Energiepreise gehen durch die Decke
8. Januar 2022Die Preise für Strom, Gas und Heizöl in Deutschland explodieren förmlich - und das ist auch eine Folge der Corona-Pandemie. Denn nach dem durch COVID-19 bedingten Einbruch der globalen Konjunktur 2020 führte die Erholung der Weltwirtschaft im Folgejahr zu einem unerwartet hohen Energiebedarf.
Innerhalb weniger Monate vervielfachte sich der Großhandelspreis für Erdgas und stieg auf ein historisches Allzeithoch. Ursache dafür waren und sind neben der steigenden Nachfrage auch wenig gefüllte Gasspeicher der Verbraucherländer, gedrosselte Exportmengen mancher Gasproduzenten und teurere CO2-Emissionszertifikate.
Die Einfuhrpreise für Erdgas, die vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gemessen werden, haben sich seit Jahresbeginn 2021 verdreifacht, teilt das Verbraucherportal Verivox in einer Studie mit. An den Spotmärkten, wo Gas kurzfristig gehandelt wird, haben sich danach die Preise für Erdgas im Jahresverlauf sogar mehr als versiebenfacht. Zwischenzeitlich kostete dort eine Megawattstunde rund 150 Euro. Zum Vergleich: Im langjährigen Mittel bewegt sich der Preis je Megawattstunde zwischen 10 und 25 Euro.
Gas im Jahresverlauf um fast 50 Prozent teurer
Laut Verivox lagen die Gaskosten für einen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden im Dezember 2021 bei durchschnittlich 1704 Euro pro Jahr. Zu Jahresbeginn betrugen sie noch 1162 Euro. Das ist ein Anstieg von 47 Prozent.
"2022 werden weitere preistreibende Effekte wirksam", sagt Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox. Neben den Großhandelspreisen steige auch die CO2-Abgabe für fossile Brennstoffe ab Januar von 25 auf 30 Euro pro Tonne. Darüber hinaus werden höhere Netzgebühren fällig. Das zwinge fast alle Gasversorger dazu, ihre Preise teilweise kräftig nach oben anzupassen.
Für Januar und Februar 2022 haben laut der Studie bisher 515 der rund 700 Gasgrundversorger Preiserhöhungen von durchschnittlich 23,1 Prozent angekündigt. Bei einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh entspricht das Mehrkosten von rund 339 Euro pro Jahr.
Heizöl verteuerte sich um 41 Prozent
Eine ähnliche Entwicklung ist bei den Preisen von Heizöl zu beobachten. Im Januar 2021 kosteten 100 Liter Heizöl im bundesdeutschen Durchschnitt rund 49 Euro (netto). Im Dezember beliefen sich die Kosten auf rund 69 Euro (netto) - ein Plus von rund 41 Prozent.
"Die Heizölpreise folgen im Wesentlichen der Entwicklung der internationalen Rohölpreise. Im Zuge der Corona-Pandemie waren diese auf ein historisches Tief gefallen. Aktuell stehen die Heizölpreise höher als vor der Krise", sagt Energieexperte Storck. "Durch den steigenden CO2-Preis werden die Heizölpreise voraussichtlich 2022 noch weiter steigen."
Strompreise stiegen um 18 Prozent
Der durchschnittliche Verbraucherpreis für Strom stieg zwischen Januar und September 2021 um 18,4 Prozent. Für einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 kWh lagen die Stromkosten zu Jahresbeginn bei 1171 Euro, im Dezember wurden 1386 Euro fällig. Damit verteuerte sich Strom für private Haushalte um 215 Euro pro Jahr.
Eine solch starke Preisdynamik innerhalb eines Kalenderjahres war bei Strom bisher nicht zu beobachten, teilt Verivox mit. Zwischen Juli und November habe laut Studie der Strompreis für private Verbraucher fünfmal in Folge ein neues Allzeithoch markiert.
EEG-Umlage sinkt, Preise bleiben hoch
Zum Jahreswechsel 2021/2022 ist die EEG-Umlage (dient in Deutschland zur Finanzierung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien) von 6,5 Cent auf 3,7 Cent pro Kilowattstunde gesunken. Rechnerisch wäre das für einen Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 kWh eine Entlastung von rund 133 Euro. Gleichzeitig steigen aber die Netzgebühren für Strom im bundesweiten Durchschnitt um vier Prozent an und erreichen ein neues Rekordniveau.
