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PolitikNahost

Arabisch-israelische Annäherung sorgt Iran

18. September 2020

Der Iran hat sich nach den israelisch-arabischen Normalisierungsabkommen für die Sache der Palästinenser stark gemacht. Doch der Nahostkonflikt spielt Teheran nicht mehr in die Hände wie früher.

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Iran Beginn des neuen Schuljahrs
Der iranische Präsident Hassan RohaniBild: irna

Angesichts der Normalisierungsabkommen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) sowie Bahrain gab sich der iranische Präsident Hassan Rohani erzürnt. "Wo bleibt euer Arabismus, wo eure Sorgen über die (israelischen, Anm. d. Red.) Verbrechen in Palästina und wo euer Mitgefühl füreure palästinensischen Brüder?", wandte er sich Mitte der Woche an die arabische Öffentlichkeit. Die VAE und Bahrain seien "Diener der USA", fuhr er fort. Deren Herrscher gefährdeten die Sicherheit der ganzen Region.

Der Präsident folgte mit seinen Kommentaren dem geistlichen Oberhaupt des Landes, Ayatollah Ali Chamenei. Der hatte Anfang September in Reaktion auf das Normalisierungsabkommen zwischen Israel und den VAE im iranischen Staatsfernsehen scharf reagiert. "Die VAE haben die Welt des Islam, die arabischen Nationen, die Länder der Region und Palästina verraten." Auch der iranische Außenminister Dschawad Sarif äußerte sich dieser Tage negativ zu dem Abkommen.

Türkei und Iran auf Partnersuche

Im internationalen Vergleich äußert sich die iranische Führung in der Debatte um die Normalisierung der israelisch-arabischen Beziehungen vehementer als andere Regierungen in der Region. So verzichteten die Mitgliedstaaten der Arabischen Liga auf einer Videokonferenz Anfang September ausdrücklich auf eine Verurteilung des Abkommens.

Einzig der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan äußerte sich ähnlich entschieden wie die iranischen Spitzenpolitiker. Allerdings hat die Türkei im Unterschied zu Iran eine Botschaft in Tel Aviv.

Israelische und US-Beamte fliegen in die VAE
Flugzeug mit Regierungsvertretern von Israel und den USA auf dem Weg nach Abu Dhabi mit der Schrift "Frieden" in Englisch, Hebräisch und ArabischBild: picture-alliance/Newscom/M. Kahana

Dass die Reaktion dieser beiden Staaten so scharf ausfällt, dürfte kein Zufall sein: Derzeit befinden sich der Iran ebenso wie die Türkei in einer wachsenden Distanz zur westlichen Staatenwelt. Das Verhältnis der EU zu Ankara hat sich deutlich abgekühlt. Gründe sind unter anderem die Handhabung des Flüchtlingsdeals als Druckmittel gegen die EU, der türkische Einmarsch in Syrien und Ankaras militärisches Engagement in Libyen.

Der Iran hingegen steht unter dem Druck der US-Sanktionen. Zudem stößt das Land durch sein militärisches Engagement an der Seite des syrischen Machthabers Baschar al-Assad sowie seines dadurch gestiegenen Bedrohungspotentials gegenüber Israel im Westen auf erhebliche Reserven. In dieser Situation sind beide Staaten auf neue Partner angewiesen. Diese suchen sie auch in der arabischen Welt. Insbesondere Iran ist dort vor allem mit nicht-staatlichen Akteuren wie etwa der Hisbollah verbündet.

Nun muss die Führung in Teheran mit ansehen, wie sich mit den VAE und Bahrain auf der einen und Israel auf der anderen Seite drei Staaten zusammenschließen, zu denen es ein angespanntes Verhältnis hat.  Weitere arabische Staaten könnten folgen, irgendwann womöglich auch Saudi-Arabien.

