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Das Corona-Hilfspaket: "Besser als gedacht"

4. Juni 2020

Vielleicht hat die späte Stunde milde gestimmt - aber so viel Zustimmung ist dann doch selten: Das große Konjunkturprogramm, das die deutsche Regierung in der Nacht zum Donnerstag geschnürt hat, wird allenthalben gelobt.

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Finanzminister Olaf Scholz (SPD) stellt das Konjunkturpaket gemeinsam mit der Bundeskanzlerin vor
Bild: Imago Images/photothek/T. Imo

Der eine nennt es "besser als gedacht"; der andere findet, "dass mehr kaum geht", der dritte sieht das Paket als Stütze "in einer Zeit, in der es wirklich nötig ist". Und selbst die Umweltorganisation Greenpeace kann nicht so richtig meckern: "Bestenfalls blassgrün" sei das ganze Paket.

Die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD, die in Berlin die Regierung stellt, hatte am späten Mittwochabend Maßnahmen gegen die Corona-Krise beschlossen, die alles in allem 130 Milliarden Euro kosten sollen. Carsten Brzeski, der Chefvolkswirt der ING-Bank, empfindet das Ganze zwar als "Sammelsurium", sieht aber darin einige "Filetstücke": "Die Filetstücke sind natürlich die Mehrwertsteuer-Senkung und die 50 Milliarden Investitionen, inklusive E-Auto-Kaufprämie." Das alles setze an den richtigen Stellen an: "Nachfrage stärken, zukunftsorientierte Investitionen stärken und weiterhin versuchen, den kurzfristigen Schaden abzufedern." Das Paket ergänzt ein erstes riesiges Rettungspaket, das die Regierung bereits im März auf den Weg gebracht hatte. 

Lob von vielen Seiten: Bundeskanzlerin Merkel (CDU) bei der Vorstellung des Konjunkturpakets
Lob von vielen Seiten: Bundeskanzlerin Merkel (CDU) bei der Vorstellung des KonjunkturpaketsBild: Getty Images/AFP/J. MacDougall

Auch wenn die gesamten Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung inzwischen knapp zehn Prozent des deutschen Bruttosozialprodukts ausmachen, waren die Reaktionen an den Börsen dennoch verhaltener als die der Ökonomen. In Asien, wo gleich nach der Berliner Entscheidung bereits gehandelt wurde, haben die Konjunkturpakete der Regierungen das Vertrauen der asiatischen Anleger in eine wirtschaftliche Erholung kaum gestärkt; In Tokio lag der Nikkei-Index um 0,1 Prozent höher; die Börse in Shanghai verlor 0,3 Prozent; der MSCI-Index für asiatische Aktien außerhalb Japans stieg um zwei Prozent. Auch der Deutsche Aktienindex (Dax) blieb eher in Deckung. Womöglich lag das auch daran, dass die Märkte zuletzt schon in Erwartung weiterer Konjunkturhilfen deutlich zugelegt hatten. 

Die überraschende Steuersenkung

Für den Präsidenten des deutschen Ifo-Instituts Clemens Fuest ist das Urteil dennoch weitgehend positiv: "Das Konjunkturpaket ist sicherlich in der Lage, die Rezession zu dämpfen, abschaffen kann man sie natürlich nicht." Fuest mahnt allerdings zur Vorsicht bei dem beschlossenen Familienbonus. Der werde zwar Entlastung bringen. Es wäre aber unfair, die Belastungen von Familien und Alleinerziehenden in der Corona-Krise mit einer Einmalzahlung abzugelten, sagte Fuest. Für sie müsse deutlich mehr getan werden. "Es kann nicht sein, dass man sich mit den 300 Euro von dieser Verpflichtung loskauft."

Infografik CORONA-Hilfspaket der Bundesregierung DE

Wichtiges Element in dem Paket ist für den Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, der das 130-Milliarden-Vorhaben "für besser als gedacht" hält, der Steuerbeschluss: "So führt die überraschend beschlossene befristete Senkung der Mehrwertsteuer zum Vorziehen von Konsum und hilft allen und nicht nur einzelnen Branchen." Die Mehrwertsteuer wird bei jedem Kauf und jeder Dienstleistung fällig und zählt damit zu den sogenannten indirekten Steuern, die jeden betreffen.

"Insgesamt ein gutes Paket", so auch das Urteil der sogenannten Wirtschaftsweisen Veronika Grimm von der Uni Erlangen-Nürnberg gegenüber der DW. Auch für Grimm führt unter anderem die Senkung der Mehrwertsteuer zu diesem positiven Urteil: "Die Mehrwertsteuer hat sicherlich viele überrascht, und es ist sehr positiv, dass eine Maßnahme gewählt worden ist, die unmittelbar den Konsum anregen soll."

Interview mit Veronika Grimm zum Konjunkturpaket

"Die 130 Milliarden sind eine Investition gegen die Gefahr wirtschaftlicher Depression", so beurteilt der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, das Paket. Schließlich sei jeder fünfte der 2,8 Millionen Arbeitslosen in Deutschland auf Folgen der Pandemie zurückzuführen. Für fast zwölf Millionen Beschäftigte haben die Unternehmen inzwischen Kurzarbeit angemeldet. Und der Abbau von Stellen dürfte in der zweiten Jahreshälfte unweigerlich kommen, so Scheele.

Keine allgemeine Kaufprämie für Autos

Im Vorfeld der Beratungen der Regierungskoalition war in der Öffentlichkeit lange über das Für und Wider von Kaufprämien für Autos gestritten worden. Die gibt es nach dem Willen der Regierungsparteien nun zwar für E-Autos, nicht aber für Autos auch mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren. Der Klimaexperte der Linksfraktion im Bundestag, Lorenz Gösta Beutin, lobte die Entscheidung der Koalition gegen eine Kaufprämie für Benzin- und Dieselautos zwar. Jedoch würden die Beschlüsse "einen echten ökologischen Neustart in Deutschland nicht auslösen". Überhaupt seien die Corona-Hilfen für Unternehmen nicht an verbindliche Klimavorgaben geknüpft worden. Für die Klima-Rettung habe die Koalition "eine große historische Chance vertan".

Widerspruch kommt von Ferdinand Dudenhöffer vom Institut für Customer Insight an der Universität St. Gallen: "Bei der Elektromobilität sind die 6000 Euro für die rein batteriegetriebenen Autos ein sehr kräftiger Impuls", findet der Autoexperte. Allerdings helfe der staatliche Rabatt nur einem kleinen Teilmarkt. "Es fehlt der große Schub für die restlichen 90 Prozent, und genau die 90 Prozent bewegen unsere Wirtschaft und unser Sozialprodukt", so Dudenhöffer.

Prämien nur für E-Autos - Porsche-Fabrik in Stuttgart
Prämien nur für E-Autos - Porsche-Fabrik in Stuttgart Bild: picture-alliance/dpa/M. Murat

Die Zeitung Handelsblatt schaut vor allem auf das große Volumen des Hilfspakets und vermutet dahinter insbesondere politische Motive, auch wenn "große Subventionssünden" vermieden worden seien: Es gebe aber "eine auffallende Korrelation zwischen Zeit und Geld: Je länger Union und SPD um das Corona-Konjunkturprogramm feilschten, umso höher wurde die Summe der Taten für das Wohl und Wehe des Landes. Wenn eine Seite eine Praline bekam, musste die andere Seite auch bedient werden".

Nur die Frage, "ob es einen Rückweg aus dem neuen Schuldenstaat gibt", sei von der Berliner Verhandlungsrunde nicht erörtert worden.

ar/hb (dpa, rtr - Handelsblatt)