Für Januar und Februar 2022 kündigten insgesamt 280 der rund 800 regionalen Versorger in Deutschland Strompreiserhöhungen von im Schnitt 7,6 Prozent an, was zu durchschnittlichen Mehrkosten von knapp 100 Euro pro Jahr für die Kunden führt.
Auch Steuern und Umlagen bestimmen den Preis
Bei diesen Ausführungen gilt es zu berücksichtigen, dass sich der Endpreis für den Verbraucher in Deutschland zum größten Teil aus Steuern, Abgaben Umlagen und Netzentgelten zusammensetzt. Stromeinkauf und Vertriebsmargen machen nur weniger als ein Viertel des Endpreises aus (s. Grafik). Der größte Preistreiber beim Strom ist also der Staat mit Steuern und Umlagen.
Beim Gas schlagen die eigentlichen Produkt- und Vertriebskosten immerhin mit knapp 49 Prozent, also fast der Hälfte zu Buche; beim Heizöl sind es rund 59 Prozent (s. Grafiken)
Discount-Stromhändler stellen Lieferungen ein
Für viele Kunden von Billiganbietern von Strom und Gas, die sich wegen günstigerer Konditionen in der Vergangenheit von den Grundversorgern verabschiedet haben, kommt es zurzeit knüppeldick. Es gibt nämlich reihenweise Insolvenzen von Anbietern, die mit zu niedrigen Tarifen geworben hatten und jetzt nicht mehr die explodierenden Preise am Spotmarkt bezahlen können.
Bei einem Lieferstopp von Strom oder Gas gehen betroffenen Kunden in Deutschland zwar nicht das Licht oder die Heizung aus, denn sie werden automatisch von den Grundversorgern (oft sind das die Stadtwerke) übernommen. Doch dort landen sie zwangsläufig in Tarifen für Neukunden (Ersatzversorgung), und die sind teuer.
So sollten beispielsweise Neukunden der Kölner Rheinenergie seit dem ersten Januar mehr als doppelt so viel für Strom wie Bestandskunden zahlen, nämlich 72,8 Cent pro Kilowattstunde statt 30,76 Cent. Und ein Wechsel in einen anderen Tarif, wie in früheren Zeiten üblich, war bei der Rheinenergie und anderen Grundversorgern zunächst nicht möglich. Der Grund: Alleine in Köln können Zehntausende Kunden betroffen sein, deren Anbieter Pleite gemacht haben oder unrentable Verträge kündigten. Für diese Verbraucher muss nun teurer Strom zu hohen Preisen auf den täglichen Spotmärkten zugekauft werden. Daran ändert auch die leichte Entwarnung kaum etwas: Seit dem 5. Januar bietet der Versorger wieder Wahltarife an. Wer sich als Neukunde dafür entscheidet, muss mit mindestens 42,82 Cent pro Kilowattstunde immer noch gut 40 Prozent mehr als Bestandskunden zahlen.
Auch Industriekunden drohen hohe Mehrkosten
Vielen Industriekunden geht es genauso, kleinen wie großen. Zu Tausenden hätten sich Unternehmen in Deutschland nicht mit langfristigen Energieverträgen abgesichert, schreibt das Handelsblatt, oder ihre Anbieter meldeten - wie bei den Privatkunden - Insolvenz an und lieferten nicht mehr.
Die Zeitung zitiert den Einkaufschef eines großen Mittelständlers aus Nordrhein-Westfalen: "Der Anstieg der Preise war schon im dritten Quartal so dramatisch, dass wir dachten, es muss bald wieder runtergehen." Deshalb habe sich der Maschinenbauer mit einem Jahresumsatz von knapp zwei Milliarden Euro, der wie viele andere betroffenen Unternehmen nicht namentlich genannt werden wolle, "schnöde verzockt". "Wir haben lange abgewartet und letztlich den richtigen Zeitpunkt verpasst.".
Jetzt müsse das Unternehmen im kommenden Jahr wohl allein für die deutschen Werke fünf bis sechs Millionen Euro für Strom und Gas bezahlen. Bisher hätte dieser Etat bei drei Millionen gelegen.
Kein Wunder, dass aus Kreisen von Unternehmen, die solche explosionsartigen Kostensprünge nicht verkraften können, bereits die Rufe nach staatlicher Unterstützung lauter werden.
Der Artikel wurde am 11.01.2022 aktualisiert.