Gurlitt-Erbe: Aufbruchstimmung in Bern
27. November 2014"Wir arbeiten unter der Beobachtung der Weltöffentlichkeit" sagte der Präsident des Stiftungsrats, Christoph Schäublin, jetzt dem Zürcher Tagesanzeiger, "Fehltritte können wir uns nicht leisten!" Die möchte man vermeiden, vor allem beim Umgang mit Kunstwerken zweifelhafter Herkunft. So gibt man sich gegenüber Pressefragen derzeit äußerst zugeknöpft. Offenbar liegen im Museum die Nerven blank.
Vielleicht möchte man nicht zu sehr als Profiteur des - weltweit beachteten - Gurlitt-Deals dastehen. Danach geht das Gurlitt-Erbe nach Bern. Kunstwerke unter Raubkunstverdacht – knapp 500 Bilder - bleiben jedoch in Deutschland und sollen hier auf ihre Herkunft geprüft werden, auf Kosten des deutschen Steuerzahlers. "Bern die Lust, Berlin die Last", ätzte die niederländische Zeitung "de Volkskrant" über das deutsch-schweizerische Gurlitt-Abkommen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hatte dies vor Journalisten in Berlin mit der "besonderen Verantwortung gegenüber den Opfern der NS-Diktatur" begründet.
"Hausaufgaben nicht gemacht"
In der Schweiz werden indes Stimmen laut, die eine historische Mitverantwortung reklamieren. So war die Schweiz einst Drehscheibe des Raubkunsthandels. Schweizer Galeristen und Kunsthändler organisierten große Auktionen und Verkäufe. Wie Deutschland gehört die Schweiz heute zu den 43 Staaten, die sich 1998 mit dem Washingtoner Abkommen verpflichteten, Museumsbestände auf Nazi-Raubkunst zu überprüfen und an die rechtmäßigen Eigentümer zurück zu geben. "90 Prozent der hiesigen Museen haben ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht", sagte der Schweizer Historiker Thomas Buomberger in der "Berner Zeitung". Aus seiner Sicht hat das Kunstmuseum Bern einen "sehr guten Deal gemacht".
So kann sich Museumsdirektor Matthias Frehner auf die Bilder aus der Gurlitt-Sammlung freuen, die er "zwar nicht für hochbedeutend" hält, die aber einige Glanzstücke der Klassischen Moderne enthalte. "Wir können zwei Konvolute übernehmen – Werke mit gesicherter Provenienz ", so Frehner im Gespräch mit der Deutschen Welle. Ein Sammlungsteil umfasst überwiegend Papier-Arbeiten der Klassischen Moderne. Herausragend sind nach den Worten Frehners eine großformatige, 1847 datierte "Montagne Sainte-Victoire"-Landschaft von Paul Cézanne und eine "Waterloo Bridge im Nebel" von Claude Monet aus dem Jahr 1903, aber auch Gemälde von Paul Signac, Courbet und Gauguin.
"Viele Werke ohne Provenienznachweis"
Ein zweites Konvolut besteht aus rund 280 Bildern, die von Verwandten Cornelius Gurlitts geschaffen wurden. Beide Werkgruppen werden sich nach Ansicht des Museumschefs "sehr gut" in die Sammlung des Kunstmuseums Bern einfügen, wo Klassische Moderne und Malerei des 19. Jahrhunderts schon jetzt zu den Sammlungsschwerpunkten gehören. Sein Museum plant – nach einer Erstpräsentation der Gurlitt-Sammlung – eine Ausstellung zu "Entarteter Kunst", "im besten Falle schon nächstes Jahr", so Frehner.
Um Wert und Herkunft des geerbten Kunstschatzes zu klären, will das Kunstmuseum Bern in Kürze eine eigene Provenienz-Forschungsstelle einrichten. Eine anonyme Mäzenin hat dafür einen "siebenstelligen Betrag" gespendet, also mindestens eine Million Franken (800.000 Euro). Davon sollen Stellen für Forscher und Archivare finanziert werden. "Die Sammlung Gurlitt ist sehr groß. Viele Werke sind ohne Provenienznachweis", so Museumschef Frehner im DW-Interview, "wir werden mit der deutschen Taskforce zusammenarbeiten, uns sinnvoll mit ihr abstimmen und unseren Forschungsbeitrag leisten zur Aufklärung der Sammlungsgeschichte." Wie andere Schweizer Museen habe sich auch das Kunstmuseum Bern früh mit Provenienzforschung beschäftigt. "Wir kennen unsere Sammlungen!"