Treibt Trump Merkel in Putins Arme?
12. Mai 2018US-Präsident Donald Trump bringt mit seiner Hardliner-Politik Bewegung in die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau. Bereits am 11. Mai tauschten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin am Telefon aus. Am 15. Mai sollen in Brüssel die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens mit ihrem iranischen Kollegen zusammentreffen. Am 18. Mai ist ein Treffen zwischen Merkel und Putin im russischen Sotschi geplant.
"In dem Telefonat wurde die Bedeutung des Abkommens für die internationale und regionale Stabilität unterstrichen", hieß es in einem Statement des Kremls. Der Sprecher der Bundesregierung Steffen Seibert erklärte, Putin und Merkel wollten gemeinsam bei den anderen Unterzeichnerstaaten - Großbritannien, Frankreich und China - für den Fortbestand des Abkommens werben.
Auf dem Katholikentag in Münster kritisierte Merkel Trumps Ausstieg aus dem Atom-Deal mit deutlichen Worten: "Es ist nicht richtig, ein Abkommen, das zwölf Jahre lang verhandelt wurde und im UN-Sicherheitsrat einstimmig verabschiedet worden ist, einfach aufzukündigen. Das verletzt das Vertrauen in die internationale Ordnung."
Alternative zum US-Dollar als Handelswährung
Entscheidend für die Überlebenschancen des Abkommens ist nicht nur das Verhalten Europas, sondern vor allem die Politik Chinas und Russlands. China ist der größte Abnehmer iranischen Öls. In den kommenden zehn Jahren wollen Teheran und Peking ihren gemeinsamen Außenhandel auf ein Volumen von umgerechnet 502 Milliarden Euro steigern.
Russland unterzeichnete 2014 einen Fünf-Jahres-Energievertrag in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar mit dem Iran, mit dem sie die westlichen Sanktionen gegen Teheran umgingen. Zum Vergleich: Der jährliche Außenhandel zwischen Deutschland und dem Iran beträgt zurzeit drei Milliarden Euro.
Bereits im Februar dieses Jahres hatte der russische Botschafter in Teheran laut einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur Tass angekündigt, dass die beiden Länder nach einer Alternative zum US-Dollar als Währung für ihren gemeinsamen Handel Ausschau hielten.
Die größte Gefahr für den Fortbestand des Atomabkommens sind die sogenannten sekundären Sanktionen der USA gegenüber Firmen, die mit dem Iran Handel treiben. Auch für Deutschland bestehen in diesem Punkt erhebliche Unsicherheiten.
"Amerikanischer Gorilla"
Trumps Entscheidung hat zur Folge, dass alle Sanktionen, die vor dem Abkommen galten, nun wieder in Kraft treten sollen. Noch ist nicht abzusehen, in welchem Ausmaß die USA deutsche und europäische Firmen, die sich nicht an das Verbot halten, mit Sanktionen belegen werden.
Theoretisch könnten alle Firmen, die gleichzeitig mit den USA und dem Iran Handel betreiben, von den Sanktionen betroffen sein. Dazu gehören unter anderem der Flugzeughersteller Airbus, der französische Mineralölkonzern Total, die Autokonzerne Volkswagen, Peugeot, Renault sowie der Technikgigant Siemens.
Maas: Staat kann Firmen nicht schützen
Nach den Worten von Außenminister Heiko Maas kann der Staat deutsche Unternehmen, die weiter mit dem Iran Handel treiben, kaum vor US-Sanktionen schützen. "Eine einfache Lösung, Unternehmen von allen Risiken amerikanischer Sanktionen abzuschirmen, sehe ich nicht", sagte der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag". Maas setzt deswegen auf die verbliebenen Unterzeichnerstaaten, die am Atomabkommen mit dem Iran festhalten wollen. In gemeinsamen Gesprächen müsse es deshalb auch darum gehen, wie Handel mit dem Iran weiterhin möglich sein könne.
Wirtschaftsminister Peter Altmeier, der Merkel zum Treffen mit Präsident Putin in der kommenden Woche begleiten wird, bot betroffenen Unternehmen als "Schadensbegrenzung rechtliche und praktische Beratung" an.
Es ist nicht schwer, die deutsche Zurückhaltung in diesem Punkt zu verstehen. Nach Angaben des US-amerikanischen Statistikamtes summierten sich die deutschen Exporte in die USA 2017 auf 118 Milliarden US-Dollar - eine Summe, die den Iran zum handelspolitischen Zwerg schrumpfen lässt.
"Die Vereinigten Staaten sind ein großer Gorilla auf der Weltbühne", sagte die US-amerikanische Handelsrechtlerin Judith Lee dem US-Sender CNN. "Wir versuchen, nicht nur unsere eigenen Unternehmen zu kontrollieren, sondern auch die von anderen Ländern."
Die Zerreißprobe des Westens
Trumps Abkehr von multilateralen internationalen Abkommen wurde in Deutschland und Europa als Versuch Washingtons gedeutet, US-amerikanisches Recht und Politik außerhalb der USA durchzusetzen. SPD-Chefin Andrea Nahles bezeichnete die Entscheidung als "großen Anschlag auf das transatlantische Bündnis".
Die "Financial Times" kommentierte, dass "der 8. Mai als der Tag in die Geschichte eingehen könnte, an dem die USA ihren Glauben an die Verbündeten aufgegeben hätten". Der dienstälteste Europaparlamentarier Elmar Brok zeigte sich in einem Interview mit dem Deutschlandfunk bitter enttäuscht.
"Die westliche Einheit zerbröselt, da ist keine Partnerschaft", erklärte der konservative Politiker. Nun müssten die Europäer mit den Russen und Chinesen versuchen, den Mittleren Osten atomwaffenfrei zu halten.
Eine Folge von Trumps Entscheidung ist bereits jetzt absehbar: China und der Iran rücken zusammen. Nur zwei Tage nach dem Ausstieg aus dem Atomdeal eröffnete China eine neue Bahnstrecke zwischen beiden Ländern. Sollte der französische Mineralölkonzern Total seine Geschäfte mit dem Iran einfrieren, stehen chinesische Unternehmen vermutlich bereit, um die Lücke zu füllen.