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Kenia: 50 Jahre nach der Unabhängigkeit

Andrea Schmidt12. Dezember 2013

Kenia feiert 50 Jahre Unabhängigkeit. Das Land gilt als Stabilitätsanker in Afrika. Die Kenianer sind stolz auf das Erreichte, aber auch kritisch gegenüber ihrer Führung und sich selbst. Fünf Perspektiven.

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Symbolbild Der Nutzen von Handys in der Landwirtschaft in Afrika
Bild: picture-alliance/Ton Koene

Kenias Jugend: Weniger Korruption, mehr Hightech

Die zahlreichen Internetcafés in der Hauptstadt Nairobi sind beliebte Treffpunkte für die kenianische Jugend. Mehr als 60 Prozent der Kenianer sind jünger als 24 Jahre. Sybille Munyika etwa ist Hotelangestellte in Beirut. Sie hat Kenia verlassen, weil sie keine Arbeit fand. "Ich wünschte, wir hätten bessere Politiker und weniger Korrpution", sagt sie, während sie mit Freunden im Internetcafé surft. Neben Munyika im Internetcafe lesen die 19-jährige Studentin Joane Ochieng Onyango und Samuel, der in der Logistikbranche arbeitet, ihre E-Mails. Sie sehen die Entwicklung ihrer Heimat positiv. "Wir sind heute viel besser dran als die Leute damals vor 50 Jahren", sagt Samuel. Vor allem der Zugang zu moderner Technologie habe das Land in jüngster Zeit verändert. Nicht nur in den großen Städten, sondern auch in ländlichen Gebieten erleichterten vor allem Mobiltelefone das Leben, ergänzt Joane.

Der Boom der lokalen IT-Branche hat Kenia jüngst den Spitznamen "Silicon Savannah" eingetragen - in Anlehnung an das Technologieregion "Silicon Valley" in den USA. In Kenia entstand in den vergangenen Jahren etwa der mobile Überweisungsdienst "M-Pesa". Etwa ein Fünftel des gesamten Bruttosozialprodukts des Landes wird bereits per Handy transferiert. Während der blutigen Unruhen 2008 entwickelten Kenianer "Ushahidi" (zu Deutsch "Zeugenaussage"), eine interaktive Plattform, die in Krisengebieten Informationen über Gewaltausbrüche sammelt und allen zugänglich macht.

Joane Ochieng Onyango
Joane Ochieng OnyangoBild: DW/A. Schmidt

Victor Bwire: Pressefreiheit in Gefahr

Kenia hat eine vielfältige und offene Medienlandschaft. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt es auf Platz 71 von 179 Staaten, also im Mittelfeld. Allerdings hat das Parlament Präsident Uhuru Kenyatta ein neues Mediengesetz zur Unterschrift vorgelegt, das dem Staat erhebliche Kontrolle über Medieninhalte geben soll. Victor Bwire ist über den Gesetzesvorschlag entsetzt. Er ist stellvertretender Chef des unabhängigen Medienrats, einem Zusammenschluss von Journalisten und Medienunternehmern. Nach Vorstellung der Politiker sollen Journalisten künftig bei vermeintlich staatsgefährdender Berichterstattung bis zu 12.000 US-Dollar Strafe zahlen - Medienhäuser gar über 200.000 US-Dollar. "Das Gesetz verstößt in großen Teilen gegen die Verfassung und kriminalisiert unseren Beruf", wettert Bwire. Aus Angst vor Repressalien bestehe dann die Gefahr von Selbstzensur.

Victor Bwire
Victor BwireBild: DW/A. Schmidt

Karsten Dümmel: Der Westen braucht Kenia

Karsten Dümmel
Karsten DümmelBild: cc-by-sa/Freseniust

Präsident Uhuru Kenyattas dringendste Sorge ist derzeit ein Prozess gegen ihn vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Mit anti-imperialistischen Parolen macht er in Kenia und Afrika Stimmung gegen den Gerichtshof und versucht, die Internationale Gemeinschaft dazu zu bewegen, den Prozess zu verschieben oder abzusagen. Kenyatta ist zusammen mit seinem Stellvertreter, Wiliam Ruto, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. In Europa löst diese Rhetorik Sorgen aus, der noch junge Gerichtshof könnte geschwächt werden. Zuletzt hat sich der Ton zwischen den Unterstützern des Gerichtshofs - darunter Deutschland - und Kenia verschärft. "Es könnte zu einzelnen Sanktionen gegen Kenia kommen, es könnte ein Haftbefehl gegen Kenyatta kommen", sagt Karsten Dümmel, Leiter der CDU-nahen Konrad Adenauer Stiftung in Nairobi. Doch andererseits sei Kenia für den Westen ein wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus und beteilige sich etwa mit Truppen an der afrikanischen Militärmission in Somalia. Daher glaubt Dümmel nicht, dass die Europäer es zu einem kompletten Bruch mit Kenia kommen lassen werden. Eine Möglichkeit könnte sogar sein, am Ende den Prozess fallen zu lassen, denn Europa und Amerika bräuchten ein starkes Kenia.

Mwalimu Mati: Ressourcenkonflikte beenden

Tribalismus und eine ungerechte Landverteilung gehören für viele Kenianer zu den dringendsten Problemen ihres Landes - etwa für den Menschenrechtsaktivisten und Politikwissenschaftler Mwalimu Mati. Konflikte in dem Vielvölkerstaat mit mehr als 40 Ethnien würden durch ungerechte Ressourcenverteilung angeheizt, wie etwa Zugang zu Wasser und Weiderechte für das Vieh. Immer wieder entladen sich diese Konflikte in blutigen Gewaltausbrüchen mit vielen Toten und Verletzten. "Um Ressourcen kämpft Ihr in Europa nicht mehr", sagt Mati. "Und das sollte auch bei uns im 21. Jahrhundert nicht mehr passieren." Es müssten Möglichkeiten geschaffen werden, dass jeder sein Auskommen finden könne, und die Kenianer müssten als Volk einig sein, ohne ethnische Konflikte.

Mwalimu Mati
Mwalimu MatiBild: DW/A. Schmidt

Auma Obama: Überwindung des ethnischen Denkens

Ein Rückschlag für die Bildung der nationalen Einheit in Kenia waren die Unruhen nach den Wahlen 2007 mit mehr als 1000 Toten und Hunderttausenden Vertriebenen. Damals waren die verschiedenen Ethnien durch Politiker gegeneinander aufgehetzt worden. Die kenianische Soziologin Auma Obama wünscht sich zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit mehr Zusammenhalt und Einigkeit von ihren Landsleuten. Die Vorsitzende der Jugendstiftung "Sauti Kuu" (zu Deutsch: Starke Stimmen) und Halbschwester des US-Präsidenten Barack Obama findet, "dass die Kenianer sich gegenseitig besser behandeln sollten. Ich finde, wir sind uns gegenüber sehr aggressiv, wir gehen nicht nett miteinander um, wir sollten nicht so ethnisch denken. Wenn wir an die Entwicklungen in unserem Land denken, dann müssen wir immer im Hinterkopf haben, wenn ich anderen helfe, helfe ich mir auch selbst.“

Auma Obama
Auma ObamaBild: Reuters