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Tiefpunkt für die deutsche Industrie

8. Juni 2020

Jetzt zeigen es auch die Zahlen schwarz auf weiß: Der April war der Monat, in dem die Corona-Krise die deutsche Industrie mit voller Wucht traf. Der Einbruch lag den jüngsten Angaben zufolge bei fast 18 Prozent.

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Motorenproduktion beim der Deutz AG
Bild: Deutz AG

Der Einbruch der Produktion in der deutschen Industrie hat sich nochmals verschärft - doch nun könnte allmählich die Trendwende einsetzen. Der konjunkturelle Tiefpunkt sei erreicht, stellte das Bundeswirtschaftsministerium am Montag fest. "Mit der schrittweisen Lockerung der Schutzmaßnahmen und der Wiederaufnahme der Produktion in der Automobilindustrie setzt nun die wirtschaftliche Erholung ein." 

Allerdings rechnen viele Unternehmen wegen der Corona-Krise auch in den kommenden drei Monaten mit einem Produktionsrückgang, wie eine Umfrage des Ifo-Instituts ergab. Immerhin dürfte sich der Einbruch aber deutlich abschwächen. Im Mai sei der Ifo-Index zu den Produktionserwartungen auf minus 20,4 Punkte gestiegen nach minus 51,0 Punkten im April, teilte das Münchener Forschungsinstitut mit. Damit habe es im Mai den stärksten Zuwachs zum Vormonat seit der Wiedervereinigung gegeben. "Aber das bedeutet nur, dass der Sturzflug nun flacher wird", erklärte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe.

Auch der Wiederanlauf der Autoproduktion (hier bei VW in Zwickau) sorgt für Hoffnungsschimmer
Auch der Wiederanlauf der Autoproduktion (hier bei VW in Zwickau) sorgt für HoffnungsschimmerBild: picture-alliance/dpa/H. Schmidt

Von März auf April sackte die Fertigung im Produzierenden Gewerbe im Monatsvergleich um 17,9 Prozent ab, zum Vorjahresmonat betrug das Minus nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sogar 25,3 Prozent. Dies sei der stärkste Rückgang seit Beginn der Zeitreihe 1991, teilte die Wiesbadener Behörde mit. Von Februar auf März 2020 hatte sich die Produktion überarbeiteten Zahlen zufolge um 8,9 Prozent verringert. "Die ganze Dramatik der Corona-Pandemie tritt jetzt zutage. Das künstliche Koma der deutschen Volkswirtschaft macht sich nun massiv negativ in den Wirtschaftsdaten für den April bemerkbar", kommentierte der Chefökonom der VP Bank, Thomas Gitzel. "Klar ist aber auch, dass, wenn die deutsche Wirtschaft wieder anfährt, das Zahlenwerk entsprechend positiv ausfällt." 

Erholung wird länger brauchen als der Absturz

Auch Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen ist überzeugt, dass die Produktion bereits im Mai "wieder merklich zugelegt" hat. Denn ein beträchtlicher Teil des Rückgangs im April ist die Folge des weitgehenden Fertigungsstopps in der Automobilindustrie. In der Branche brach die Produktion dem Bundesamt zufolge zum Vormonat um 74,6 Prozent ein. Auf dem Bau gab es nur ein Minus von 4,1 Prozent. Insgesamt sei die Industrieproduktion in Deutschland so niedrig wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr, erklärte Konjunkturexperte Nils Jannsen vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die Erholung werde "deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als der Absturz".

Jannsen prognostizierte: "Zudem wird das Investitionsklima weltweit wohl noch auf absehbare Zeit rau bleiben, da die Unsicherheit über die zukünftigen wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie weiterhin hoch ist und die Eigenkapitalbasis vieler Unternehmen durch die jüngsten Absatzeinbrüche deutlich geschwächt wurde." Dies werde der auf die Herstellung von Investitionsgütern spezialisierten deutschen Wirtschaft wohl noch für geraume Zeit zu schaffen machen.

Die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland explodiert trotz wirtschaftlicher Einbußen infolge der Corona-Krise bislang nicht. In den ersten drei Monaten rutschten sogar mit 4683 Fällen 3,7 Prozent weniger Unternehmen in die Insolvenz als ein Jahr zuvor. Die meisten Firmenpleiten gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Handel inklusive Kfz-Gewerbe mit 788 Fällen. Weil mehr größere Fälle dabei waren, lagen die Forderungen der Gläubiger mit rund 7,3 Milliarden Euro über der Summe des Vorjahreszeitraums (4,7 Milliarden Euro). Die Zahl der eröffneten Regelinsolvenzverfahren in Deutschland nahm im Mai wie schon im April ab. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sank die Zahl im Mai um 14,9 Prozent. Allerdings hat der Gesetzgeber Unternehmen, die wegen der Corona-Krise zahlungsunfähig werden, vorübergehend von der Pflicht zum Insolvenzantrag befreit. Etliche Ökonomen rechnen für das Gesamtjahr mit einem spürbaren Anstieg der Firmenpleiten.

ar/hb (dpa)