"Klassische Soft Power"

Die VAE und Bahrain handelten pragmatisch, sagt der Politologe und Islamwissenschaftler Eckart Woertz, Direktor des Hamburger GIGA Instituts für Nahost-Studien. Beide Staaten hätten ein angespanntes Verhältnis zum Iran. Durch das Abkommen erhofften sie sich nicht zuletzt verbesserte Beziehungen zu den USA. Generell werde das Abkommen die beiden Staaten ökonomisch und militärisch stärken.

"Das ist aus iranischer Sicht natürlich eine Herausforderung. In dieser Situation versucht Iran durch seine Solidaritätsadressen Druck aufzubauen. Das ist zunächst einmal nichts anderes als der klassische Einsatz von Soft Power."

Dr. Abdullatif bin Rashid Alzayani, Benjamin Netanyhu, Donald J. Trump und Sheikh Abdullah bin Zayed bin Sultan Al Nahyan
Unter Vermittlung der USA haben Israel, VAE und Bahrain Friedensverträge am 15.09.2020 im Weißen Haus unterschriebenBild: Chris Kleponis/picture-alliance/Pool via CNP

Das Bekenntnis zur Sache der Palästinenser dürfte allerdings begrenzte Auswirkungen haben, erwartet Eckart Woertz. "Der Nahostkonflikt spielt in der arabischen Welt nicht mehr eine derartige Rolle wie früher. Er hat an Bedeutung verloren. Eine Normalisierung im Verhältnis zu Israel wird für eine ganze Reihe arabischer Staaten darum immer attraktiver."

Offenbar versuche Teheran, mit der palästinensischen Karte noch einmal einen alten Trumpf aufzulegen. Im Jahr 2006, als Teile Beiruts infolge des Krieges zwischen Israel und der - von Iran massiv unterstützten - Hisbollah bombardiert wurde, sei das noch gelungen. Doch diese Zeiten, schreibt die von einem katarischen Unternehmen finanzierte und in London produzierte Web-Seite "Al-araby al-jadeed", seien vorüber. Unter bestimmten Umständen ließe sich dieser Trumpf auch wieder reaktivieren: "Wenn Israel das Westjordanland annektiert, wird dies für die Anhänger Irans in der ganzen Welt ein Segen sein."

Derzeit scheint eine offene Annexion des Westjordanlandes allerdings unwahrscheinlich. In dem Abkommen mit den VAE hatte sich Israel zu einem Annexionsstopp im Westjordanland verpflichtet - wenngleich der israelische Premier Benjamin Netanjahu auch einschränkte, dies gelte nur vorübergehend.

Protest in Ramallah gegen die VAE und Bahrains Normalisierungsabkommen mit Israel
Proteste in Ramallah gegen Normalisierungsverträge zwischen Israel und Bahrain sowie VAEBild: Issam Rimawi/picture-alliance/AA

Religiöse Karte sticht nicht

Teheran zieht auch die religiöse Karte, um sich im Nahostkonflikt als Anwalt der Palästinenserzu zeigen. Im Mai dieses Jahres machte sich Chamenei öffentlich Gedanken zur "Befreiung" des Tempelbergs. Und als das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" anlässlich des Prozessbeginns gegen die Hintermänner des Anschlags gegen dessen Redaktion vom Januar 2015 erneut Karikaturen des islamischen Religionsstifters Mohammed druckte, kritisierte Außenminister Dschawad Sarif diesen - auch in Frankreich und Europa höchst umstrittenen - Schritt umgehend als Heuchelei.

Allerdings, beobachtet Eckart Woertz, seien die Reaktionen in der islamischen Welt auf die erneute Veröffentlichung der Karikaturen eher verhalten ausgefallen. Es habe nur relativ wenige Proteste gegeben. "Dies mag daran liegen, dass islamistische Propaganda nach den Gräueltaten des IS nicht mehr so leicht verfängt und es weniger Aufrufe zu Protesten von institutioneller oder staatlicher Seite gegeben hat. Im Falle des Iran kommt ein erheblicher Säkularisierungstrend hinzu." Die Identifikation mit der religiösen Tradition nehme ab. "Entsprechend schwierig ist die konfessionelle Mobilisierung."

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika