechien bedroht wird: "Hass und Verachtung gegen Journalistinnen und Journalisten zu schüren, ist in Zeiten des Vormarschs populistischer Kräfte ein Spiel mit dem Feuer. Leider erleben wir das zunehmend auch in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union", schrieben die Autoren des aktuellen ROG-Berichts.
Dabei war es nicht das erste Mal, dass Zeman Journalisten beleidigte. Vor vielen Jahren, im Gespräch mit der Zeitung MF Dnes, unterteilte er sie in zwei Gruppen: "journalistische Prostituierte" auf der einen und "selbstbewusste Dummköpfe" auf der anderen Seite. Und noch abfälliger drückte er sich im Privatfernsehen Prima aus: "Journalisten sind Trottel, Mist und Kot."
Wenn Geschäftsleute Politik machen
Es gibt jedoch noch einen, vielleicht sogar wichtigeren Grund für die schlechte Bewertung Tschechiens. "Das Niveau der Konzentration des Medienbesitzes wurde kritisch, seitdem die neuen Oligarchen 2008 begonnen hatten, dank ihres Reichtums Tageszeitungen zu kaufen, um ihren Einfluss zu stärken", urteilt Reporter ohne Grenzen im diesjährigen Bericht. Sie nennen dabei den Namen des amtierenden Regierungschefs, dem "eine der einflussreichsten Zeitungen der Tschechischen Republik" gehört.
Andrej Babiš, der in Tschechien lebende, gebürtige Slowake und zweitreichste Mann des Landes, Besitzer des Lebensmittelkonzerns Agrofert, übernahm 2013 von der Rheinisch-Bergischen Druckerei- und Verlagsgesellschaft die Gesellschaft Mafra. Damit wurde er zum Besitzer von zwei wichtigen Tageszeitungen: Lidové noviny und MF Dnes. Als er dann zum Vizepremier und Finanzminister wurde, taufte ihn das Volk ihn "Babisconi", in Anlehnung an Berlusconi um.
Aber nicht Babiš war der erste unter den Mogulen der tschechischen Wirtschaft, der sich entschied, in das Mediengeschäft einzusteigen. Der Vorreiter war Zdeňek Bakala, Besitzer der Kohlegruben OKD und ČMD im Nordosten des Landes und einer der reichsten Tschechen, der trotz starker Verluste im Kohlegeschäft immer noch auf der Forbes-Liste 2017 der tschechischen Milliardäre als Nummer zehn gelistet wird. 2006 erwarb er die Wochenzeitschrift Respekt, 2008 kaufte er dazu von der Verlagsgruppe Handelsblatt den Verlag Economia, sowie mehrere Fachzeitschriften.
Weitere tschechische Milliardäre stiegen ebenso ins Mediengeschäft ein. Als der deutsch-schweizerische Verlag Ringier Axel Springer 2014 entschieden hatte, Tschechien zu verlassen, wurde Czech News Center - eine Gesellschaft, die zur Hälfte Daniel Křetínský gehört, der Nummer fünf unter den reichsten Tschechen - zum neuen Besitzer der Boulevard-Blätter Blesk und Aha.
Ein Jahr später verkaufte die Verlagsgruppe Passau ihr tschechisches Geschäft an die Gesellschaft Penta Investments, die zwar in Zypern registriert ist, aber dem tschechischen Milliardär Marek Dospiva (Platz neun bei Forbes) gehört. Damit ging die letzte große Zeitung, das in unzähligen lokalen Mutationen herausgegebene Tagesblatt Deník, auch in tschechische Oligarchen-Hände.
Düstere Perspektive
Aber immer noch bleibt Tschechien (laut ROG) auf Platz 34, weit vor seinen Visegráder Partnern Polen (58.) und Ungarn (73.). In beiden Ländern sorgen vor allem die Gleichschaltung der öffentlichen Medien mit der jeweiligen Politik der Regierungspartei für Schlagzeilen. Auch die versteckte Unterstützung der regierungsnahen Medien durch Inserate der staatseigenen Unternehmen sind ROG negativ aufgefallen und erklären den Abwärtstrend in Sachen Pressefreiheit.
Die Änderungen, die in Budapest und Warschau durchgesetzt worden sind, können jedoch wesentlich einfacher zurückgedreht werden, sollte es zu einem Machtwechsel in Ungarn oder Polen kommen. Dagegen wird ein Regierungswechsel in Prag keinen Einfluss auf die Eigentumsverhältnisse auf dem Medienmarkt haben.
Und die Medienkonzentration in Tschechien wird weiter fortgesetzt. Erst vor zwei Wochen meldeten die Agenturen, dass die Gesellschaft Czech Media Invest von Daniel Křetínský die tschechischen, polnischen und rumänischen Rundfunksender der französischen Gruppe Lagardére für 73 Millionen Euro abgekauft hat. Langfristig kann also die steigende Besitzkonzentration an Medien an der Moldau weit negativere Folgen haben, als die jetzt sehr schmerzhaften, aber schnell umkehrbaren Regelungen an der Weichsel und der Donau.