Erbstreit im Fall Gurlitt erreicht Zielgerade
27. März 2015"Das Gericht hält das Testament von Cornelius Gurlitt, in dem er das Kunstmuseum Bern zum Alleinerben eingesetzt hat, für wirksam", heißt es in einer Mitteilung des Gerichtes. Die Münchener Richter wiesen damit den Antrag von Gurlitts Cousine, Uta Werner, auf einen Erbschein zurück. "Dem Einwand der Cousine, dass der Erblasser Cornelius Gurlitt zum Zeitpunkt der Testamentserstellung testierunfähig gewesen sei, folgte das Gericht nicht."
In Werners Auftrag hatte der Regensburger Psychater Helmut Hausner in einem Gutachten die Testierfähigkeit des Verstorbenen angezweifelt. Nun hat die Familie einen Monat Zeit, Beschwerde gegen den Gerichts-Entscheid einzulegen. Ob sie ihr Recht dazu nutzt, bleibt abzuwarten. "Die Anwälte von Uta Werner werden die Begründung des Gerichts fachlich prüfen", telite ein Sprecher der Familie mit. Die Museumsleitung in Bern erklärte, sie nehme die Nachricht aus München "mit Befriedigung zur Kenntnis".
Fall Gurlitt täglich komplizierter
Seit dem spektakulären Bilderfund in der Wohnung von Cornelius Gurlitt, des Sohns von NS- Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, sind anderthalb Jahre vergangen. Den Überblick zu wahren, wird täglich komplizierter. Dazu trug nicht zuletzt der Tod des Kunsthändler-Erben Cornelius Gurlitt bei. Als er im Mai 2014 starb, setzte er das Berner Kunstmuseum als Haupterben ein. Das Museum und der deutsche Staat verständigten sich vertraglich über den Umgang mit der Nazi-Raubkunst. Kunstwerke unter Raubkunstverdacht – knapp 500 Bilder – sollten demnach in Deutschland bleiben. Eine "Taskforce" sollte zweifelhafte Provenienzen klären, um betrogene Vorbesitzer schnell zu entschädigen.
Zwei Bilder vor der Rückgabe
Doch das Forscherteam um Ingeborg Berggreen-Merkel blieb hinter den Erwartungen zurück. Erst jetzt stehen die ersten beiden Restitutionen bevor: Henri Matisse' Gemälde "Sitzende Frau" und Max Liebermanns "Zwei Reiter am Strand" sollen in Kürze zurückgegeben werden. Weitere Anspruchsteller warten bisher vergeblich. Die Zeit drängt. "Geht das nicht schneller?", fragen viele.
Ein klares "Ja" hätte wohl Christoph Edel parat. Der Münchner Anwalt war im Herbst 2013 als Betreuer von Cornelius Gurlitt eingesetzt worden. Im Salzburger Haus der Gurlitts stieß er auf Unterlagen und Dokumente. Das Konvolut von Verträgen, Fotos, Briefen und Geschäftsunterlagen von Hildebrand und Cornelius Gurlitt umfasste 25.000 Seiten. Edel stellte die Dokumente sicher, ließ sie säubern und verwahren. Anschließend beauftragte er ein Expertenteam um den Dokumentarfilmer Maurice Philip Remy mit der Sichtung und Erfassung in einer Datenbank. Doch dann starb Cornelius Gurlitt. Edels Mandat endete, Remys Team musste die Arbeit einstellen.
Vorwürfe an die Taskforce
Seither hat sich, wie die "Süddeutsche Zeitung" in einem Artikel moniert, niemand mehr mit dem Material beschäftigt. "Warum", so fragen die SZ-Autoren, "ordnete Taskforce-Chefin Berggreen-Merkel nicht schon längst die Sichtung der Salzburger Bestände an?" Stattdessen habe sie die Dokumente erst vergangene Woche abholen lassen. "Hätte man die Salzburger Unterlagen erschlossen", argumentiert das Blatt, "hätte man womöglich die Herkunft hunderter Kunstwerke zweifelsfrei klären können." Sie wären entweder vom Makel der Raubkunst befreit, oder die rechtmäßigen Besitzer hätten längst ermittelt werden können. Ein harscher Vorwurf an die Taskforce-Chefin, die dagegenhält, ihrem Team seien wichtige Dokumente vorenthalten worden. Die Taskforce sei nicht verfügungsberechtigt über den Nachlass von Cornelius Gurlitt. Weshalb Unterlagen, die zu Lebzeiten des Kunsthändlersohns im Besitz Dritter waren, erst im März diesen Jahres an den Nachlasspfleger weitergegeben wurden, könne die "Taskforce" nicht nachvollziehen.
So ist die kunsthistorische Aufarbeitung der Gemäldesammlung ins Stocken geraten und mit ihr auch die Rückgabe von als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken an die Nachfahren jüdischer Eigentümer. Die Erbschaft Cornelius Gurlitts bleibt umstritten und kompliziert. Das Kunstmuseum Bern würde das Erbe gerne antreten. Doch sollte Uta Werner Widerspruch einlegen, geht der Rechtsstreit um das Testament weiter.