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PolitikEuropa

Tschechien: Ex-General zieht in die Prager Burg

29. Januar 2023

Der ehemalige NATO-General Petr Pavel ist der neue Präsident der Tschechischen Republik. In einer Stichwahl besiegte er den populistischen Oligarchen und früheren Premierminister Andrej Babis.

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Tschechien | Präsidentschaftswahlen | Petr Pavel
Ex-NATO-General Petr Pavel ist der neue Präsident der Tschechischen RepublikBild: Ondrej Deml/CTK Photo/IMAGO

Die Tschechische Republik bekommt mit Petr Pavel einen Ex-General und ehemaligen Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses als neuen Präsidenten. Pavel, der noch vor einigen Jahren der Mehrheit der tschechischen Öffentlichkeit unbekannt war, konnte die Stichwahl am 27./28.01.2023 mit rund 58 Prozent der Stimmen für sich entscheiden.

Pavels Gegenkandidat, der populistische Oligarch, Chef der oppositionellen ANO-Bewegung und ehemalige Premierminister Andrej Babis, kam nur auf 42 Prozent. Nach dem ersten Wahlgang waren beide Kandidaten noch fast gleichauf gelegen. 

Vom kommunistischen Soldaten an die Spitze der NATO

Der 61-jährige Petr Pavel war vor der Wende im November 1989 Mitglied der Kommunistischen Partei - wie die meisten Berufssoldaten. Zu seinem Lebenslauf zählt auch eine nachrichtendienstliche Ausbildung in der tschechoslowakischen Armee. Nach 1990 setzte Pavel diese Ausbildung fort und machte Karriere. Er studierte an renommierten amerikanischen und britischen Militärschulen, unter anderem auch das Fach Internationale Beziehungen.

Tschechien | Präsidentschaftswahlen | Anhänger Petr Pavel
Großer Jubel in der Wahlkampfzentrale des Wahlsiegers Petr PavelBild: David W. Cerny/REUTERS

Militärische Berühmtheit erlangte Pavel während seines Dienstes in der Friedenstruppe der Vereinten Nationen im ehemaligen Jugoslawien (UNPROFOR). Dort leitete er 1993 eine Operation, bei der fünfzig französische Soldaten aus einer Kampfzone zwischen Serben und Kroaten im Osten Kroatiens gerettet wurden. Dafür wurde er mit dem Orden der französischen Ehrenlegion und der tschechischen Heldenmedaille ausgezeichnet.

Dies erlaubte ihm, das Wort "Held" auf seinen Wahlplakaten zu verwenden - einschließlich der Orden. Als Journalisten ihn während des Wahlkampfes fragten, ob er nicht unbescheiden wäre, antwortete er: "Das sage nicht ich über mich, das hat Präsident Vaclav Havel über mich gesagt".

Pavels steile Militärkarriere, die bei einer Fallschirmjäger-Eliteeinheit begann, erreichte ihren Höhepunkt in seiner Ernennung zum Generalstabschef der tschechischen Armee (2012-2015) und seiner anschließenden Wahl zum Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses. 2018 trat der Armeegeneral in den Ruhestand.

Drei Jahre Wahlvorbereitung

2019 begann Pavel mit den Vorbereitungen für den Präsidentschaftswahlkampf, lange bevor er seine Kandidatur ankündigte. Er bereiste die Tschechische Republik und sprach mit den Bürgern über seine Erfahrungen in der Armee, über  Verteidigungsfragen und sein Leben, und gab viele Interviews.

Während der Covid-Pandemie, die wegen der chaotischen Regierung des damaligen Premierministers Andrej Babis in der Tschechischen Republik eine der höchsten Pro-Kopf-Todeszahlen verursachte, stellte Pavel ein Expertenteam für Krisenmanagement zusammen und versuchte, die Regierung mit fundierten Ratschlägen zu unterstützen.

Zu dieser Zeit wurde bereits öffentlich darüber gesprochen, dass Petr Pavel für das Amt des Präsidenten der Republik kandidieren möchte. Die Enttäuschung über den konfrontativen Stil von Präsident Milos Zeman war groß, Pavel fand schnell genügend Unterstützer für seine Kampagne. In den Meinungsumfragen war er bis zur Ankündigung der Kandidatur des Oligarchen und Ex-Premiers Andrej Babis der klare Favorit. 

Zweite Runde der ehemaligen Kommunisten

Pavel, der im Wahlkampf versuchte, sich als unabhängiger, unpolitischer Kandidat zu präsentieren, zeigte großes Verständnis für militärische und internationale Fragen. "Ich habe die Diplomatie an der Spitze der NATO gelernt, als ich mich um eine Einigung zwischen den 30 Mitgliedsstaaten bemühen musste", sagte Pavel in einem TV-Duell im Fernsehsender Nova. Pavel war ruhig und würdevoll und überzeugte viele Tschechen mit seiner Mannhaftigkeit, seinem entschiedenen Auftreten und seiner Vorliebe für starke Motorräder. Und nicht zuletzt durch seine optische Ähnlichkeit mit dem Gründer und ersten Präsidenten der Tschechoslowakei, Tomas Garrigue Masaryk (1850-1937).

