Taiwans Präsidentin legt Parteivorsitz nieder
24. November 2018Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen hat nach der Schlappe der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) bei den Kommunalwahlen den Parteivorsitz niedergelegt. "Ich übernehme die volle Verantwortung", sagte sie vor Journalisten in Taipeh zu den hohen Verlusten ihrer Partei. Sie entschuldigte sich dafür, "nicht genug" getan zu haben.
Ihre Partei konnte lediglich sechs der 22 Städte und Regionen, in denen gewählt wurde, gewinnen. Bei der vorangegangenen Wahl hatte sie noch 13 Siege eingefahren. Dagegen setzte sich die Oppositionspartei Kuomintang in mindestens 15 der lokalen Wahlen durch. Die Wahlen galten als Stimmungstest für die Staatschefin. Tsai, die seit 2016 Präsidentin ist, gilt als energische Verfechterin der Unabhängigkeit des Landes. Nach ihrem Wahlsieg hatte sie China ausdrücklich vor einer "Unterdrückung" Taiwans gewarnt.
Großer Druck aus China
Peking versuchte zuletzt verstärkt, Taiwan international weiter zu isolieren. Von den bisher nur zwei Dutzend meist kleineren Staaten, die Taiwan diplomatisch anerkannt hatten, konnte Peking fünf auf seine Seite ziehen. Pekings härteres Vorgehen hatte im Oktober große Proteste ausgelöst, bei denen Zehntausende Taiwanesen für eine formelle Unabhängigkeitserklärung demonstrierten. Ein solcher Schritt, der den Status Quo verändern würde, könnte China auch veranlassen, die Insel gewaltsam zu erobern. Tsai Ing-wen will eine solch offene Konfrontation jedoch vermeiden.
Keine Ehe für alle
Neben den Kommunalwahlen hielt Taiwan mehrere Volksabstimmungen ab, darunter über das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe und andere Rechte für Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender. Hier haben sich die Gegner der Homo-Ehe in mehreren Referenden durchgesetzt. Mehr als sieben Millionen Wahlberechtigte stimmten dafür, dass die Ehe der Verbindung zwischen Frau und Mann vorbehalten bleiben soll. Mehr als sechs Millionen votierten zudem dafür, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften rechtlich gesondert behandelt werden sollten. Dagegen erhielten die Befürworter der Homo-Ehe, die sich für gleiche Rechte stark gemacht hatten, für ihren Vorschlag nur rund drei Millionen Stimmen.
Die Pro-Familien-Gruppe Koalition für das Glück der nächsten Generation begrüßte das Ergebnis als "Sieg für alle Menschen, die Familienwerte schätzen". Die Sprecherin der Koalition für Gleichheit der Ehe, Jennifer Lu, zeigte sich dagegen enttäuscht von dem "absurden Referendum". Der "Rückschritt bei der Gender-Gleichheit" sei der "größte Schlag gegen Taiwans demokratische Werte".
In dem zeitgleich mit Kommunalwahlen organisierten Referendum wurde über mehrere Vorlagen verschiedener Aktivistengruppen abgestimmt. Taiwans oberstes Gericht hatte im Mai 2017 die Homo-Ehe legalisiert - Taiwan war damit das erste Land in Asien. Das Gesetz sollte binnen zwei Jahren in Kraft gesetzt werden. Doch hat die Regierung unter dem Druck konservativer Aktivisten bislang nur wenig Fortschritte in diese Richtung gemacht. Für den Auftrag, ein neues Gesetz auszuarbeiten, hätten mehr als 25 Prozent der Wähler mit Ja stimmen und die Ja-Stimmen gegenüber den Nein-Stimmen überwiegen müssen.
Abgestimmt wurde auch darüber, ob die Athleten des Landes bei Olympischen Spielen weiter unter der Bezeichnung Chinese Taipeh oder künftig unter dem Namen Taiwan antreten sollen - Peking dürfte das kaum hinnehmen.
Peking sieht Taiwan als Teil Chinas
Das Tauziehen um den Status Taiwans geht auf den Bürgerkrieg in China zurück, als die Truppen der nationalchinesischen Kuomintang nach ihrer Niederlage gegen die Kommunisten nach Taiwan geflüchtet waren. Seit ihrer Machtübernahme und Gründung der Volksrepublik 1949 in Peking betrachtet die kommunistische Führung die Insel daher nur als Bestandteil Chinas und droht mit einer Rückeroberung.
Mehr als zwei Jahrzehnte hielt die "Republik China" in Taiwan sogar noch den ständigen Sitz Chinas im Weltsicherheitsrat. Taipeh musste ihn 1971 an Peking abgeben und verlor auch seine Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen. Die Regierung in Taipeh ist seither selbst von ihrem Anspruch abgerückt, ganz China zu repräsentieren.
Für Aussöhnung sorgte zunächst ein vager Konsens in den 1990er-Jahren, wonach beide Seiten zu "einem China" gehören, auch wenn sie unterschiedliche Interpretationen akzeptierten, was darunter zu verstehen ist. Die Annäherung stieß aber auf wachsenden Widerstand unter den 23 Millionen Taiwanesen, was auch zur Wahl von Tsai vor zwei Jahren beigetragen hat. Die Präsidentin vermeidet es, den Konsens zu bestätigen, und verstärkt damit die Spannungen mit China.
ie/as (dpa, ap)