Zweiter Auftragseinbruch in Folge
5. Juni 2020Schon der März, als die Corona-Krise langsam an Fahrt gewann, sah nicht gut aus; im April aber weist die deutsche Industrie 25,8 Prozent weniger Aufträge aus als im Vormonat. Das ist der schärfste Rückgang seit Beginn dieser Statistik im Jahr 1991. Das zeigen die Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums vom Freitag. Das Minus im März hatte bereits bei 15 Prozent gelegen.
Die Bestellungen aus dem Ausland gingen sogar stärker zurück als die aus dem Inland. Dabei sackten die Aufträge aus der Euro-Zone um gut 30 Prozent ab, die aus dem restlichen Ausland um fast 27 Prozent.
"Das Epizentrum des Industriebebens", sagte Andreas Scheuerle, Ökonom bei der Dekabank, "lag in der Automobilindustrie. Dort wurde ein Auftragsniveau erzielt, das dem des Jahres 1993 entspricht."
Firmen streichen Investionen
Kaum verwunderlich, dass auch die Investitionen der Unternehmen leiden. Jede zweite Firma habe bereits geplante Projekte verschoben, teilte das Münchner Ifo-Institut am Freitag nach einer Umfrage zum Monat Mai mit. 28 Prozent der Firmen hätten im Mai ihre Investitionsvorhaben sogar ganz gestrichen. "Das sind beunruhigende Zahlen für die längerfristige Entwicklung der Wirtschaft", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe.
Angesichts der Verschärfung der Krise wollen die sogenannten Wirtschaftsweisen - das ist eine Gruppe von Ökonomen, die die Bundesregierung berät - ihre Konjunkturprognose für Deutschland nach unten korrigieren. Das kündigte der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Lars Feld, an. "Wir haben in diesem Jahr einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts zu erwarten, der voraussichtlich zwischen minus 6 Prozent und minus 7 Prozent liegen wird." Im März hatten die Regierungsberater noch mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung zwischen 2,8 Prozent im besten Fall und 5,4 Prozent im schlimmsten Fall gerechnet.
Bundesbank erwartet Erholung
Die Deutsche Bundesbank erwartet für 2020 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 7,1 Prozent, wie aus ihrer jüngsten Prognose für das Halbjahr hervorgeht. Aber: Nach der tiefen Rezession wird sich nach Auffassung der Zentralbank die Konjunktur bereits in den kommenden beiden Jahren deutlich erholen. Für 2021 rechnen die Volkswirte der Notenbank mit 3,2 Prozent Wachstum, 2022 dürfte das reale BIP demnach um 3,8 Prozent zulegen.
Die Prognose der Bundesbank wurde noch vor Bekanntgabe des milliardenschweren Konjunkturprogramms der Bundesregierung vom Mittwoch erstellt. Ein weiterer Stimulus sei in der aktuellen Lage angemessen und positiv, sagte Bundesbankchef Jens Weidmann zu dem Programm der Großen Koalition. Auch der konjunkturelle Ausblick werde dadurch nun "spürbar günstiger" ausfallen.
ar/bea (dpa, rtr, afp)