Teherans Israel-Feindschaft in der Kritik
20. Oktober 2020Der Iran müsse sein Verhältnis zu Israel auf den Prüfstand stellen, denn es sei nicht mehr zeitgemäß. Mit dieser indirekten Kritik an der Politik der iranischen Führung erregte Faezeh Hashemi Rafsandschani vor rund einer Woche Aufmerksamkeit, um so mehr, als sie in einem Interview der regierungsnahen iranischen Tageszeitung "Arman-e Melli" verpackt war.
Faezeh Hashemi Rafsandschani (57) ist die Tochter des ehemaligen Staatspräsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani und war zwischen 1996 und 2000 Abgeordnete des iranischen Parlaments. Sie gilt zwar als entschlossene Reformerin, nicht aber als Gegnerin der islamischen Staatsordnung. Dennoch war sie im Jahr 2011 wegen "Propaganda gegen die Staatsführung" zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden. Auf Grundlage derselben Beschuldigung wurde Faezeh Hashemi Rafsandschani im Jahr 2017 nochmals zu einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt.
Widersprüche in der offiziellen Israel-Politik
Rafsandschani bekräftigte zu Beginn des Interviews ihre Staatstreue: Oberste Verpflichtung sei es, die Interessen der Islamischen Republik Iran zu wahren. Auch die iranische Dominanz in der Region müsse bestehen bleiben. Dann jedoch detaillierte sie ihre Position zur Israel-Politik Teherans.
Zwar sei es eine "unleugbare Tatsache", dass Israel "Palästina" besetzt habe und dessen Bevölkerung "rücksichtslos" unterdrücke. Doch unterdrückt würden auch die Uiguren in China und die Tschetschenen in Russland. "Trotzdem hat Iran enge Beziehungen zu Russland und China", unterstrich Faezeh Hashemi Rafsandschani.
Sie erwähnte auch das Normalisierungsabkommen, das Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrain im September unterzeichnet hatten. Das Sultanat Oman habe diese Entwicklung begrüßt, und das Emirat Katar vermittle zwischen der palästinensischen Hamas und Israel. "Dennoch hat Iran gute Beziehungen zu Katar und Oman", deutete sie den Widerspruch an. Rafsandschanis Schlussfolgerung: "Teherans Politik muss überzeugend sein."
Feindschaft und Pragmatismus
Die Feindschaft zwischen Iran und Israel geht auf die späten 1980 Jahre zurück. Einige Jahre nach der Revolution des Jahres 1979 entwickelte die Regierung in Teheran Schritt für Schritt eine gegen Israel gerichtete Rhetorik. Deren Ziel: die Gunst der arabischen Staaten zu gewinnen und so den eigenen Einfluss zu vergrößern. Der Ton gegen Israel verschärfte sich nochmals ab 2005, als der konservative Hardliner Mahmud Ahmadinedschad das Präsidentenamt übernahm.
Die jüngsten Äußerungen Rafsandschanis seien in der Sache nicht neu, sagt der Politologe Adnan Tabatabai, Geschäftsführer des Bonner Think Tanks "Carpo". "Diskussionen dieser Art flammen immer wieder auf. Selbst die Berater Ahmadineschads haben wiederholt die Frage nach einem freundschaftlichen Verhältnis zur israelischen Bevölkerung diskutiert. Und auf der anderen Seite des politischen Spektrums griff sie auch der Reformer Sadegh Zibakalam regelmäßig auf. Das Thema ist in der iranischen Gesellschaft also eingeführt. Und Frau Rafsandschani respektiert grundlegende verbale Vorgaben - so etwa, wenn sie etwa von Israel als dem 'zionistischen Gebilde' spricht."
Wie diese Diskussion im inneren Machtzirkels Teherans derzeit geführt werde, lasse sich von außen schwer einschätzen, sagt David Jalilvand, Geschäftsführer der Politik- und Wirtschaftsberatung "Orient Matters". "Allerdings betreiben die Sicherheitskreise eine kühle und pragmatische Analyse. Ökonomische und strategische, überhaupt pragmatische Faktoren spielen in ihren Erörterungen eine gewichtige Rolle", so Jalilvand, der auch als Iran-Experte für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik tätig ist.
Iran durch Israels Bündnispolitik unter Druck
Rafsandschanis Äußerungen fallen in eine Zeit, in der sich das Verhältnis Israels zu einigen Staaten grundlegend verbessert. Im September hatte der jüdische Staat mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain ein Normalisierungsabkommen unterzeichnet. Aus Saudi-Arabien kommen ohnehin seit geraumer Zeit versöhnliche Signale.
Diese Annäherungen dürften das Regime allerdings nur bedingt beeindrucken, sagt Adnan Tabatabai. Im Gegenteil, sie werde die Haltung der Regierung eher bekräftigen. Derzeit beobachte man in Teheran, wie unter dem Druck der USA auch der Sudan seine Beziehungen zu Israel neu ordne. "Etwas Vergleichbares wird der Iran nicht mit sich machen lassen. Das würde man als Bruch der eigenen Prinzipien sehen." Zwar sei es durchaus möglich, dass hinter den Kulissen Militärs einander Signale senden, zum Beispiel in Syrien. "Aber diese Gespräche verfolgen pragmatische Zwecke vor Ort. Und davon würde nie etwas an die Öffentlichkeit dringen."
So ergebe sich in der derzeitigen Situation für die Regierung in Teheran ein Problem, sagt David Jalilvand. "Denn zum einen ist sie in Teilen der arabischen Welt mit ihrer Anti-Israel-Politik zwar durchaus erfolgreich. Diese gehört gewissermaßen zur 'Soft power' der Islamischen Republik. Zum anderen erhöht diese Politik aber auch erheblich die Bedrohungsperzeption Israels und im gleichen Maß seine Entschlossenheit, ihr entgegenzutreten."
Nicht allein der jüdische Staat sieht sich durch den Iran bedroht, auch die Golfstaaten fürchten eine Eskalation. "Das Normalisierungsabkommen zwischen Israel und den beiden arabischen Staaten hat auch eine militärische Dimension", so Jalilvand. "Dadurch steht Iran auf diesem Feld vor neuen Herausforderungen. So dürfte etwa die nachrichtendienstliche Kooperation der VAE und Bahrains mit Israel zunehmen.
Ebenso dürften beide Länder in noch größerem Umfang als bisher Rüstungsgüter aus den USA beziehen. Insgesamt stärkt Israel seine Präsenz in Irans unmittelbarer Nachbarschaft, nachdem es in den letzten Jahren parallel auch seine Beziehungen zu Aserbeidschan und der kurdischen Autonomieregion im Irak vertieft hat."
Eben dies gebe Teilen der iranischen Gesellschaft zu denken, sagt Adnan Tabatabai. "Viele Iraner stellen sich etwa mit Blick auf die US-Sanktionen die Frage, wie lange es sich lohnt, eine in diesen Frage sture und konsistente Politik zu führen, wenn man wirtschaftlich dafür so sehr zahlen muss wie ihr Land."