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Stoppt die Stromverschwendung!

Sabine Kinkartz19. März 2014

Deutschland muss 2014 eine EU-Richtlinie umsetzen, die jährlich 1,5 Prozent weniger Stromverbrauch vorschreibt. Das ist gut, sagt eine neue Studie, denn: Effizienz könnte die Energiewende deutlich billiger machen.

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Symbolbild - Hoher Strompreis dank EEG
Bild: picture-alliance/dpa

Das Bundeswirtschaftsministerium ist noch nicht lange für die Energiepolitik zuständig und doch ist dieses Thema schon jetzt die größte politische Baustelle im Haus. Fest steht: Die Förderung von Ökostrom kostet den Verbraucher immer mehr, im vergangenen Jahr waren es bereits 19 Milliarden Euro. Daher soll das Erneuerbare-Energien-Gesetz so schnell und umfassend wie möglich reformiert werden.

Ob die Energiewende billiger wird, wenn in Zukunft weniger subventioniert wird, und ob sich die energieintensive Industrie tatsächlich in großem Umfang an den Kosten beteiligen wird, darf allerdings bezweifelt werden. Zum einen lassen sich bereits für Jahrzehnte erteilte Förderzusagen für Anlagen, die Strom aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse erzeugen, nicht mehr zurücknehmen. Zum anderen entstehen neue Kosten durch den Ausbau der Windenergie auf dem Meer und vor allem durch den nötigen Netzausbau.

Sparen lohnt sich

Eine Studie, die die Prognos AG und das Institut für elektrische Anlagen und Energiewirtschaft (IAEW) der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen im Auftrag des Netzwerks Agora Energiewende erstellt haben, richtet den Blick nun auf einen Aspekt, dem nach Ansicht von Agora-Direktor Patrick Graichen viel mehr Bedeutung zukommen sollte: der Steigerung der Energieeffizienz.

Würde der Stromverbrauch in den nächsten 20 Jahren um 35 Prozent gegenüber heute reduziert, wären schon im Jahr 2035 Einsparungen bei den Gesamtkosten für die Stromerzeugung und die Netzinfrastruktur bis zu 20 Milliarden Euro möglich. 2050 könnten sogar bis zu 30 Milliarden Euro eingespart werden. "Die Einsparungen kommen durch geringere Investitionen in fossile und erneuerbare Kraftwerke sowie durch geringere Ausgaben für Brennstoffe und für den Netzausbau zustande", erklärt Graichen.

Photovoltaik-Panele / Windrad
Die Förderung der erneuerbaren Energien hat den Strompreis in die Höhe getriebenBild: picture-alliance/dpa

Die Rechnungen der Wissenschaftler basieren auf Szenarien zur Kostenentwicklung bei steigendem oder sinkendem Stromverbrauch. 2012 beliefen sich die Gesamtkosten für die Stromerzeugung und die Netzinfrastruktur auf rund 50 Milliarden Euro. Bei steigendem Verbrauch könnten die Kosten bis 2050 auf 72 Milliarden Euro ansteigen. Würde der Verbrauch jedoch auf ein Niveau sinken, wie es der WWF in einem Innovationsszenario annimmt, dann könnten die Kosten bis 2050 auf 43 Milliarden Euro reduzieren. Investitionskosten beispielsweise für energieeffizientere Geräte in Haushalten oder Maschinen in der Industrie wurden in der Studie allerdings nicht mit eingerechnet.

Weniger Strommasten, weniger CO2

"Jede eingesparte Kilowattstunde Strom bewirkt eine Kosteneinsparung im Stromsystem zwischen elf und 15 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2035", sagt Friedrich Seefeldt von der Prognos AG. Weniger Stromverbrauch hat zudem zur Folge, dass weniger Netze für den Transport bereitstehen müssen. "Unter bestimmten Umständen kann der in Deutschland bis 2050 erforderliche Übertragungsnetzausbau im Vergleich zu einem Effizienzpfad ohne große Stromsparambitionen um bis zu 50 Prozent reduziert werden", rechnet Christopher Breuer vom IAEW in Aachen vor.

Finanzierung der Energiewende spaltet die Wirtschaft

Die Einsparungen seien unter anderem davon abhängig, ob der hierzulande erzeugte Strom aus erneuerbaren Energien auch in Nachbarländer transportiert werden soll.

Die Studie beziffert auch die Einsparpotenziale bei CO2-Emissionen und bei den Importkosten für Brennstoffe. Demnach könnten im Jahr 2020 die CO2-Emissionen um neun Millionen Tonnen reduziert werden, wenn der Stromverbrauch um zehn Prozent sinken würde. Kohle- und Gasimporte würden sich um 1,2 Milliarden Euro reduzieren.

EU-Richtlinie gibt den Takt vor

Voraussetzung für alle in der Studie festgestellten positiven Effekte ist allerdings, dass die Deutschen tatsächlich deutlich weniger Strom verbrauchen. Agora-Direktor Graichen sieht die Politik in der Pflicht. "Im Kern brauchen wir in diesem Jahr ein Energieeffizienz-Gesetz, das alle Potenziale hebt." Seit Jahrzehnten werde über mehr Energieeffizienz diskutiert, im Koalitionsvertrag sei sie sogar als zweite Säule der Energiewende benannt. "2014 ist das Jahr der Entscheidungen, da kommt es zum Schwur", fügt er mit Blick auf die EU-Effizienzrichtlinie hinzu, die eigentlich bis Juni in deutsches Recht umgesetzt werden müsste.

Die Richtlinie fordert 1,5 Prozent Effizienzsteigerung pro Jahr. Das sei durchaus machbar, meint Graichen und verweist auf entsprechende Studien der vergangenen Jahre. 40 Prozent des Stromverbrauchs entfallen in Deutschland auf die Industrie, 30 Prozent auf die Privathaushalte. Der Rest verteilt sich auf Gewerbe, Dienstleister und Landwirtschaft.

Deutschland Kohlekraftwerk bei Pulheim Archiv 2011
Ziel bis 2050: Nur noch 20 Prozent des Stroms in Deutschland aus fossilen BrennstoffenBild: picture-alliance/dpa

Wer zahlt, wer profitiert?

In allen Sektoren gebe es erhebliches Potenzial für mehr Energieeffizienz, sagt Graichen und nennt beispielhaft Druckluftanwendungen in der Industrie oder Heizungspumpen in Privathaushalten, die dafür sorgen, dass ständig warmes Wasser verfügbar ist. Neue Pumpen würden inzwischen 80 Prozent weniger Strom verbrauchen als alte Pumpen. Auch die LED-Beleuchtung sei ein enormer technischer Fortschritt.

Wer die Ersparnis am deutlichsten zu spüren bekommt, lässt sich laut Graichen durch die Studie nicht sagen. Es hänge von den Ergebnissen der politischen Diskussion und dem Energieeffizienz-Gesetz ab, wie die Kosten auf Verbraucher, Unternehmen und Staat verteilt würden. Es lägen bereits mehrere Vorschläge auf dem Tisch, wie die Sparmaßnahmen gesteuert werden könnte. "Es ist letztlich zweitrangig, welchen der Vorschläge man nun nimmt", so Graichen, "Hauptsache man nimmt jetzt mal einen!"