Tschechien Prag | Andrej Babis vor der Präsidentschaftswahl
Ex-Premierminister Andrej Babis musste sich im Duell mit Ex-General Petr Pavel geschlagen gebenBild: Lukas Kabon/AA/picture alliance

Mit einem Vorsprung von mehreren zehntausend Stimmen vor Andrej Babis zog Pavel in die zweite Runde ein. Unterstützt wurde er von der Drittplatzierten im ersten Wahlgang, der 44-jährigen Ökonomin Danuse Nerudova, und weiteren pro-westlichen Kandidaten. Der Wahlsieg schien ihm gewiss. Doch manche Wähler hatten ein Problem mit der kommunistischen Vergangenheit des Ex-Generals. "Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Opfer des kommunistischen Regimes", sagte der bekannte Musiker, Dissident und ehemalige Minister für Menschenrechte, Michael Kocab, dem Tschechischen Rundfunk.

Befürchtungen, dass eine solche Haltung eine große Zahl von pro-demokratischen Wählern von der Stichwahl fernhalten könnte, haben sich letztendlich als falsch erwiesen. Genauso wie der Versuch von Babis, der vor der zweiten Runde behauptet hatte, Pavel würde die Tschechische Republik in den Krieg führen, während er, Babis, den Frieden in der Ukraine sichern würde. Geholfen hat es dem ehemaligen Premier, dem wiederholt eine Zusammenarbeit mit dem kommunistischen Geheimdienst vorgeworfen wurde, nicht.

Dank einer in Tschechien noch nie dagewesenen Wahlbeteiligung von über 70 Prozent konnte Pavel die Mehrheit im gesamten Land erzielen, mit Ausnahme von Teilen des ehemaligen Sudetenlandes nahe der Grenze zu Deutschland. 

Pavel: "Ich sehe keine Gewinner und Verlierer"

Pavel erklärte, er wolle es sich zur ersten Aufgabe machen, eine durch die Wahlen gespaltene Nation zu vereinen. "Ich sehe in diesem Land keine Wählerschaft, die gewinnt oder verliert. Werte wie Wahrheit, Würde, Respekt und Demut haben gesiegt. Ich bin bereit, diese Werte nicht nur der Burg, sondern auch unserer Republik durch meinen Dienst zurückzugeben", sagte Pavel. 

Die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova kam noch am Wahlabend direkt zu seiner Wahlkampfzentrale. "Mit Ihnen hat die Hoffnung gesiegt, dass Anstand und Wahrhaftigkeit eine Stärke sein können", gratulierte sie Pavel. Tschechien und die Slowakei hatten sich vor 30 Jahren friedlich getrennt, die ehemalige Tschechoslowakei gehört seit dem 31.12.1992 der Geschichte an. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind gut. Caputova und Pavel haben angekündigt, bald gemeinsam die ukrainische Hauptstadt Kiew besuchen zu wollen.

Pavel war die klare Wahl vor allem der jüngsten tschechischen Wähler. "Einer der Gründe für den Erfolg von Petr Pavel war, dass es ihm gelungen ist, so viele junge Wähler an die Urnen zu bringen, auch solche, die ursprünglich für Danuse Nerudova gestimmt hatten", sagte Pavel Maskarinec, Politikwissenschaftler an der Jan-Evangelista-Purkyne-Universität in Usti nad Labem, gegenüber der DW. Mit Petr Pavel habe trotz seiner lange zurückliegenden kurzzeitigen kommunistischen Vergangenheit ein eindeutig pro-europäischer, pro-westlicher und pro-atlantischer Politiker gewonnen. 

Tschechien Pavel Maškarinec
Pavel Maskarinec ist Politologe an der Jan-Evangelista-Purkyne-Universität in Usti nad LabemBild: privat

Der 68-jährige Andrej Babis gratulierte Pavel zu seinem Sieg. Was seine politische Zukunft betrifft, so äußerte sich der Oligarch, der weiterhin Abgeordneter und Vorsitzender der Oppositionspartei ANO bleibt, rätselhaft: "Ich wünsche Ihnen eine Welt ohne Babis. Vergessen Sie Babis. Versuchen Sie, ohne Babis zu leben. Hören Sie auf, morgens mit Hass auf Babis aufzuwachen und mit diesem Hass einzuschlafen." Die Experten sehen aber einen Rückzug des Milliardärs aus der Politik als unwahrscheinlich. Die ANO-Bewegung ist heute in Umfragen die stärkste Partei und hat die Chance, die Parlamentswahlen in drei Jahren zu gewinnen.

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Lubos Palata Korrespondent für Tschechien und die Slowakei, wohnhaft in Prag